Warum haben Sie gerade Thomas Bernhards Text und Rede zur Verleihung des „Österreichischen Staatspreises für Literatur“ für Ihre Lesung ausgewählt?
Tamara Metelka: Weil es ein großartiger Text ist, den wir aber noch mit anderen Texten von Thomas Bernhard verschnitten haben. Wir haben eine eigene Fassung für die Lesung erstellt, mit der Grundintention, Thomas Bernhard und seine großartige Sprache den Menschen näherzubringen.
Nicholas Ofczarek: Dieser Bernhard ist ja wahnsinnig komisch. Heute fragt man sich, warum er vor 40, 50 Jahren ein Skandal war. Die Wahrnehmung und Rezeption hat sich schon sehr verändert.
Es geht im Stück darum, dass Bernhard einen Preis als Beleidigung empfindet.
Ofczarek: Ihn aber trotzdem annimmt, weil er mit einem Geldpreis verbunden ist.
Können Sie dieses Gefühl nachempfinden? Haben Sie auch schon mal einen Preis als Beleidigung empfunden?
Ofczarek: Ein Preis ist immer gut fürs Geschäft und auch eine Würdigung. Aber nicht bei jedem Preis wird wirklich Qualität beurteilt, das muss man sagen. Sehr oft sind politische Überlegungen im Hintergrund. Aber ich habe mich über jeden Preis sehr gefreut.
Thomas Bernhards Text ist eine unverblümte Kritik an der Kulturpolitik. Wie sehr ist man heute als Künstler von Politik beeinflusst oder abhängig?
Metelka: Ein Staat leistet sich Kulturpolitik. Deshalb ist man immer abhängig von denen, die das Sagen haben, wie viel sie sich leisten und was sie sich auch leisten. Wir werden sehen, wie das in Zukunft weitergehen kann, weil im Moment spüren wir die Krise sehr. Da kommt was auf uns zu, das ist nicht mehr schön.
Ofczarek: Du brauchst in der Kultur eine jahrelange Planungssicherheit, um die Künstler zu binden. So wie es jetzt in Wien ausschaut, will die Politik den Künstlern nur ein Jahr Sicherheit geben. So kann man nicht planen. Wenn man gute Künstler möchte, muss man zwei, drei Jahre vorher buchen. Aber du hast halt auch in der Kulturpolitik, wie in vielen Bereichen des Lebens, sehr oft mit großer Inkompetenz zu tun. Das war zu Bernhards Zeiten schon so und das ist immer noch so. Aber trotzdem leben wir immer noch auf einer Insel der Seligen.


Sie haben für Ihre musikalische Lesung auch schon Kafka und Rilke ausgewählt. Gibt es noch andere Schriftsteller, die Sie einem Publikum näherbringen wollen?
Metelka: Wir haben schon einige in der Pipeline. Das Nächste wird vermutlich ein Abend auf Wienerisch.
Ofczarek: Mit Autoren aus der Wiener Gruppe.
Was ist generell die Intention für dieses Veranstaltungsformat?
Metelka: Die szenische Lesung ist als eigenes Genre in den letzten Jahren ein bisschen untergegangen. Als ich jung am Theater war, war es gang und gäbe, dass sich Schauspieler für eine szenische Lesung zusammentun. Wir haben schon versucht, die szenische Lesung mit Musik wiederzubeleben. Und das hat sich jetzt noch weiter fortgesetzt mit Niki in „Holzfällen“, wo ein ganzes Orchester im Burgtheater dabei ist. Das kommt wahnsinnig gut an.
Ofczarek: Weil es reizvoll ist, dass nur mit Sprache und Musik eine Welt entstehen kann.
Metelka: Ich bin 30 Jahre älter als Milena Jesenskà zum damaligen Zeitpunkt und Niki ist wirklich kein Kafka, also von seiner Physis, aber trotzdem schaffen wir es, den Inhalt rüberzubringen. Das heißt, man ist sehr unabhängig von Äußerlichkeiten, Kostümen, Bühnenbild und Einfällen, sondern es ist wirklich Inhalt.
Ofczarek: Wir leben in einer Zeit, in der alles ausformuliert ist und der Zuseher überhaupt nichts mehr zu projizieren hat. Die Fantasie des Zusehenden ist gefragt. Man kann schon so lesen, dass man die Fantasie erweckt, ohne dass man alles ausformuliert. Wir wollen etwas darbieten, das einen Raum aufmacht. Wir sind ja übersättigt mit Informationen im digitalen Zeitalter. Es geht jetzt wieder zurück ins Analoge. Für uns und fürs Theater ist das eine Riesenchance.


