Beim Wildwasser-Kajak, diesem spektakulären Kampf gegen die Kraft der Strömung, ist Timing oft das A und O. Doch auch im übergeordneten Sinne kommt Felix Oschmautz gutes Timing gerade zupass. Denn 2020 wurde entschieden, eine neue Disziplin ins olympische Programm aufzunehmen, die heuer in Paris Premiere feiern wird: einen Cross-Bewerb, bei dem vier Fahrer gleichzeitig an den Start gehen und im Kampf Mann gegen Mann um den Sieg kämpfen, vergleichbar mit den Cross-Bewerben beim Ski oder Snowboard. „Auf einmal ging es recht schnell, weil man gesehen hat, wie spektakulär diese Variante auch für die Zuschauer ist“, erklärt Oschmautz. Und freut sich auch deswegen diebisch darüber, weil ihm diese Disziplin liegt und er zuletzt bei den European Games in Polen 2023 die Silbermedaille gewonnen hat.
Wobei: Sich nur auf diesen beinharten Bewerb zu konzentrieren mag der Athlet dann doch nicht, dafür geht es ihm zu wild zu. „Das Hauptaugenmerk liegt nach wie vor beim klassischen Slalom, Cross wird dann sehr punktuell trainiert. Es ist einfach gefährlich, wenn Boote gerammt werden, sich abdrängen oder gegenseitig wegschieben. Da kann auch schnell mal eine Rippe brechen.“ Prinzipiell gilt: Es ist fast alles erlaubt, was nicht direkt gegen den Körper eines Kontrahenten geht. Eine Gaudi für die Zuschauer, ein riskanter Ritt auf der Rasierklinge für die Sportler.
Ohne Überraschung
So ganz sicher ist die Olympia-Teilnahme für Oschmautz noch nicht, die Wahrscheinlichkeit ist aber außerordentlich hoch. Den Startplatz hat das österreichische Team bereits fix in der Tasche, jetzt geht es nur noch in der internen Qualifikation darum, wer diesen in Paris belegt. Und da hat Oschmautz einen komfortablen Vorsprung auf die nationalen Konkurrenten. Die allerletzten Zweifel sollen Mitte Mai bei den Europameisterschaften im slowenischen Laibach beseitigt werden, auf die sich der Heeressportler derzeit vorbereitet. „Wir haben Mitte April extra ein einwöchiges Trainingslager auf der EM-Strecke absolviert und gesehen, dass die Form passt. Wenn es mir gelingt, meine Leistung im Wettkampf umzusetzen, kann ich um eine Medaille mitfahren und mir dadurch automatisch die Olympia-Qualifikation sichern.“
Das große Ziel ist aber natürlich Paris. Dort finden die Kajak-Wettkämpfe im Stade d’eau vive Vaires-sur-Marne statt, einer Wildwasseranlage vor den Toren der französischen Hauptstadt. In den letzten Jahren ist Oschmautz öfter dort hingeflogen, um ein Gefühl für die Gegebenheiten zu bekommen, damit er sich am Tag X von nichts überraschen lassen kann. „Ich habe überhaupt keine Probleme mit der Strecke, bin vergangenes Jahr bei einem Wettkampf dort Fünfter geworden und habe das Podest nur verpasst, weil ich eine Stangenberührung (Anm.: wird mit einer Zeitstrafe geahndet) hatte. Ich fühle mich dort wohl.“
Gelungene Premiere
Ihm kommt zugute, dass er 2021 in Tokio bereits erste olympische Erfahrungen sammeln konnte und diesen Sommer nicht komplettes Neuland betritt. Allzu hoch möchte Oschmautz diesen Vorteil aber nicht hängen. „Damals standen die Spiele total unter dem Eindruck von Corona, das war schon sehr speziell. Und es ist schon etwas ganz anderes, ob ein Bewerb in Europa oder einem ganz anderen Kontinent stattfindet.“ Damals wurde Oschmautz im Slalom Vierter. Was die einen als den undankbarsten Platz im Klassement bezeichnen, war für ihn selbst eine gelungene Premiere, auf die man aufbauen kann. „Ich war sehr jung, es waren meine ersten Spiele. Und ich weiß genau, dass ich in meinem Lauf einen riesigen Schnitzer am sechsten Tor hatte. Deswegen war mein Gefühl nachher eher: Schön zu sehen, dass ich auch auf dieser Ebene konkurrenzfähig bin, wenn es mir gelingt, meine Bestleistung zu zeigen.“
Körperlich weiter
Das ist freilich auch das Motto für dieses Jahr. Wobei der Mann aus Maria Saal zu Beginn des Jahres einen großen Schrecken zu verdauen hatte. Bei einem einmonatigen Trainingslager bekam er nach drei Wochen Schmerzen im Handgelenk, dessen Ursachen lange im Dunkeln lagen. „Wir haben alles probiert: Physiotherapie, Osteopathie, Massagen, MRT – nichts hat geholfen oder einen Hinweis auf den Grund für die Schmerzen ergeben.“ Erst nach längerer Zeit fanden die Ärzte heraus, dass Felix’ Körper total übersäuert war, weswegen die Knorpel im Handgelenk die Gelenkflüssigkeit nicht mehr aufnehmen konnten. Eine Zeit, an die Oschmautz nicht gerne zurückdenkt. „Im Hinterkopf war immer, dass es auch eine Sehnenscheidenentzündung oder ein Knorpelschaden sein könnte, das hätte mich gerade in einer Olympia-Saison viel Zeit gekostet. Es war total anstrengend, dass im Kopf nicht zu sehr an mich heranzulassen.“
Doch als die Ursache feststand, bekam man das Problem mit Nahrungsergänzungsmitteln schnell in den Griff und Oschmautz konnte den Trainingsrückstand Stück für Stück wieder aufholen. Was so leicht klingt, war allerdings das Produkt einer konsequenten Herangehensweise. „Es brauchte Zeit und harte Arbeit! Aber mittlerweile bin ich körperlich weiter, als ich es vor dieser Geschichte war, auch wenn es insgesamt ein mühevoller Prozess war.“
Verlässlicher Partner
Dass er sich auch in solchen Zeiten immer auf seinen langjährigen Partner, die Kärntner Raiffeisenbanken, verlassen kann, weiß der Athlet sehr zu schätzen. „Es ist in Zeiten wie diesen nicht selbstverständlich, einen langfristigen Sponsor zu finden, dank dessen Unterstützung man sich voll auf das Wesentliche konzentrieren kann. Dafür bin ich sehr dankbar.“
Für ihn auch eine Motivationsspritze, seine ohnehin schon beeindruckende Erfolgssammlung zu erweitern. Erst bei der EM in Laibach, vor allem aber bei den Spielen in Paris, wo eine Medaille keinesfalls unrealistisch erscheint. „Wir haben zuletzt mit dem Goldmedaillengewinner von Tokio und dem Silbermedaillengewinner von Rio 2016 trainiert“, erzählt er. „Keiner hat sich dabei versteckt und seine Stärken auf den Tisch gelegt, wir haben uns gegenseitig gepusht, es lag von den Zeiten her alles ganz eng zusammen. Und ich mittendrin. Ich bin also genau dort, wo ich aktuell sein will.“ Timing ist beim Wildwasser-Kajak eben oft das A und O.