Mit Ihrer Bestellung wurde die Neuausrichtung des Corporate and Investment Banking in der RBI abgeschlossen. Was hat sich verändert?
Valerie Brunner: Mit der Invasion von Russland in die Ukraine war schnell klar, dass wir unsere bisherigen, sehr starken Kundengeschäfte mit russischen und weißrussischen Kunden überdenken müssen. Wir haben sämtliche Kundensegmente, Regionen und Produkte einem Review unterzogen. Der Aufsichtsrat kam dann zum Ergebnis, die Fokussierung auf unsere Kernregion Österreich, Zentral- und Osteuropa und auf unsere Brückenfunktionen zu richten. Um diesen Fokus umzusetzen, gibt es nun einen Vorstand, der für das gesamte Kundenportfolio, sowohl Firmenkunden als auch institutionelle Kunden, zuständig ist, das darf ich sein. Und der zweite Bereich unter Vorstand Lukasz Januszewski hat nun alle Produkte unter seiner Verantwortung.
Gerade bei Produktgenerierung ist es doch wichtig, die Kundenbedürfnisse zu kennen. Wie funktioniert die Zusammenarbeit zwischen den beiden Bereichen?
Brunner: Wir, also Lukasz und ich, haben exakt die gleichen Ziele. Unsere Bereiche laufen gleichgetaktet. Wir haben zwar unterschiedliche Zuständigkeiten in der Matrix, aber dazwischen gibt es einen Bereich, der uns beiden berichtet und die Strategie formuliert.
Die RBI hat ungefähr 44.500 Firmenkunden. Wie nahe wollen oder können Sie diesen Kunden sein?
Brunner: Da ich aus dem Firmenkundenbereich komme und dort 25 Jahre verbracht habe, ist für mich die neue Funktion klar damit verbunden, noch näher mit unseren Teams zum Kunden zu kommen.
Ich habe gelesen, Sie haben im Vorjahr den Bachelor in Psychotherapie abgeschlossen. Kann man Methoden oder Ansätze für den Kundenkontakt mitnehmen?
Brunner: Bei unseren Kunden stehen immer Menschen dahinter, die gut adressiert und in ihren Bedürfnissen wahrgenommen und abgeholt werden wollen. Ich würde aber keinen Unterschied zwischen Kunden, Mitarbeitern, Kollegen und Menschen im Gesamten machen. Ich glaube schon, dass es mir geholfen hat, einfach in der Gesprächsführung offen zu sein, neugierig zu sein und auf den Bedarf dahinter einzugehen.
„Wir sind zwar gelb im Logo, aber grün im Herzen.“
Valerie Brunner
Die Konjunktur schwächelt, die Zinsen sind hoch. Wie geht es Ihren Firmenkunden im aktuellen Umfeld?
Brunner: Die Konjunkturlage ist besser, als man mitunter in den Medien liest, aber die Investitionsbereitschaft ist im Augenblick schon recht verhalten. Wir erkennen drei große Themen, die momentan im Fokus unserer Kunden stehen und die somit auch wir zu unseren Themen machen. Das ist einerseits die grüne Transformation, das liegt uns als RBI natürlich in der DNA, denn wir sind zwar gelb im Logo, aber grün im Herzen. Zweitens die Digitalisierung und drittens die geänderten Lieferwege, die sich aufgrund der geopolitischen Ereignisse immer schneller vollziehen.
Wie sehr bestimmt ESG bereits die Kundenbetreuung?
Brunner: Es spielt in jedem Gespräch eine Rolle. In unserem systematischen Kundenzugang verfolgen wir dabei drei Themen. Unser Beratungsansatz wird zunächst zu einer Selbsterkenntnis beitragen. Wir bieten Kunden eine Standortbestimmung über ihren ökologischen Fußabdruck und haben ein Tool entwickelt, das sie auch mit ähnlichen Unternehmen vergleichbar macht. Wir unterstützen dabei auch bei Förderungen für Transformationsprojekte. In Zentral- und Osteuropa gibt es große Fördertöpfe von der EU und zwar auch für Länder im Kandidatenstatus. Mit diesem Beratungselement können wir als RBI super punkten. Im zweiten Schritt geht es um die Strukturierung von Finanzierungslösungen – Elemente, mit denen wir die Finanzierung an konkrete Sustainability-Kriterien verknüpfen. Wenn der Kunde die gesetzten Ziele übererfüllt, wird die Marge niedriger, wenn er die Ziele nicht erfüllt, dann bekommt er eine kleine Prämie oben drauf. Wir nehmen diese gesammelten Margen und spenden sie einem karitativen Zweck, der Stepic-CEE-Charity. Wir wollen uns als Bank ja nicht an einer Nicht-Erfüllung von Sustainability-Kriterien bereichern. Und schließlich werden auch die Veranlagungsthemen zunehmend in einem grünen Format ausgestattet.
