Regulatorik auf dem Prüfstand

Die Auswirkungen der aufsichtsrechtlichen Vorgaben für Immobilienfinanzierungen wurden heuer beim Banken-Symposium Wachau auf höchster Ebene diskutiert. Ob die umstrittene KIM-Verordnung über die Jahresmitte 2025 verlängert wird, blieb dabei offen. Einigkeit herrschte dagegen beim erhöhten Risiko im Bereich der Gewerbeimmobilien.

Das Aufregerthema der vergangenen zwei Jahre zwischen Aufsicht und Banken, die Verschärfung der Kreditvergaberegeln für private Wohnfinanzierungen durch die sogenannte KIM-Verordnung, wurde beim diesjährigen Banken-Symposium Wachau intensiv, aber auf Augenhöhe diskutiert.

Auch vor dem Hintergrund der angespannten Wirtschaftslage hoffen die Banken auf ein Auslaufen der KIM-Verordnung, die bis zur Jahresmitte 2025 erlassen wurde. Ihre Wirkung wird aktuell vom Finanzmarktstabilitätsgremium (FMSG) evaluiert. Spätestens bis zum Jahresende wird mit einer Empfehlung für oder gegen eine Verlängerung gerechnet. 

In der Zwischenzeit haben sich die konjunkturellen Aussichten für Österreich alles andere als rosig entwickelt. „Wir sind im zweiten Jahr einer Rezession und das hat gravierende Auswirkungen auf die Bevölkerung und die Wirtschaft“, betont Erwin Hameseder, Generalanwalt des Österreichischen Raiffeisenverbandes (ÖRV), zu Beginn der Diskussion. Zur schwierigen Konjunkturlage habe ein Mix aus unterschiedlichen Entwicklungen geführt, wie die hohe Inflation, stark gestiegene Zinsen, aber auch höhere Ausgaben der Bundesregierung und hohe Lohnabschlüsse. Positiv sei nun, dass sich die Teuerung „sehr, sehr stark“ zurückentwickelt habe.

Anhaltende Zurückhaltung

Bei der wirtschaftlichen Erholung hinke Österreich dem Euroraum aber immer noch hinterher. So würden in Europa die Firmenkredite bereits wieder steigen, während dies hierzulande nicht der Fall sei. Das sei ein Zeichen für die anhaltende Zurückhaltung bei Investitionen, so Hameseder.

In Richtung Politik mahnt der Generalanwalt angesichts der angespannten Konjunkturlage zu einer raschen Bildung einer stabilen Bundesregierung. Denn es gehe darum, mit gezielten Maßnahmen wieder auf einen Wachstumspfad zurückzukehren. „Die Wirtschaft muss stimuliert werden, damit die Arbeitslosigkeit nicht weiterhin so stark ansteigt. Es ist wichtig, dass die Menschen Perspektiven haben“, betont Hameseder.

Grundsätzlich sei der Generalanwalt ein Befürworter von Regularien, denn diese hätten mitgeholfen, dass sich der europäische und österreichische Finanzsektor und auch die Wirtschaft nach der Finanzkrise robust aufstellen konnten. „Es geht aber um Aufsichtsmaßnahmen mit Augenmaß. Das, was uns an der KIM-Verordnung stört, ist, dass sie im August 2022 zur Unzeit erlassen wurde“, kritisiert der Generalanwalt. Damals habe sich ein stark steigender Zinsanhebungszyklus abgezeichnet. Damit hätte der Markt den Zweck der KIM-Verordnung von selbst geregelt. 

Erwin Hameseder beim Banken-Symposium Wachau
Erwin Hameseder © BSW/Wolfgang Simlinger

Preisrallye bei Immobilien

FMA-Vorstand Helmut Ettl strich hervor, dass der Finanzsektor seit der letzten Finanz- und Wirtschaftskrise insgesamt resilienter geworden sei und die Wirtschaft diverse multiple Krisen „erstaunlich gut“ bewältigt habe. „Das zeigt, dass wir in unserer Wirtschaft und Gesellschaft sehr anpassungsfähig sind“, so Ettl. Dennoch sei die Welt seit damals „insgesamt gesehen nicht stabiler und sicherer geworden“.

