Jiu-Jitsu: Lisa Fuhrmann setzt auf Risiko

Die Burgenländerin Lisa Fuhrmann gehört zu den besten Jiu-Jitsu-Kämpferinnen der Welt. Um bei den World Games in China an den Start gehen zu können, riskierte sie sogar ihre Karriere. Und holte dabei ganz nebenbei den Vize-WM-Titel.

Ehrgeiz und Wille sind unabdingbare Ingredienzien für eine erfolgreiche Karriere im Sport. Und manchmal kommt auch noch eine gehörige Portion Risikobereitschaft dazu. So wie bei Lisa Fuhrmann im vergangenen Jahr. Im August riss sich die Jiu-Jitsu-Kämpferin des JJC „Vila Vita Pannonia“ aus Wallern im Trainingslager das Kreuzband und dachte sofort daran, dass ihr ganz großer Traum, auf den sie seit Jahren hinarbeitet, zu platzen droht. „Ich wollte unbedingt bei den World Games in China dabei sein, doch um mich dafür zu qualifizieren, hätte ich bei der WM im Oktober ins Finale kommen müssen“, sagt die 22-Jährige. Nach einer Operation am Kreuzband ein aussichtsloses Unterfangen.

Doch dann wurde ein Plan ausgeheckt, der spektakulärer kaum sein könnte. Mit ihrem Trainerteam und dem behandelnden Arzt wurde vereinbart, mit der OP zu warten – und mit gerissenem Kreuzband die WM zu bestreiten. „Es hieß, das sei zwar schwierig, aber möglich. Wenn allerdings etwas am verletzten Knie passiert, könnte meine Karriere zu Ende sein.“ Ein Risiko, das alle Involvierten in Kauf nahmen.

Riskanter Plan

Nach außen wurde die Verletzung geheim gehalten, um den Konkurrentinnen keinen Hinweis auf eine mögliche Schwachstelle zu liefern. Und so flog Lisa tatsächlich nach Griechenland, tapte ihr Knie nach allen Regeln der Kunst – und schaffte das scheinbar Unmögliche. In der ersten Runde erhielt sie ein Freilos, dann wurde eine Konkurrentin aus Serbien eliminiert, dann aus der Türkei. Im Halbfinale wartete eine Gegnerin aus Deutschland, es war das entscheidende Duell um das Ticket für die World Games – und Lisa behielt wieder die Oberhand. 

Das Finale ließ die Burgenländerin dann allerdings aus und überließ einer Thailänderin die WM-Goldmedaille. „Da wollte ich dann doch nichts mehr riskieren, ich hatte mein Ziel ja schon erreicht.“ Zurück in Österreich ging es sofort auf den OP-Tisch, um die Reha-Zeit nach hinten hinaus nicht zu lang werden zu lassen.

Riesige Chance

Um zu verstehen, warum Lisa Fuhrmann zu dieser ungewöhnlichen Maßnahme griff, muss man sich die Bedeutung der World Games vor Augen halten. Es sind so etwas wie die Olympischen Spiele für Sportarten, die nicht Teil des olympischen Programms sind. Ein Highlight, das auch nur alle vier Jahre stattfindet und in der Jiu-Jitsu-Community einen riesigen Stellenwert hat. „Dort habe ich die Chance, meine Sportart zu präsentieren und auch medial mehr Aufmerksamkeit zu bekommen, als es sonst der Fall ist“, sagt Lisa.

Denn eins ist klar: Die japanische Kampfsportart, die man als Mischung aus Judo und Karate bezeichnen könnte, fristet nicht nur hierzulande ein Dasein als absolute Randsportart. „Dabei gibt es hier viel mehr Action als bei anderen Kampfbewerben, deswegen hat mich Jiu-Jitsu auch immer am meisten fasziniert“, erzählt Fuhrmann, der die Begeisterung allerdings in die Wiege gelegt wurde.

