Reform-Agenda für mehr Wachstum

Der Österreichische Raiffeisenverband und Raiffeisen Research präsentieren kurz- und langfristige Maßnahmen, um den Wirt­schaftsstandort Österreich wieder auf Vordermann zu bringen.

Von den strategischen Voraussetzungen her ist der Wirtschaftsstandort Österreich attraktiv – eine hochwertige Infrastruktur, gut ausgebildete Arbeitskräfte, ein verlässlicher Rechtsrahmen und die vorteilhafte geografische Lage als Türöffner nach Osteuropa sprechen für den Standort Österreich. Jedoch hat die Alpenrepublik die vierthöchste Steuer- und Abgabenquote in Europa, im internationalen Vergleich sehr hohe Lohn- und Energiekosten sowie ein Übermaß an bürokratischen Vorgaben. 

„Österreichs Wirtschaftsstandort hat viele Vorteile. Aber jetzt braucht es eine Reform-Agenda, damit wir wieder stärker wachsen können als die Eurozone“, betont Johannes Rehulka, Generalsekretär des Österreichischen Raiffeisenverbandes (ÖRV). 

Österreich befinde sich im zweiten Rezessionsjahr in Folge und ist mit minus 1,7 Prozent Schlusslicht beim realen BIP-Wachstum pro Kopf in Europa. Ein Grund dafür seien die hohen Tariflöhne, die in den vergangenen zwei Jahren doppelt so rasch gestiegen seien wie im Euroraum. „Seit 2022 hat sich die österreichische Logik, die Inflationsrate aus dem Vorjahr als wesentliches Kriterium für die KV-Erhöhungen festzulegen, leider fortgesetzt. Das hat zu Wachstumsraten von über 20 Prozent in den vergangenen zwei Jahren geführt und ist natürlich für Investoren und auch für Unternehmen mäßig attraktiv“, bringt es der ÖRV-Generalsekretär auf den Punkt. An die Adresse der Sozialpartner richtet er daher den Appell, bei den bevorstehenden Kollektivvertragsverhandlungen im Sinne der Wettbewerbsfähigkeit Österreichs „mit Augenmaß vorzugehen“ und spricht sich für KV-Abschlüsse unter oder maximal auf Inflationsniveau aus.  

Die Arbeitsstunden pro Kopf und die Produktivität in Österreich würden im internationalen Vergleich daher sinken und bei den Investitionen sehe man aktuell eine große Zurückhaltung – nicht nur bei Unternehmen, sondern auch bei den Privaten. „Die Privaten wurden mit unterschiedlichsten öffentlichen Förderprogrammen stark unterstützt. Das schlägt sich aber überhaupt nicht im Konsum nieder“, so Rehulka. Stattdessen steige die Sparquote weiterhin stark.

Gunter Deuber bei der Pressekonferenz
Gunter Deuber © RZ/Hintermüller

„Kranker Mann Europas“

Europa habe generell ein Wachstumsproblem, aber speziell Österreich sei „der kranke Mann Europas“, sagt dazu der Leiter von Raiffeisen Research, Gunter Deuber, und betont: „Wir sind in einer ähnlich schwierigen Situation wie Deutschland Anfang der 2000er-Jahre. Es braucht eine umfassende Reform-Agenda zur Verbesserung der preislichen Wettbewerbsfähigkeit und zur Investitionsförderung.“ Er geht davon aus, dass Österreich aller Voraussicht nach erst 2026 wieder das BIP-Niveau von 2022 erreichen wird. Derzeit liege Österreichs Profitabilität jedenfalls deutlich unter der Eurozone, was den Spielraum für Investitionen deutlich einschränke, so Deuber. 

Kurzfristig brauche man daher für Unternehmen klare Investitionsanreize, unterstreicht Rehulka. Laut Deuber wäre eine zeitliche Investitionsprämie in moderatem Ausmaß von beispielsweise 7 Prozent sinnvoll und könnte das Wachstum unterstützen. Kurzfristig auf eine radikale fiskalische Konsolidierung ohne strukturelle Maßnahmen zu setzen, mache hingegen keinen Sinn. Dennoch gebe es auch Einsparungspotenzial, ergänzt Rehulka. So gebe es bei den Förderungen „einen Bauchladen an Unterstützungsmaßnahmen, die man sich genau anschauen muss“ – etwa den Klimabonus, der „undifferenziert“ ausbezahlt werde.

Krise am Bau

Ein besonderer Bereich sei die Baubranche, die sich seit zwei Jahren in der Krise befinde. Im Frühjahr habe die Regierung ein Konjunkturpaket für den Wohnbau in Höhe von rund 2 Mrd. Euro beschlossen – „ein sinnvolles Programm zum richtigen Zeitpunkt“, so Rehulka. Allerdings sei der Wohnbau Bundesländer-Materie und das Paket komme nur langsam ins Laufen, weil einzelne Bundesländer – Wien und Kärnten – es noch nicht umgesetzt hätten. Außerdem brauche man bessere Rahmenbedingungen für Immobilienfinanzierungen: Die KIM-Verordnung, deren Ziel, eine Immobilienblase zu verhindern, schon lange erreicht worden sei, gelte noch immer.

Überdies habe das Finanzmarktstabilitätsgremium (FMSG) nun zusätzliche Kapitalpuffer für Gewerbeimmobilien-Finanzierungen empfohlen. „Diese Maßnahmen kommen zum falschen Zeitpunkt. Banken wollen die Finanzierung des Wachstums ermöglichen. Weitere Einschränkungen bei der Kreditvergabe sind Gift für die Wirtschaft“, betont der ÖRV-Generalsekretär.

Schuldenbremse nötig

Langfristig brauche man eine Senkung der Lohnsteuern und der Lohnnebenkosten sowie eine Steigerung der Produktivität und der Vollzeitarbeit, sagt Rehulka. Zur Budgetkonsolidierung sei eine Schuldenbremse am Beispiel der Schweiz oder von Schweden, die sich am BIP-Wachstum orientiert, nötig. „Wie bei der Abschaffung der kalten Progression brauchen wir einen Kraftakt, der Österreich langfristig voranbringen wird“, stellt Rehulka klar. Mit einer Schuldenbremse könnte man die Parteipolitik von den öffentlichen Geldern fernhalten.

Nicht zuletzt bräuchte es auch Anstrengungen zur Entbürokratisierung, zum Beispiel auf Basis eines Deregulierungsgesetzes, das bereits 2017 in Kraft war und 2020 wieder ausgelaufen ist, und mit einem eigenen hohen Beauftragten für Entbürokratisierung.

AusgabeRZ41-2024

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