Freudig ans Werk

Persönliches Wohlbefinden, beruflicher Erfolg und sozialer Zusammenhalt hängen eng zusammen. Beim 1. Raiffeisen Bundeskongress Lebens- und Arbeitsfreude wurden neue Wege des Miteinander inmitten gesellschaftlicher Spannungen von verschiedenen Seiten beleuchtet.

Wirtschaftsflaute, Teuerung, Klimawandel und geopolitische Spannungen – global wie national gibt es derzeit nicht gerade Anlass für Optimismus. Laut den jüngsten Ergebnissen einer regelmäßigen Umfrage von TQS Research zur gesellschaftlichen Stimmung sind 69 Prozent der Österreich von aktuellen Entwicklungen eher bis sehr negativ betroffen. Drei Viertel (74 Prozent) haben wenig bis gar kein Vertrauen in die Politik.

Inmitten dieser Spannungsfelder gewinnen Räume der Begegnung und Inspiration an Bedeutung. Um neue Perspektiven auf sinnstiftendes Wirtschaften und wirksame Zusammenarbeit aufzuzeigen, lud der Raiffeisen Campus zum 1. Bundeskongress Lebens- und Arbeitsfreude. Denn: „Was, wenn Freude kein Ergebnis von etwas wäre, sondern der Anfang?“, so die einleitende Frage von Bildungsmanagerin Martina Weissenbök, die gemeinsam mit Campus-Geschäftsleiter Josef Buchleitner moderierte. Freude müsse man kultivieren, ergänzte er mit einem landwirtschaftlichen Vergleich: „Wenn das Saatbeet nicht stimmt, kann nichts herauskommen.“

Für vielfältigen Input sorgten 22 Impulsgeber aus unterschiedlichsten Fachrichtungen. Schließlich handle es sich nicht um ein reines Banking-Thema, wie Gastgeber Michael Höllerer, Generaldirektor der Raiffeisenlandesbank NÖ-Wien, in seiner Eröffnungsrede betonte: „Wir leben in bewegten Zeiten, die vielleicht dazu verleiten, dass man sich zurückzieht und pessimistisch wird. Aber gerade deshalb müssen wir vorangehen und die Zukunft gestalten.“ Buchleitner betonte die enormen Möglichkeiten von Raiffeisen mit all seinen Beteiligungen: „Wenn wir Freude hinausstrahlen, dann bewegt sich etwas in diesem Land.“

Michael Höllerer
Für Michael Höllerer ist Freude ein inhärenter Zweck von Banken, da sie mit Finanzierungen Träume erfüllen. © Sabine Klimpt

Sinn und Handlungsspielraum

Ein täglicher Begleiter für die meisten Menschen, ob beruflich oder privat, ist Stress. Wie es Menschen gelingt, dennoch psychisch und physisch gesund zu bleiben und ihre Lebensfreude und Motivation nicht zu verlieren, erklärte die Burnout-Expertin Brigitte Bösenkopf. Sie erfuhr in Gesprächen mit Nachtschichtarbeitern der NÖM, dass Arbeitsfreude nicht immer die optimalen Bedingungen braucht: „Bei jedem Interview im Kühllager ist mir warm ums Herz geworden – die Menschen haben Spaß.“ Drei Gründe seien immer wieder genannt worden: Man sei ein eingeschworenes Team, habe Handlungsspielraum, weil Nachtschichten freiwillig sind, und einen Sinn, weil untertags mehr Zeit für die Familie bleibt.

Lebensfreude sei eine innere Grundhaltung und untrennbar mit Resilienz verbunden: „Resiliente Menschen haben die Fähigkeit entwickelt, Freude zu erhalten, indem sie destruktive Gedanken verhindern“, so Bösenkopf. Lebensfrohe Menschen gehen laut der Expertin anders: „Fast so, als ob sie Schmetterlinge im Bauch hätten und durch die Straßen schweben.“ Lebensfreude brauche stets neue Impulse, weshalb Neugier, Kreativität und Sozialkompetenz wesentlich seien.

