Mit dem Anstieg der Leitzinsen ist das Interesse am Fondsinvestment gesunken. Wie ist die aktuelle Entwicklung im Fondsmarkt?
Andreas Lassner-Klein: 2022 war aufgrund der steigenden Zinsen für unsere Branche kein leichtes Jahr mit Verlusten über alle Assetklassen hinweg. 2023 zeigte sich deutlich besser, wobei so richtig gut war erst das vierte Quartal. Damals war die Hoffnung groß, dass die Zinsen bald in einem spürbaren Ausmaß zu sinken beginnen. Die Fondsvolumina sind sehr stark gestiegen. Weil die Zinsfantasien so nicht gekommen sind, gab es heuer einen Rücksetzer bei den Anleihen. Wir haben in Europa jetzt zwar endlich eine Zinssenkung gesehen, in den USA aber noch gar nichts. Jetzt, wo die Inflationszahlen nach unten gehen, rechnet man, dass in den USA heuer noch eine oder zwei Zinssenkungen kommen werden und in Europa mit einer weiteren im September. Die Rentenmärkte waren heuer in Summe eher gedämpft. Die Aktienmärkte sind trotz politischer Unsicherheiten exorbitant gestiegen, das hat die gesamte Branche extrem beflügelt. Die positive Stimmung hat uns natürlich geholfen.
Wie hat sich die Kepler-Fonds KAG in diesem Umfeld geschlagen?
Lassner-Klein: Wir bei Kepler sind heuer bereits über vier Prozent gewachsen und haben Nettozuflüsse im gesamten Bereich. Erstmals haben wir mehr als 20 Milliarden Euro Assets-under-Management, das ist unser All-time-high. Auch bei den Vermögensaufbauplänen – die im 2022er-Jahr noch storniert oder pausiert wurden – haben wir wieder Nettozuwächse und zählen erneut über 100.000 Ansparpläne. Das Instrument wird wieder vermehrt genutzt, was bei der Volatilität der Märkte auch sinnvoll ist.
Wie zufrieden sind Sie mit der Performance der Kepler-Fonds?
Lassner-Klein: Wir haben gute Entscheidungen getroffen und waren bei den gemischten Produkten nicht so vorsichtig wie andere, die sich da ein bisschen verbremst haben. Wir haben doch deutliche Übergewichte bei alternativen Rentenprodukten und auch bei den Aktien durchaus offensivere Produkte mit höheren Quoten beigemischt. Wir sind in den Peergroups deshalb sehr gut unterwegs.
Im Vorjahr hat man Künstliche Intelligenz mit ins Fondsmanagement geholt, konkret um negative Unternehmensentwicklungen frühzeitig aufzuspüren. Hat die Testphase die Erwartungen erfüllt?
Lassner-Klein: Wir haben die KI seit einem Jahr bei allen Aktienfonds zur Unterstützung im Einsatz und zählen damit im deutschsprachigen Raum zu den Vorreitern. Wir gehen dabei einen durchaus unpopulären Weg und fragen die KI nicht nach den zukünftigen Gewinnern, sondern bei uns soll KI Unternehmen und Sektoren mit potenziellen Problemen aufzeigen. Um die Jahreswende hat die KI frühzeitig sehr viele Unternehmen aus den Sektoren Immobilien, Versorger und Gesundheitswesen angezeigt, das waren im Rückspiegel betrachtet tatsächlich die Sektoren, die am schlechtesten performt haben. Wir sind sehr zufrieden und sehen einen Mehrwert für unsere Kunden. Momentan läuft schon ein weiteres Projekt mit der Fachhochschule Hagenberg, diesmal geht es um die Steuerung von Value- und Growth-Aktien. Wir haben schon erste Ergebnisse bekommen und es schaut vielversprechend aus. Wir gehen den Weg mit Künstlicher Intelligenz weiter, weil wir überzeugt sind, dass es einen Mehrwert für unsere Kunden bringt.
Vertraut der Fondsmanager der KI schon blind, wenn etwa Warnsignale für Unternehmen angezeigt werden?