Wie viel ist im Vorjahr durch die Nichterfüllung von Nachhaltigkeitszielen an Spenden zusammengekommen?
Brunner: Im Vorjahr ist ein kleiner fünfstelliger Betrag herausgekommen. Heuer, wo immer mehr dieser Sustainability-linked Finanzierungen ausgereicht werden, erwarte ich eine Verdoppelung oder Verdreifachung.
Dass die Banken bei der grünen Transformation den Kunden derart eng begleiten und auch „strafend“ eingreifen, ist das für Sie der richtige Weg? Viele Banker kritisieren, dass man plötzlich Polizei spielen muss.
Brunner: Banken haben einfach einen Anteil daran, dem Kunden nicht nur die Nachteile, sondern auch die Vorteile zu verdeutlichen. Es gibt Fördermittel. Es gibt gut strukturierte Produkte, die ein Hinwenden zu grünen Themen erleichtern. Letztlich ist es ein Pfad, den wir alle sowieso gehen müssen. So ein wichtiger Intermediär wie die Bankenwelt kann einen Beitrag dazu leisten und vielen Unternehmen den Weg erleichtern. Diese Aspekte würde ich lieber herausstreichen. Natürlich transferiert die öffentliche Hand Teile der Aufgaben an die Banken. Wir müssen Daten sammeln. Diese Daten-Richtlinien sind zumeist ausgerichtet an große Unternehmen, aber ausgerollt wird es dann auf alle, auch KMUs. Wir versuchen unsere Kunden tatkräftig zu unterstützen, indem wir ihnen diese Tools mit Advanced Analytics zur Verfügung stellen.
Ein Fokus liegt auch auf der Digitalisierung. Was bringt sie dem Kunden?
Brunner: Einerseits hilft sie uns jetzt schon, den typischen Administrationsaufwand des Kundenbetreuers maßgeblich zu entlasten. Durch KI kann man mit einem Fingerschnipp die aktuellsten Daten und News zu bestimmten Branchen und zum Kunden bereitstellen. Da brauche ich jetzt gar nicht meine Psychologievorerfahrung, jeder sitzt gern einem Betreuer gegenüber, der seine Hausaufgaben gemacht hat. Die systematische Ausrollung dieser Methode auf alle Kundenbetreuer über unser CRM-System bringt massive Erleichterungen. Wir befinden uns erst am Beginn der Reise, aber die Digitalisierung wird uns näher zum Kunden bringen.
Es ist noch nicht lange her, dass die RBI ihre Kunden nach Branchen gegliedert hat. Früher waren sie nach Länder unterteilt. Ein Erfolgskonzept?
Brunner: Diese tiefe Industriebranchen-Expertise der Kundenbetreuer hat sich enorm bewährt. Ein Element in unserem neuen Relationship-Ansatz ist sogar, in der Analyse der Kundenbedürfnisse noch einen Schritt weiterzugehen. Die Pharmabranche und ein Mobiltelefonhersteller haben etwa auf den ersten Blick nicht viel gemeinsam, aber tatsächlich können unsere Datenanalysen zu dem Punkt kommen, dass eine Banklösung für beide zutrifft. Beide haben ein B2C-Modell, also einen Privatnutzer als Endkunden, und etwa hohe Cash-Bestände und eventuell gibt es für beide ähnliche Verschiebungen in den Lieferwegen. Wir wollen diese Parallelitäten entdecken, unabhängig von den Branchen. Das Wissen um die Branche wird aber weiterhin wichtig sein.
Sie haben die Verschiebungen bei den Handelsströmen angesprochen. Wie kann die Bank hier unterstützen?
Brunner: Der Eishockey-Allstar Wayne Gretzky hat einmal gesagt, die meisten Spieler spielen dort, wo der Puck gerade ist, aber ich spiele dort, wo er hingehen wird. Das ist für uns als Bank das Thema in dieser Lieferketten-Verschiebung. Wir müssen als RBI-Gruppe sicherstellen, dass wir die künftigen Handelsströme so gut verstehen, dass wir in einem Land schon Korrespondenzbank-Beziehungen haben, wo der Kunde später seinen Import- oder Exportbedarf erfüllen will. Ein wichtiges Gebot für die RBI und den Sektor ist, dass wir dort sind, wo der Kundenbedarf hingehen wird.
Gibt es momentan ein Land, wo Sie Ihre Fühler schon ausstrecken oder ein Netzwerk aufbauen?
Brunner: Ich hatte die Chance, fünf Jahre den institutionellen Bereich zu führen, und dort ist es die Hauptaufgabe, das globale Netzwerk so gut aufzusetzen, dass wir jederzeit, wenn Märkte sich verändern, schon auf Partnerbanken zugreifen können. Der asiatische Raum – Indien, Vietnam, Taiwan – ist ein immer wichtiger werdender Faktor und wir sind schon sehr gut vorbereitet. Wenn österreichische Firmenkunden oder RBI-Kunden etwa Indien verstärkt als Markt erkennen, haben wir die ausreichende Infrastruktur, um dort auch unterstützen zu können.