Re-Humanisierung dank Digitalisierung

Für eine andere Eigenschaft plädierte Lena Papasabbas vom „The Future Project“: radikale Zuversicht. Laut der Zukunftsforscherin befinde sich die Welt in der „Omni-Krise“: „Wir erleben ein Straucheln von vielen Strukturen, die uns lange Sicherheit gegeben haben. Viele alte Normalitäten sind am Sterben, das neue Normal ist noch schwer vorstellbar.“ Derart viel Veränderung auf einmal sei erschöpfend für viele Menschen. Der Weg in die Zukunft sei nicht nur mit einer technologischen, sondern auch mit einer sozialen Evolution verbunden. Dabei entstehende Trends hätten immer einen Gegentrend zur Folge. In Themen wie Digital Detox, Achtsamkeit oder Entschleunigung sieht sie eine Re-Humanisierung, die es ohne Digitalisierung nicht gäbe. Zuversicht für die Zukunft sei angesichts großer Erfindungen der Vergangenheit angebracht: „Die Gesellschaft der Zukunft wird Probleme lösen, die heute unlösbar scheinen.“

Ihren wissenschaftlichen Blickwinkel brachte Papasabbas im Anschluss in einem Podiumstalk ein. Generaldirektor Michael Höllerer, „Falstaff“-Herausgeber Wolfgang Rosam, Grünen-Klubchefin Sigrid Maurer und die Chefredakteurin der Salzburger Nachrichten, Karin Zauner, lieferten Perspektiven aus Wirtschaft, Politik und Medien. Für Rosam führt der Weg zu mehr Freude über den Genuss: „Genussmenschen haben es leichter im Leben.“ Arbeitsfreude hänge viel davon ab, wie geführt wird: „Die Aufgabe von Führungskräften ist, Motivation zu schaffen und das Miteinander zu fördern. Das kann man nur dann gut, wenn man selbst positiv denkt.“ Mit seinem Team manchmal einen trinken zu gehen, schaffe echte Produktivität.

Gespür für sich selbst

Daran schloss Philippe Merz, Geschäftsführer und Mitgründer der Thales Akademie, mit einem wirtschaftsphilosophischen Blick auf Organisationen an. Seine Kernaussage: „Das bewusste Gestalten von Gefühlen im Arbeitsalltag ist eine zentrale Aufgabe – vor allem von Führungskräften – und entscheidend für unternehmerischen Erfolg.“ Man könne jedoch nur freud- und verantwortungsvoll mit anderen umgehen, wenn man in guter Beziehung mit sich selbst sei. An erster Stelle, noch vor Menschen- und Organisationsführung, stehe daher die Selbstführung mit drei wesentlichen Aspekten: Selbstwahrnehmung, Selbstreflexion und Selbstverantwortung.

Die Wirkung der Gemeinschaft stellte dagegen Martin von Barabü in den Mittelpunkt seines Auftritts. „Magische Momente entstehen, wenn Menschen zusammenkommen“, sagte der Zauberkünstler und untermauerte dies mit mehreren amüsanten Einlagen. „Magie passiert nie allein auf der Couch“, weshalb man selbst aktiv werden sollte. Von Barabü riet zu mehr Humor und Entscheidungsfreude: „Lassen Sie sich mehr überraschen. Oft wartet das Glück hinter einer Entscheidung, die Sie nicht treffen wollen.“

Mit Freudenspendern und Stimmungskillern unter dem Giebelkreuz befassten sich Raiffeisen-Führungskräfte in interaktiven Workshops mit den Kongressteilnehmern. Ein Fokus lag dabei auf der oft kritisierten Regulatorik, die jedoch für RLB NÖ-Vorstandsdirektorin Claudia Süssenbacher „part of the job“ sei. Dieser Meinung war auch ÖRV-Generalsekretär Johannes Rehulka: „Wir müssen die Regeln mit so viel Gestaltungswillen mitschreiben, dass wir damit leben können.“