Lassner-Klein: Wir sind nach wie vor skeptisch und vorsichtig, weil KI schon eine Art Blackbox ist und bleibt. Nichtsdestotrotz muss man in gewisser Weise auch darauf vertrauen. Die KI trifft keine Entscheidungen, ist aber eine gute zusätzliche Informationsquelle.
Gibt es noch weitere Einsatzbereiche für Künstliche Intelligenz?
Lassner-Klein: Ja und genau zu diesem Zweck haben wir jetzt auch das Kepler Research Center ins Leben gerufen. Dieses soll eine Plattform werden, wo Kepler gemeinsam mit der Wissenschaft praxisorientiert an innovativen Strategien im Bereich Geld- und Kapitalanlage arbeitet.
Neben KI sind auch ETFs in aller Munde. Auf diesen Zug springt jetzt auch Kepler-Fonds auf. Warum?
Lassner-Klein: Von jungen Kunden werden ETFs immer häufiger nachgefragt. Wir haben erstmals darauf reagiert, indem wir die digitale Vermögensverwaltung „WILL“ gestartet haben, die sich sehr gut entwickelt. Dann kam die Idee für ein ETF-ähnliches Produkt und so ist unser erster indexorientierter Aktienfonds entwickelt worden – auch kostengünstig und nahe am Index. Unser X-250 Welt Aktien ist am 6. Juni gelauncht worden und hat nach einem Monat bereits 16,5 Millionen Euro Volumen. Dabei haben wir einige Vorteile gegenüber ETFs: Wir haben eine aktive Komponente und verfolgen eine „Burggraben-Strategie“. Dabei kaufen wir Unternehmen ein, die weniger angreifbar sind, also einen starken USP und Wettbewerbsvorteil haben und dadurch eine höhere Preisfestsetzungsmacht. Ein weiterer Vorteil: Unser Fonds ist ein inländisches Produkt, die Depotgebühr ist um die Hälfte billiger. Denn ETFs sind ausländische Produkte und haben deshalb eine ausländische Depotgebühr.
Ein langjähriger Trend im Fondsgeschäft war oder ist Nachhaltigkeit.
Lassner-Klein: Das Volumen liegt bei über acht Milliarden Euro, aber die Nachfrage ist momentan gedämpft. Ich glaube, wir haben eine gute Entscheidung getroffen, indem wir nicht alle Fonds auf ESG umgestellt haben. Davon profitieren wir im Moment sehr, weil es gibt auch viele Kunden, die sich hier nicht wiederfinden.
Also verfolgt man keine Weiterentwicklung im nachhaltigen Bereich?
Lassner-Klein: Wir haben bereits eine breite Fondspalette und sehen momentan keinen Bedarf für neue ESG-Produkte. Aber wir schärfen unsere Strategien etwa mit Proxy Voting, also mit Stimmrechtsausübung bei Hauptversammlungen, die wir mit Gleichgesinnten bündeln. Auch mit Engagement können wir auf Unternehmen nachhaltig einwirken.
Welche Erwartungen haben Sie für das zweite Halbjahr, was das Fondsgeschäft bei Kepler-Fonds betrifft?
Lassner-Klein: Wir gehen positiv ins zweite Halbjahr und haben einiges in der Pipeline: Im Herbst werden von institutioneller Seite noch einige Großmandate kommen. Wenn global nichts Gröberes passiert, dann ist die Stimmung gut und mit ihr auch die Zuflüsse. Das sind kommunizierende Gefäße. Wir sind optimistisch, dass es so gut weitergeht wie im ersten Halbjahr.
Wie werden sich die Kapitalmärkte weiter entwickeln?
Lassner-Klein: In Europa gehen wir davon aus, dass es noch eine zweite Leitzinssenkung von 25 Basispunkten geben wird. Das wird dem Anleihenmarkt sicherlich guttun. Auch beim Aktienmarkt sehen wir fundamental und auf breiter Basis keine Gefahr einer großen Korrektur. Auf der Asset-Allokation-Seite haben wir Aktien neutral gewichtet, weil wir jetzt auch nicht die großen Outperforming-Chancen sehen. Geopolitik, Inflation und Wahlen bleiben ein Risiko.