Denn ihr Vater Ferdinand hat – gemeinsam mit seiner Schwester und somit Lisas Tante Sabine – 1994 den Weltmeister-Titel ins Burgenland geholt. Allerdings in der Disziplin Duo, eine Art Showkampf, bei dem eine einstudierte Choreografie einer Jury präsentiert und von dieser bewertet wird. Lisa tritt dagegen beim sogenannten „Fighting“ an, bei dem es in Eins-gegen-Eins-Duellen darum geht, in der dreiminütigen Kampfzeit mehr Wertungen (und somit Punkte) zu holen als die Gegnerin. Und das mit Tritten, Würfen und Schlägen, was durchaus zu schmerzhaften Begegnungen führen kann.

Klare Trennung

Da Lisa Fuhrmann schon als Kleinkind als Begleitung des Vaters auf den Kampfmatten unterwegs war und im Volksschulalter ihre ersten Kämpfe bestritt, weiß sie allerdings ganz genau, worauf sie sich einlässt. Zusammen mit ihrer ebenfalls höchst erfolgreichen älteren Schwester Anna sorgte sie bald dafür, dass Wallern und der JJC „Vila Vita Pannonia“, der seit etwas mehr als zehn Jahren von der Raiffeisen Bezirksbank Neusiedl Ost gesponsert wird, zu einem viel beachteten Jiu-Jitsu-Spot wurde. 

„Mein Vater hat den Klub 1993 gegründet und ist dort bis heute als Trainer engagiert“, sagt die Frau, die im Nachwuchs in der U18 und U21 insgesamt viermal Welt- und fünfmal Europameisterin wurde. Eine Trainer-Vater-Konstellation, die in vielen Familien durchaus ihre Tücken haben könnte, nicht aber bei den Fuhrmanns. „Das ist überhaupt kein Problem, wir können Familie und Sport komplett trennen. In der Halle bin ich eine Schülerin von ihm wie jede andere“, sagt sie. Und ergänzt einen wichtigen Satz: „Bei uns stehen die Freude am Sport und der Spaß immer im Vordergrund.“

Ambitionierte Ziele

Anders wäre es wohl auch schwer zu erklären, warum man so viel Leidenschaft und Energie in ein Hobby investiert, in dem es kaum etwas zu verdienen gibt. Selbst bei den größten Turnieren werden keine Preisgelder bezahlt, lediglich Reisekosten werden von nationalen Organisationen übernommen. Allerdings: Seit vergangenem Sommer ist Lisa im Spitzensportprogramm bei der Polizei dabei, was es ihr ermöglicht, von und mit ihrem Sport leben zu können. „Für mich ist es ideal“, sagt sie. „Ich mache die Ausbildung, die etwas länger als sonst dauert, kann mich dafür aber aufs Training konzentrieren.“

Und zwar längst nicht nur auf das eigene. Denn Lisa trainiert in Wallern auch Kinder und will mit ihren Leistungen Vorbild sein, um andere Menschen für den Sport zu begeistern. Denn auch das ist Jiu-Jitsu: respektvolles Miteinander, Engagement und Fair Play.

Doch mit welchen Zielen fährt Lisa Fuhrmann, die mittlerweile fast am Ende ihrer Reha ist und im Juni wieder zu 100 Prozent ins Trainingsgeschehen einsteigen will, nun im August zu den World Games nach Chengdu? „Ich möchte dort eine Medaille holen“, sagt sie selbstbewusst. „Ich weiß, dass das möglich ist, schließlich habe ich jede meiner Gegnerinnen schon einmal besiegt.“ Und sie war zu Beginn des Jahres sogar kurzfristig auf Position eins in der Weltrangliste. Logisch, dass man durchaus ambitioniert nach den Sternen greifen kann.

Und so ein hohes Risiko wie im vergangenen Jahr muss sie wohl diesmal auch nicht eingehen.

AusgabeRZ16-2025

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