Generell, wo sehen Sie in Ihrem Bereich Wachstumschancen?
Brunner: Wir sehen sehr viele internationale Kunden, die außerhalb von Österreich sitzen und einen Bedarf an einem harmonisierten Angebot der RBI für mehrere Töchter, inklusive unserem Standort hier in Wien, haben. Das sehen wir als Wachstumsfeld, weil kaum jemand eine so schöne regionale Abdeckung in diesen vielen Märkten aufweisen kann, wie wir es tun. Auch das KMU-Segment in Zentral- und Osteuropa ist ein erklärter Wachstumsmarkt. Das KMU-Segment in Österreich wird genial von den Raiffeisenbanken und Raiffeisenlandesbanken bespielt. In Zentral- und Osteuropa gibt es aktuell noch niemanden, der wirklich ähnlich konzertiert alle Märkte mit einem standardisierten und digitalisierten Angebot bespielt. Daraus ergeben sich schöne administrierbare Cross-Selling-Möglichkeiten.
„Synergien und Parallelitäten herauszuarbeiten, ist etwas Wunderschönes, das konnte ich
Valerie Brunner
vorher nicht.“
In Ihren Bereich fällt auch das Investmentbanking. Sind dort neue Schwerpunkte geplant? Wie groß ist das Interesse derzeit an Bond-Emissionen oder Firmenübernahmen?
Brunner: Wir haben heuer einen großartigen Start und im Vorjahr waren sowieso alle Geschäftsbereiche sehr erfolgreich – insbesondere auf der Emissionsseite. Wir haben uns auch ambitionierte Ziele für das Gesamtjahr 2024 gesetzt. Green-Bonds-Emissionen und ESG-linked Schuldscheine spielen dabei eine große Rolle. Auf der Übernahmeseite, also im M&A-Geschäft, spüren wir, da kommt einiges in Bewegung. Schon im zweiten Halbjahr des Vorjahres sind die Abgabe- und Investmentwünsche mehr geworden. Der Abgeber möchte noch einen potenziell guten Preis erzielen, wenn teilweise die Indikatoren hinuntergehen, und auf der Käuferseite will man noch ein bisschen abwarten. Da ist man als M&A-Berater gefordert, einen guten Zeitpunkt für beide Seiten zu finden.
Sie sind seit 1991 bei Raiffeisen und hatten unterschiedlichste Führungspositionen. Wie neuartig war der Sprung in den RBI-Vorstand? Hat sich viel für Sie verändert?
Brunner: Die Intensität hat sich verändert und die Zahl der Themen, mit denen ich jetzt zu tun haben darf. Die Tatsache, dass ich Kunden aus beiden Segmenten an einem Tag bunt gemischt treffen kann, ist neu, aber großartig. Hier Synergien und Parallelitäten herauszuarbeiten, ist etwas Wunderschönes, das konnte ich vorher nicht. Natürlich habe ich jetzt auch Themen, die einen als Bankvorstand beschäftigen, und das ist eine spürbare Erweiterung meines Wissens.
Sie sind die erste Frau im RBI-Vorstand. Fühlen Sie sich, angelehnt an Ihr Hobby, als einsame Reiterin oder gar als Pionierin?
Brunner: Als Reiterin ist man ja nie alleine, man hat immer das Pferd dabei und meistens fühlt man sich auch wohler, wenn man nicht alleine unterwegs ist. Ich bin zwar die erste Frau im Vorstand, aber die Atmosphäre und die Zusammenarbeit in den ersten drei Monaten legt mir nicht nahe, dass es etwas Besonderes ist. Wie schon vorher als Bereichsleiterin in der Bank oder als Vorstand in der Centrobank – es wird mehr Wert auf den Inhalt und den Umgang miteinander gelegt, als ob jemand männlich oder weiblich ist. Also, ich würde es in meinem täglichen Leben nicht als etwas Besonderes herausstreichen, wiewohl es zufällig das erste Mal ist, dass eine Frau im Vorstand ist.
Oft wird gesagt, dass weibliche Role Models fehlen. Werden Sie Ihre Wirkung offensiv nach außen tragen, wie manche andere Managerinnen?
Brunner: Ich spüre innerhalb der Bank bei vielen Kolleginnen und Mitarbeiterinnen jetzt eine irrsinnige Aufbruchs- und Hoffnungsstimmung – das ist schön und das möchte ich gerne tatkräftig weiterhin unterstützen. Ich will auch ein gutes Vorbild für meine männlichen Kollegen sein. Dieses Ausdehnen der Partnerschaftlichkeit und der Normalisierung, dass es gemischte Vorstände gibt, ist wichtig.