Die Erlassung der KIM-Verordnung verteidigte Ettl mit der damaligen Entwicklung des österreichischen Immobilienmarktes, der 15 Jahre lang nur die Richtung nach oben kannte. Bei den Preiszuwächsen war Österreich in diesem Zeitraum Europameister. „Die Immobilienpreise haben sich seit 2010 mehr als verdoppelt, während die Einkommen in diesem Zeitraum lediglich um die Hälfte zugelegt haben. Es hat sich eine Schere bei der Leistbarkeit aufgetan. Das ist das Grundproblem, wenn wir über leistbares Wohnen reden“, so Ettl. Diese Lücke könne man nicht durch die Kreditvergabe schließen. Seit 2010 hätten die Banken ihre Kreditvergabekriterien gelockert. 

Die FMA habe erstmals 2016/17 vor einer zu lockeren Kreditvergabe gewarnt, 2018 habe das FMSG Empfehlungen für die Kreditvergabe bei privaten Wohnraumfinanzierungen ausgesprochen. Dennoch seien die Kreditvergabekriterien weiter gelockert worden, kritisiert der FMA-Vorstand. Kurz vor dem Zeitpunkt der Erlassung der KIM-Verordnung fing die EZB an, aufgrund der stark steigenden Inflation die Zinsen anzuheben. In weiterer Folge sei es nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa zu einem Rückgang der Kreditvergabe gekommen.

Ettl wehrte sich dagegen, dass ein Zusammenhang zwischen dem Einbruch der Kreditvergabe und der KIM-Verordnung hergestellt werde. Die Generalisierung, dass die KIM-Verordnung an den Problemen des Wohnbaus schuld wäre, passt einfach nicht zusammen. Das eine sei die Maßnahme, die ein chirurgischer Eingriff – durchaus mit einem sehr feinen Skalpell – sei, und – das andere seien generelle Trends, die die Leistbarkeit von Wohnen betreffen. Hier Lösungen anzubieten, sei eine Aufgabe der Politik.

„Wir sind bei den Kreditvergabestandards mit einer Beleihungsquote von 90 Prozent genau dort, wo wir auch hingehören“, erklärt der FMA-Vorstand. Darüber hinaus dürfen laut der Verordnung private Wohnbaukredite nicht länger als 35 Jahre laufen und die Rückzahlungsrate darf maximal 40 Prozent des verfügbaren Nettohaushaltseinkommens ausmachen.

Helmut Ettl beim Banken-Symposium Wien
Helmut Ettl © BSW/Wolfgang Simlinger

Kaum Kreditausfälle

Dass die private Wohnraumfinanzierung in Österreich auch ohne KIM-Verordnung auf stabilen Beinen steht, zeigt Hameseder zufolge die Entwicklung der sogenannten notleidenden Kredite (non performing loans, NPL), die seit Jahren „statistisch vernachlässigbar“ seien: „Die Banken haben in diesem Bereich de facto keine Ausfälle. Unsere Berater kennen die Kunden sehr, sehr gut. Bevor sich da etwas anbahnt, wissen wir schon Bescheid und können rechtzeitig an den Themen arbeiten.“ Die NPL-Rate beschreibt das Verhältnis zwischen den notleidenden Krediten und dem gesamten Kreditvolumen einer Bank. 

Anders sehe die Entwicklung bei Gewerbeimmobilien aus. Dort hat sich die NPL-Quote der Banken laut FMA von 1,7 auf fast 5 Prozent fast verdreifacht. Da haben die Banken aufgrund der angestiegenen NPLs ein Thema, räumt Hameseder ein, der in diesem Bereich dafür plädiert, auf die Einzelbankebene zu schauen und bankspezifische Instrumente einzusetzen, anstatt der Einführung eines zusätzlichen sektoralen Systemrisikopuffers, wie es das FMSG ab Juli 2025 empfiehlt. Demzufolge müssten die Banken in Zukunft einen zusätzlichen Eigenkapitalpuffer von 1 Prozent bilden. Der Puffer erhöht das Eigenkapital und damit die Kraft der Institute, etwaige Verluste besser zu verkraften, argumentiert die Aufsicht. Die neue Maßnahme soll – anders als die KIM-Verordnung – nicht befristet erlassen werden, allerdings soll deren Notwendigkeit jährlich überprüft werden.