Trotz immer neuen Herausforderungen und schwierigen Entscheidungen in seiner eigenen Kraft bleiben – mit dieser Aufgabe sind vor allem Führungskräfte konfrontiert. Anstelle von Tipps, wie man im Hamsterrad noch besser funktioniert, verfolgt Selfcare-Expertin Kara Pientka einen nachhaltigeren Ansatz. Beim klassischen Business Coaching gehe es nur um reine Performance, höher, schneller, weiter. „Aber ohne ein gutes Gespür für die eigenen Bedürfnisse werden wir dem Thema Selbstfürsorge nicht gerecht“, erklärte sie im Gespräch mit Business Health Coach Birgit Hayn. Neben Hilfsmitteln wie Noise-Cancelling-Kopfhörern oder Verhaltensmustern wie Schlaf und Ernährung sei die Haltung zu sich selbst entscheidend. Darüber hinaus grenzt sie Selbstfürsorge von Selbstoptimierung ab: Letztere geschehe eher aus Zwang und sei nicht unbedingt gesund.

Ängste nehmen

Ob im Leben oder der Arbeit – ein Hemmfaktor für Freude ist Angst. Mit einer Mischung aus beeindruckender Fachkenntnis und trockenem Tiroler Humor erläuterte der bekannte Kriminalpsychologe Thomas Müller, wieso man der Angst nicht zu viel Raum im Leben geben sollte. Sie sei zwar lebensnotwendig, um Risiken abschätzen zu können, aber: „Wenn Angst beginnt, uns zu lähmen, muss man etwas tun.“ Dass dies in Österreich bereits ein Problem sei, zeigte Müller anhand von zwei Statistiken: Rund ein Drittel aller 12- bis 14-Jährigen haben leichte Depressionen und Angstzustände, aus demselben Grund fallen auch bei der Stellung rund ein Drittel aller wehrfähigen Männer durch.

Es habe keinen Sinn, die subjektive Angst von anderen zu bewerten. „Sie müssen als Führungskraft in der Finanzindustrie nur verstehen, dass jeder seine Ängste hat. Wenn Sie in der Lage sind, die Ängste Ihrer Kunden, Ihrer Mitbewerber oder der Regulatoren zu verstehen, legt jeder von Ihnen die Basis für seinen persönlichen Erfolg von morgen“, sagte Müller. Dafür müsse man jedoch einen Perspektivenwechsel wagen, der aufgrund des eigenen Egos schwerfalle: „Wir nehmen uns so wichtig, dass wir teilweise falsche Entscheidungen treffen und im Wissen, dass sie falsch sind, daran festhalten, um ja nicht zugeben zu müssen, dass wir einen Fehler machen.“

Thomas Müller
Thomas Müller © Sabine Klimpt

Müller appellierte, bewusst von Gewohnheiten abzuweichen und Neues auszuprobieren – auch wenn es unangenehm ist: „Gehen Sie nie mehr schwierigen Situationen aus dem Weg. Nur so können Sie Ihre Ängste in den Griff bekommen.“ Auch sollte man die Macht der persönlichen Kommunikation – verbal wie non-verbal – nicht unterschätzen. Wertschätzung löse zwar nicht alle Probleme, aber gebe dem Gegenüber zumindest kurze Zeit das Gefühl, wichtig zu sein, was wiederum Angst nehme. „Sie können die gesamte Raiff­eisen-Gruppe mit einem Schlag sicherer machen, indem Sie ab und zu durch die Abteilungen gehen und die Mitarbeiter fragen: Braucht ihr irgendwas?“

Für einen humorvollen Abschluss des 1. Bundeskongresses Lebens- und Arbeitsfreude sorgte schließlich Kabarettist und Stimmenimitator Alex Kristan, der sich in eingespielten Videosequenzen als Arnold Schwarzenegger, Hermann Maier und Marko Arnautovic ans Publikum wandte. Kristan selbst hat seinen eigenen Zugang zur Freude gefunden: „Früher habe ich geglaubt, Lebensfreude kommt am Wochenende. Aber vielleicht ist die Kunst, gar nicht zwischen Arbeit und Leben zu trennen. Ich glaube, Lebensfreude heißt nicht, nicht arbeiten zu müssen – sondern dass das, was man als Arbeit bezeichnet, auch irgendwie Freude macht.“

AusgabeRZ47-2025

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein

Mehr lesen

Aktuelles

Die Welt der Raiffeisenzeitung

Banner für die Newsletter Anmeldung
Banner: