Trump 2.0 erfordert Flexibilität

Der Sommer-Brennpunkt des Raiffeisen Campus lieferte spannende Einblicke hinter die Kulissen der Trump-Administration und analysierte die Auswirkungen auf die Realwirtschaft und den Finanzmarkt.

Rund 2.000 engagierte Teilnehmende aus der gesamten Raiffeisen-Bankengruppe sind online zusammengekommen, um in gewohnt kompakter Form an der Informationsveranstaltung „Im Brennpunkt“ des Raiffeisen Campus teilzunehmen. Auf der Agenda standen dieses Mal die globalen Entwicklungen rund um die Administration „Trump 2.0“ – beleuchtet von der ehemaligen ORF-Korrespondentin in den USA, Hannelore Veit. Raiffeisen-Chefökonom Gunter Deuber besprach die Auswirkungen der Politik von Donald Trump auf die Realwirtschaft und die Finanzmärkte. 

Hannelore Veit hat Trumps erste Amtszeit als ORF-Korrespondentin journalistisch begleitet. Im Wahlkampf 2024 hat sie sich auf eine Reise quer durch die USA begeben und Stimmungsbilder der gesamten politischen Bandbreite eingefangen. Sie weiß: „Donald Trump polarisiert in seiner zweiten Amtszeit als US-Präsident stärker denn je. Er irritiert, erschüttert – und begeistert auch, insbesondere viele Menschen in den USA. Und: Er bricht jede Regel, die es gibt.“ 

Veit sieht in Trumps unberechenbarer Politik aber auch eine Chance für Europa: „Für Europa könnte es ein Weckruf sein. Wir haben uns zu lange auf die USA verlassen. Europa muss sich endlich seiner eigenen Stärke bewusstwerden. Dann könnte Europa auch eine große Rolle in der Weltpolitik spielen.“

Porträt von Hannelore Veit
Hannelore Veit © Veit:comm

„America First“ 

Die langjährige ORF-Journalistin und USA-Korrespondentin beschrieb auch eindrucksvoll, warum Trump von so vielen Amerikanerinnen und Amerikanern – quer durch alle Einkommensschichten und Herkunftsländer – gewählt wurde und wie seine Politik in den Vereinigten Staaten wahrgenommen wird. „America First“ – oder im Falle der Trump-Wähler besser gesagt „Ich zuerst“ – stehe für die Trump-Wähler im Mittelpunkt ihres Denkens. Die Hälfte der US-Bürgerinnen und -Bürger haben keinen Pass, kennen nur ihr Land und sehen Europa und die Welt mit anderen Augen. Sie seien es immer gewohnt gewesen, für sich selbst zu sorgen und sich nicht auf den Staat zu verlassen. Wenn also Donald Trump Themen wie Inflationsbekämpfung (die hohen Preise werden der Präsidentschaft von Joe Biden zugeschrieben), Bürokratieabbau oder restriktive Immigration anspricht, werde er als „Stimme des Volkes“ wahrgenommen. Sogar mehr als 40 Prozent Latinos hätten Trump gewählt, weil sie sich – je länger sie in den USA leben – ebenfalls wie Republikaner verhalten und auch entsprechend wählten, so Veit. 

In seiner wirtschaftspolitischen Einordnung sieht auch RBI-Chefökonom Gunter Deuber Europa insofern gefordert, als man die Neuausrichtung der USA „strategisch akzeptieren muss“. Abseits des Agierens von Trump sei sogar ein gewisser Grad der Rationalität in der Ausrichtung der US-Politik zu sehen. Die USA seien bestrebt, die weltweiten Handelsströme neu zu ordnen, mit dem Ziel, weniger Importe zu haben, die Staatseinnahmen zu steigern und die industrielle Basis der USA zu reaktivieren. 

Gunter Deuber im Interview
© RBI/Martin Schreiber

Systemwettbewerb

Die Welt müsse sich jedenfalls auf einen Dekaden-langen Systemwettbewerb bei gewisser Kooperationsbereitschaft einstellen, so der Experte. Dabei seien die USA als größter Binnenmarkt der Welt viel weniger auf Außenhandel angewiesen als andere Länder und könnten daher aus einer Position der Stärke heraus agieren. Der Grad der Komplexität im Welthandel werde bleiben, vor allem weil sich Handel und Geopolitik zunehmend vermischen, analysierte Deuber. 

In den Devisenreserven sei während der vergangenen 25 Jahre zwar ein schleichender Bedeutungsverlust des US-Dollar zu erkennen, jedoch von einem immer noch extrem überproportional hohen Niveau aus. Der Euro habe sich als Währung etabliert, die Internationalisierung der chinesischen Währung Renminbi (RMB) sei begrenzt und vor allem auf den Handel innerhalb Chinas beschränkt. In der Handelsfinanzierung sei der Dollar noch klar die führende Währung.

Für Aktienmärkte sei die Ausgangslage abseits der Geo- und Zollpolitik günstig, so Deuber. Das US-Konjunkturmomentum schwäche sich zwar ab, allerdings sei keine Rezession in Sicht. In Europa sei deutlich mehr Potenzial für eine Gewinnerholung gegeben, wobei eine steigende Gewinndynamik auch zu deutlich attraktiveren Preisen zu haben sei. Saisonal sei die Aktienphase im dritten Quartal meist schwach, daher gehen die Experten von Raiffeisen Research im vierten Quartal von einer guten Aktienperformance aus. Dann werde auch in puncto Handelskonflikt mehr Klarheit erwartet. Im ersten Halbjahr 2026 könnte eine Seitwärtsphase auf dem Aktienmarkt bevorstehen, zumal Zwischenwahljahre historisch keine guten Aktienjahre seien, erläuterte Deuber. 

EU-Nachzügler

Aus aktuellem Anlass nahm der Raiffeisen-Chefökonom auch Bezug auf die neuen Konjunkturprognosen von WIFO und IHS für Österreich. Diese fallen zwar besser als zuvor aus, allerdings machte er wenig Hoffnung auf ein „konjunkturelles Sommermärchen“. Rein rechnerisch verbesserten sich die Stimmungsindikatoren zwar leicht, es sei jedoch „alarmierend“, dass die Unternehmen nach wie vor nicht investieren. „Aufgrund der verhaltenen Investitions- und Exportdynamik gehen wir von einer nur leichten Aufwärtsbewegung aus“, fasste Deuber zusammen. 

AusgabeRZ27-2025

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