„Auch hier wird die Entscheidung zur Unzeit kommen“, warnt Hameseder vor dem Hintergrund von dramatischen Einbrüchen im Immobilien- und Bausektor. Man brauche kein Prophet sein, um zu erkennen, dass die Immobilienbranche fast zum Erliegen kommen werde. Das sei eine kritische volkswirtschaftliche Entwicklung, die Banken werden das Kapital in anderen Sektoren investieren.

Eine aufsichtsrechtliche Maßnahme im Bereich der Gewerbeimmobilien wäre schon im Jahr 2023 notwendig gewesen. Da wäre das Verständnis der Banken ein anderes gewesen. Hameseder kritisiert auch, dass die empfohlene Maßnahme in einer schwierigen Phase für die Branche erfolgen soll und damit prozyklisch wirke. „Ich schalte noch einen Turbo ins Negative hinein“, kritisiert der Raiffeisen-Generalanwalt die aufsichtsrechtlichen Pläne.

Blick in den Saal beim Banken-Symposium Wachau
© BSW/Wolfgang Simlinger

Gewerbeimmobilien im Visier

Das NPL-Volumen bei Gewerbeimmobilien sei im Vergleich zum Vorjahr von 2,5 Mrd. auf über 5 Mrd. Euro angestiegen, erinnert Ettl. Es sei noch nicht klar, ob man die Bodenbildung bereits erreicht habe. Dazu komme, dass insgesamt für Immobilien nicht allzu viel Kapital reserviert sei, weil man in der Vergangenheit so wenig Ausfälle gesehen hatte. Gleichzeitig läge das Gewerbeimmobilien-Exposure der heimischen Banken bei rund 160 Mrd. Euro, das sind rund 13 Prozent der Bilanzsumme. In Europa sei man damit weit über dem Durchschnitt.

„Bei solchen Anstiegen muss man Maßnahmen setzen“, sagt der Aufseher. Die Banken haben sehr hohe Kapitalquoten und heuer werden sie „das zweite Mal hintereinander eine historisch außergewöhnliche Gewinnsituationen“ verzeichnen. Laufend kommen neue Insolvenzanmeldungen hinzu, die zwar weit weg von der Milliarden-Pleite der Signa-Firmen seien, aber oft immer noch zweistellige Millionenschulden aufweisen. „Daher sollte man die gute Gewinnsituation des Jahres 2024 nutzen, um für gefährdete Immobilien vorzusorgen“, schildert Ettl die Überlegungen der Aufsicht.

Außerdem erinnerte der FMA-Vorstand, dass das Banken-Engagement im Bereich Gewerbeimmobilien sehr heterogen verteilt sei. Einige Geldinstitute seien sehr stark engagiert, andere nur sehr wenig bis gar nicht. Aber es seien dennoch so viele Geldinstitute betroffen, dass es für die Aufsicht schwierig wäre, mit Maßnahmen auf Einzelbankebene vorzugehen. Der nun empfohlene sektorale Puffer habe den Vorteil, dass man aufgrund der unterschiedlichen Betroffenheit proportional wirke, argumentiert der FMA-Vorstand.

„Wir wollen, dass für das Jahr 2024 in etwa mit 600 bis 800 Millionen Euro entgegengesteuert wird. Das trifft nicht den gesamten Bankensektor, sondern wie erwähnt einige Banken mehr als andere“, so Ettl. Der sektorale Systemrisikopuffer soll – anders als die KIM-Verordnung – nicht befristet erlassen, dafür aber jährlich überprüft werden. Gelten werden die neuen Vorgaben für Unternehmen aus den Sektoren „Hochbau, vorbereitende Baustellenarbeiten, Bauinstallation und sonstiges Ausbaugewerbe, Grundstücks- und Wohnungswesen“. Nicht erfasst sind die Kredite an gemeinnützige Bauvereinigungen, denn sie stellten gemäß einer OeNB-Analyse kein systemisches Risiko dar.

AusgabeRZ43-2024

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