Gemeinsam als Ehepaar auf der Bühne zu stehen, ist vermutlich auch nett?
Ofczarek: Das hört sich romantisch an, aber wenn wir gemeinsam arbeiten, sind wir Kollegen. Eine große Romantik ist jetzt schon nicht mehr anwesend.
Metelka: Wir arbeiten ja seit 32 Jahren immer wieder zusammen. Schon auf der Zugfahrt hierher haben wir nichts Privates mehr besprochen, weil der Fokus einfach woanders liegt.
Ofczarek: Das war sehr angenehm.
Sie sind einem breiteren Publikum vor allem aus Serien bekannt. Wie wichtig ist Ihnen, die sogenannte „Hochkultur“ einem neuen Publikum näherzubringen?
Ofczarek: Mir taugt es einfach, in verschiedenen Genres tätig zu sein. Ich stelle schon fest, die jungen Menschen lesen immer weniger. Die Aufmerksamkeitsspanne wird kleiner. Sprache verkümmert immer mehr. Wir haben immer weniger Worte zur Verfügung. Der Sprachschatz wird immer weniger. Da kann man schon irgendwie animieren, aber aufdrängen tue ich gar nichts.
Metelka: Man kann jetzt nicht en gros sagen, die jungen Leute lesen nicht mehr. Ich kenne viele junge Leute – wahrscheinlich trotzdem die Minderheit –, die sehr, sehr viel lesen, sich gegen die kurze Aufmerksamkeitsspanne sträuben und sich mit längeren und schwierigeren Texten konfrontieren. Man hat vielleicht genug von Oberflächlichkeit. Ich sehe, dass die Theater wieder voller werden. Das ist vielleicht auch diese neue Sehnsucht nach dem Analogen.
Heute Abend Thomas Bernhard, morgen spielen Sie wieder Richard III. im Akademietheater. Wie herausfordernd ist das kurzfristige Switchen zwischen den Rollen?
Ofczarek: Das ist mein Beruf.
Für Sie ist es der zweite Richard im heurigen Jahr. Im Sommer haben Sie nach 14 Jahren die Fortsetzung der Serie Braunschlag gedreht. Was macht Ihnen mehr Spaß?
Ofczarek: Das sind zwei unterschiedliche Berufe.

Hat Sie die internationale Filmproduktion etwa in Hollywood je gereizt?
Ofczarek: Was ist das Interessante an Hollywood? Die kochen auch nur mit Wasser für mehr Geld, aber man ist überhaupt nicht mehr zu Hause. Hollywood ist filmisch gesehen einer der uninteressantesten Orte, da kann der europäische Film mehr. Ich bin gerne in Europa und froh, dass ich nicht in Amerika lebe. Ich bin gerne daheim und gut ausgelastet. Man kann nicht mehr als ein Schnitzel am Tag essen. Ich lehne auch viele Rollenangebote ab, weil vieles nicht gut ist. Wie in jedem Bereich unseres Lebens sinkt das Niveau.
Wir sind hier in einer Bank. Die Rolle des reichen Mannes ist Ihnen als „Jedermann“ vertraut. Wie schaut Ihr Verhältnis zu Geld generell aus?
Ofczarek: Geld ist nicht so wichtig.
Metelka: Entspannt. Wir sind schon so lange zusammen und wir haben mit einem kleinen Kind schon von viel weniger gelebt. Das wäre, glaube ich, wieder möglich, deshalb sind wir relativ entspannt.
Wer führt bei Ihnen die Haushaltskasse?
Metelka: Ich bin für das Alltägliche verantwortlich, das mache ich schon lange und jedes Monat gerne. Niki hat die größeren Summen und Zusammenhänge gut im Überblick.
Also es gibt eine Anlagestrategie?
Ofczarek: Ja. Spätestens ab Mitte 40 sollte man sich überlegen, dass man eine Pensionsvorsorge – eine zusätzliche zur staatlichen – hat. Darauf schaue ich auch bei unserer Tochter: Je früher man mit einer Pensionsvorsorge beginnt, desto besser.

Ab wann konnten Sie von der Schauspielkunst leben? Oder haben Sie je einen anderen Brotberuf gehabt?
Ofczarek: Leider nicht. Ich habe von Anfang an davon leben können.
Metelka: Ich auch, wobei ich mittlerweile nicht mehr davon leben kann, sondern Professorin für Sprachgestaltung am Max Reinhardt Seminar bin. Ich bin froh darüber, weil es ist einfach immer noch so, dass es für Frauen ab 40 nicht mehr viele Rollen gibt.
Sie haben eine Tochter, die auch Schauspielerin ist. Was würden Sie sich für Nachwuchstalente wünschen?
Metelka: Auf jeden Fall Planungssicherheit. Ich finde es wichtig, dass man auch in einem künstlerischen Beruf weiß, dass man davon leben kann, dass man vielleicht auch so viel Geld verdient, dass man auch etwas auf die Seite legen kann oder Dinge absagen kann. Es braucht Menschen, die Wert darauf legen, dass in einem Staat Kunst und Kultur existieren. Da hat sich viel getan in den letzten Jahren, aber ich fürchte, dass jetzt alles ins Wanken gerät.
Ofczarek: Der Wert von Kunst ist kein wirklich greifbarer – abgesehen von der Umwegrentabilität –, aber für eine demokratische Gesellschaft enorm wichtig ist. Seit 10, 20 Jahren wird im Staatstheater und im städtischen Theater immer mehr eingespart, das geht schon jetzt nicht mehr ohne Qualitätsverlust.








