Wie hat sich der österreichische Immobilienmarkt im Vorjahr entwickelt?
Peter Weinberger: Grundsätzlich gleichbleibend zum Jahr davor. Immobilien sind nach wie vor extrem nachgefragt. Bei gebrauchten Immobilien am Land haben viele Transaktionen stattgefunden, das ist gut geblieben. Der Neubau hinkt noch ein bisschen nach, aber es wurden wieder merklich mehr Projekte bewilligt. Die Immobilienpreise haben sich nicht nur aufgrund der Nachfrage, sondern auch aufgrund der Baupreise erhöht.
Nikolaus Lallitsch: Der Markt hat im Vorjahr keine Schwächen gezeigt. Es gab etwa 150.000 Eigentumstransaktionen, das sind wieder mehr als im Jahr zuvor. Und die Summe der Kaufpreise wird etwa bei 40 Mrd. Euro liegen, das ist auch ein neuer Rekord. Also trotz zweier Lockdowns im Vorjahr hat der Immobilienmarkt eigentlich keine Schwäche gezeigt.
Wie ist das Immobiliengeschäft für Raiffeisen Immobilien gelaufen?
Lallitsch: Wir konnten das Jahr sogar über der Marktentwicklung abschließen, also wieder ein sehr erfolgreiches Jahr für Raiffeisen Immobilien Österreich.
Wo ist die Nachfrage am größten? Hält der Zug ins Grüne weiter an?
Lallitsch: Auf jeden Fall. Wir sehen, dass die Suchradien weiter geworden sind. Das hat zwei Ursachen: Manche wechseln aufgrund der starken Preisentwicklung in den Ballungsräumen ins Umfeld, wo es noch leistbarer ist. Zudem haben wir ein neues Biedermeier entdeckt, nämlich eine Orientierung in die eigenen vier Wände. Dieses Zuhausesein hat eine neue Bedeutung bekommen und wird auch neu geschätzt. Da ist es im Grünen, im Beschaulichen ganz besonders attraktiv.
Weinberger: Und ich bekomme auch etwas mehr Fläche für mein Geld – gerade durch Homeoffice ein wichtigerer Aspekt.
Wie ist das Verhältnis zwischen gebrauchten Immobilien und Neubauten?
Lallitsch: Am stärksten gefragt ist Neubau, aber es geht immer um die Frage der Leistbarkeit. Manche müssen den Kompromiss eingehen, vom ursprünglich angedachten Neubau in Gebrauchtimmobilien zu wechseln. Gebrauchtimmobilien sind um ein Drittel bis um die Hälfte günstiger sind als ein Neubau. Das Thema Leistbarkeit wird heuer stark davon befeuert werden, dass bisher die steigenden Preise durch die fallenden Kreditzinsen abgefedert worden sind. Dadurch waren Immobilien in Österreich gut leistbar. Jetzt ist aber das Zinsniveau auf dem historischen Tiefststand und wir gehen eher davon aus, dass es eine Zinswende geben wird. Wir sehen am Horizont steigende Kreditzinsen. Das wird ein großes Thema und bedeutet, dass tendenziell die Gebrauchtimmobilie stärker nachgefragt werden wird als in der Vergangenheit. Da sehen wir auch die große Chance für Immobilienanbieter. Jetzt ist ein guter Zeitpunkt zu verkaufen.
Vor einem Jahr haben Sie noch von einer Verkaufszurückhaltung gesprochen.
Lallitsch: Die Immobilienbesitzer haben langsam das Gefühl, die Preisrallye ist langsam zu Ende. Wenn ich zuwarte, bekomme ich nicht mehr für meine Immobilien, vielleicht im Gegenteil, und die Erhaltung wird aufwendiger. Auch das Thema Leerstandsabgabe sorgt für Irritation. Da kommt einiges auf die Eigentümer von Immobilien zu, was sie durchaus mit dem Gedanken des Verkaufens bewegt.
Weinberger: Was alle, die eine gebrauchte Immobilie haben, vergessen: Man hat ganz andere Betriebs- und Investitionskosten als bei einem Neubau, dadurch wird der Preis einer gebrauchten Immobilie auch sinken. Als Immobilienprofi würde ich jetzt gebrauchte Immobilien bei gutem Wind verkaufen.
Apropos Leistbarkeit: Die FMA kündigte mit Jahresmitte strengere Vergaberichtlinien für Wohnbaukredite an. Erwarten Sie Auswirkungen aus dieser Verordnung?
Lallitsch: Der Raiffeisensektor wird davon am wenigsten betroffen sein, weil bei uns Kreditentscheidungen sehr gewissenhaft und vor Ort abgewickelt werden. Aber insgesamt ist es natürlich ein Thema, da schätzungsweise die Hälfte aller Immobilienkredite derzeit nicht den neuen und geplanten Anforderungen entsprechen. Das heißt, es wird tendenziell für die Immobilieninteressenten schwieriger, an Kredite zu kommen.
