Von Königen, Wichteln und guten Hexen

Zur Weihnachtszeit hat jedes Land ganz eigene Traditionen und Gepflogenheiten. Ein Blick auf jene Figuren, die Europas Weihnachtsbräuche bis heute prägen.

In der Nacht vor Weihnachten herrscht weltweit Hochbetrieb – allerdings nicht in Häfen, Fabriken oder Börsen. Es sind andere Figuren, die dann unterwegs sind: leise, geheimnisvoll und streng an regionale Traditionen gebunden. Sie kommen durch den Kamin oder durch angelehnte Fenster, auf Pferden, Kamelen oder mit dem Schlitten. Die logistischen Herausforderungen der Geschenke-Lieferung werden dabei in den Ländern der Welt von unterschiedlichen Protagonisten gemeistert: In Nordeuropa klopft ein Wichtel an die Tür, in Spanien warten Kinder bis Jänner auf königlichen Besuch, in Italien kommt eine Hexe – und im deutschsprachigen Raum hat sich seit einigen Jahren neben dem Christkind auch der Weihnachtsmann einen Platz gesichert. Doch zu Weihnachten geht es nicht nur um Geschenke – hinter jedem dieser Figuren stehen eine lange Tradition, regionale Bräuche und meist religiöse Hintergründe. 

Warten auf das Christkind

In Mitteleuropa ist es das Christkind, das Jesuskind, das am Heiligen Abend seine Gaben ungesehen unter den Weihnachtsbaum legt. Rund vier Wochen lang dauert der Advent, die christliche Vorbereitungszeit auf die Geburt Jesu Christi in der Nacht des 24. Dezember. Damit das Warten nicht so lange erscheint, zünden wir jeden Sonntag eine Kerze des Adventkranzes an – eine Tradition, die auf den evangelischen Pfarrer Johann Hinrich Wichern zurückgeht. Er kümmerte sich im „Rauhen Haus“, einer Einrichtung für gefährdete Kinder und Jugendliche in Hamburg, um deren Wohlergehen. Um ihre Ungeduld zu bändigen, bestückte er ein Wagenrad mit 24 Kerzen und entzündete jeden Tag eine davon, bis schließlich das Christkind kam. 

Weihnachtswichtel
Der gute Hausgeist aus dem Norden: Tomte © Adobestock.com

Nordische Weihnachtswesen

Wenn man in den Norden Europas blickt, nach Skandinavien, so ist auch dort am 24. Dezember ein kleines Wesen unterwegs. Es ist der gute Hausgeist namens Tomte, der seinen Ursprung in der nordischen Mythologie hat und über Haus, Tiere und Menschen wacht. Er hat die Gestalt eines sehr kleinen alten Mannes, trägt einen langen weißen Bart und eine roten Wichtelmütze. All jenen, die ihn gut behandeln, bringt er Glück und Schutz – wenn man ihn aber verärgert, kontert der Wicht mit kleinen Streichen. Um sich bei dem Hausgeist für seine Dienste und die Geschenke zu bedanken, stellen ihm die Kinder an Heiligabend eine Schale mit süßem Milchreis vor die Tür. 

In Schweden macht sich außerdem der Julbock mit einem Sack voller Gaben auf den Weg von Haus zu Haus. Er sieht aus wie eine Ziege, allerdings mit langen Hörnern. Seine Wurzeln liegen in der germanischen Mythologie, wo er für die jährlich wiederkehrende Fruchtbarkeit der Erde steht. Und in Island sind es gleich 13 Trolle, die vom 12. bis zum
24. Dezember täglich kleine Geschenke in geputzte Stiefel füllen. Jeden Abend werden diese vor die Tür gestellt – und damit die Trolle gut gelaunt bleiben, mit Kleinigkeiten zum Essen befüllt.

Königlicher Besuch

Ein besonders kurioses Weihnachtswesen hat im spanischen Katalonien Tradition. Es ist der „Tió de Nadal“ (Weihnachts-Onkel), der aus einem kleinen Holzklotz mit zwei Beinen, einem aufgemalten Gesicht und einer roten Mütze besteht. Damit es nicht friert, wird das Holzwesen in eine Decke gehüllt. Von 8. bis zum 25. Dezember füttern ihn die Kinder mit Obst und Brot, in der Hoffnung, dass sich dieses bis Weihnachten in Süßigkeiten verwandelt. Wenn der Tió dann am Weihnachtsmorgen mit einem Holzstock geschlagen und dabei gesungen wird, gibt er die süßen Gaben preis. Auf größere Geschenke müssen die Spanier allerdings noch bis 6. Jänner warten. Dann nämlich kommen „Los Reyes Magos“, die Heiligen drei Könige, auf dem Kamel und bringen Überraschungen.

Spanische Kinder „füttern“ täglich ihren Tió de Nadal.
Spanische Kinder „füttern“ täglich ihren Tió de Nadal. © Adobestock.com

Wer hätte gedacht, dass sich der niederländische Sinterclaas ausgerechnet von Spanien aus auf den Weg macht, um die Kinder in Amsterdam und dem ganzen Land am 5. Dezember zu beschenken. Schon Wochen davor beginnt die Reise auf dem Dampfschiff mit seinem Helfer, dem Zwarte Piet, die sich um ganz West- und Nordeuropa erstreckt. In den Niederlanden angekommen, klettern die zwei Gesellen durch die Kamine und füllen die Stiefel mit Süßigkeiten und Geschenken, die am „Pakjesavond“ (Päckchenabend) geöffnet werden. Am Heiligen Abend feiert dann die ganze Familie Weihnachten – allerdings ohne Geschenke, aber mit (oft künstlichem) Christbaum.

Väterchen Frost und Santa

In Russland und anderen osteuropäischen Ländern hinterlässt Väterchen Frost einen leuchtenden Streifen am Himmel, wenn er in der Silvesternacht gemeinsam mit seiner Enkelin Snegurotschka (Schneeflöckchen) auf dem Pferdeschlitten fliegt. Eine Tradition, die auf die slawische Mythologie zurückgeht und in manchen Regionen am 6. bzw. 7. Jänner statt zum Jahreswechsel gefeiert wird. Väterchen Frost ähnelt in seinem Aussehen sehr dem Weihnachtsmann – nur dass sein Mantel blau statt rot ist. 

Santa Clause, wie wir ihn aus englischen Weihnachtsfilmen kennen, reist ebenfalls mit einem Schlitten durch die Nacht. Er zwängt sich durch die Kamine der Häuser und bestückt dort die aufgehängten bunten Socken. Am Morgen des 25. Dezember versammelt sich die Familie rund um den Baum und öffnet die Päckchen. Und eine weitere Tradition gibt es im englischsprachigen Raum: Wenn zwei Menschen unter einem Mistelzweig stehen, darf geküsst werden. Schon die keltischen Druden verwendeten den Mistelzweig für ihre Heilmittel und Fruchtbarkeitstränke. Die Pflanze soll vor bösen Geistern, Feuer und Hexen schützen und spielte bei den nordischen Stämmen auch bei Hochzeits- und Friedensritualen eine Rolle.

La Befana legt am 6. Jänner süße Kohle in die Socken.
La Befana legt am 6. Jänner süße Kohle in die Socken. © Adobestock.com

Die gute Hexe kommt zuletzt

In Italien ist Weihnachten vor allem durch das Zusammenkommen der ganzen Familie geprägt, die sich an die Geburt Jesu Christi erinnert. Der Christbaum wird schon am 8. Dezember, zur „Festa dell’Immacolata“ (Maria Empfängnis) aufgestellt – meist ein Kunststoffbaum, der üppig geschmückt wird. Unterschiede gibt es allerdings im Norden und im Süden des Landes. Im Norden ist es die Lichtträgerin, Santa Lucia, die den Kindern am 13. Dezember Geschenke unter dem Baum verteilt. Damit diese reichlich ausfallen, legen die Kinder am Abend zuvor Kaffee und Kekse auf das Fensterbrett, eine kleine Stärkung für Santa Lucia und deren Esel. Zu Weihnachten, das am 25. Dezember mit einem großen Familienessen gefeiert wird, überreichen sich höchstens die Erwachsenen eine kleine Aufmerksamkeit. 

Anders im südlichen Teil des Stiefels: Dort kommt man schon zur „Vigilia“, dem Heiligen Abend zusammen, um gemeinsam bis Mitternacht auf die Geburt Christi zu warten. Serviert werden fleischlose Gerichte, wie Tortellini in brodo, gebratener Fisch und der obligatorische Panettone, der mittlerweile auch außerhalb der italienischen Grenzen bekannt und beliebt ist. Am 6. Jänner (L’Epifania) macht sich schließlich „La Befana“ auf den Weg zu den Kindern. Die gute Hexe fliegt mit ihrem Besen durch die Nacht und füllt die vorbereiteten Socken mit Süßem. Lausbuben und -mädchen werden mit (süßer) Kohle bedacht. La Befana ist es auch, die den Reigen der Feierlichkeiten beschließt und laut einem italienischen Sprichwort alle Feiertage mit sich fortträgt: „L’Epifania, tutte le feste si porta via.“ 

AusgabeRZ51-2025

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