Weinberger: Da ist auch die Chance, dass der gebrauchte Immobilienmarkt wieder in Schwung kommt, weil dann doch das eine oder andere geerbte Objekt verkauft werden muss, um etwas Neues kaufen zu können.
Rechnen Sie mit Vorziehkäufen?
Weinberger: Ich glaube nicht, dass das auffällig viele sein werden. Für viele ist es doch die größte Investition im Leben, die nicht kurzfristig geplant wird, sondern langfristig.
Die FMA geht hier strenger vor, weil sie eine Blasenbildung erkennt. Sehen Sie auch eine Übertreibung auf den Immobilienmärkten?
Lallitsch: Nein. Es gibt derzeit keine Anzeichen für eine Immobilienblase, weil mit sehr viel Eigenkapital finanziert wurde. Wir haben derzeit einen sehr risikoarmen Immobilienmarkt. Dennoch ist es im Sinne mancher Kunden, die grenzgängerisch finanzieren, indem sie sich über Gebühr verschulden, sinnvoll, klare Spielregeln zu haben.
Weinberger: In Summe ist es ein positiver Zugang, um auch in Zukunft ein sicheres Immobiliengeschäft zu haben. Auch wenn die Immobilienwertsteigerung jetzt nicht mehr so rasant passieren wird.
Zurück zur Vermittlung, welche Rolle spielen mittlerweile die digitalen Angebote beim Immobilienkauf?
Lallitsch: Das digitale Angebot und alle Dienstleistungen, die wir auch digital anbieten konnten, haben dazu beigetragen, dass wir so gut durch dieses Jahr gekommen sind. Wir haben sofort auf die neuen Rahmenbedingungen reagieren können. Wir haben mit unseren 360°-Rundgängen und virtuellen Besichtigungen im Lockdown ganz viel abfedern können. Im Moment haben wir 350 Immobilien mit digitalen Rundgängen im Angebot, von insgesamt 1.751 Immobilien.
Werden Immobilien auch nur aufgrund eines digitalen Rundgangs gekauft?
Weinberger: Anlegerimmobilien schon.
Lallitsch: Aber grundsätzlich ist der Immobilienkauf ein sehr sinnliches Vergnügen. Dieses Gefühl in der Wohnung, dem Haus und Garten zu sein und zu fühlen, das kann ein 360°-Grad-Rundgang nicht abnehmen, sondern nur einen ersten Eindruck vermitteln.
Welche Rolle haben im Vorjahr Gewerbeimmobilien für Raiffeisen Immobilien Österreich gespielt?
Weinberger: Keine große Rolle, denn Raiffeisen ist mehr Spezialist im Wohnbaubereich, bei Grundstücken und landwirtschaftlichen Flächen.
Lallitsch: Sehr wohl sind wir aber Spezialisten in der Bewertung von Gewerbeimmobilien, insbesondere für unsere Eigentümer, die Raiffeisenbanken. In diesem Bereich haben wir sehr hohe Expertise. Auch bei Büroimmobilien und Geschäftslokalen sind wir stark gefragt gewesen, wenngleich der Markt im Vorjahr besonders schwierig war. Dementsprechend zurückhaltend waren wir in der Vermittlung, aber in der Bewertung waren wir umso stärker gefragt.
Welche Schwerpunkte hat Raiffeisen Immobilien Österreich für 2022 geplant?
Weinberger: Großes Thema ist der Bewertungsbereich, der wird eine große Rolle spielen. Unser Maklerleben, dass wir für Kunden ein neues Zuhause finden werden, wird sich nicht verändern. Vielleicht wird es etwas beratungsintensiver in Richtung der Verkäufer.
Lallitsch: Wir wollen unsere Markt- und Kompetenzführerschaft noch weiter ausbauen. Wir haben mit unserer Raiffeisen Immobilien Akademie eine Plattform geschaffen, wo wir unsere knapp 300 Kollegen auf den neuesten Stand bringen. Das ist eine Pflicht gegenüber unseren Eigentümern, die uns für Fachauskünfte und Consulting-Leistungen für den eigenen Bedarf und den Bedarf der Raiffeisenkunden ganz dringend brauchen. Im Bereich der Vermittlung von Wohnimmobilien werden wir eine Offensive in Richtung Akquisition verkäuflicher Immobilien brauchen, insbesondere da wir mehr Gebrauchtimmobilien am Markt erwarten. Bewertung der Verkaufspreise ist ein wichtiges Thema. Insgesamt werden wir mit unserer breiten Dienstleistungspalette – von der Bewertung über die Vermittlung bis zur Finanzierung und Abwicklung – heuer ganz besonders punkten können.
Wie wichtig sind die Bewertungen als Geschäft?
Weinberger: Die Bewertung ist ein Teil einer Vermittlung. Umsatzmäßig spielt es eine Rolle, aber unser Hauptgeschäft ist trotzdem die Maklerei und andere glücklich zu machen, indem wir etwas finden, wo sie neu wohnen dürfen.
Wie hart umkämpft ist der Immobilienmarkt in Österreich?
Lallitsch: Wir haben hunderte Mitbewerber, aber wir haben immer noch ein sehr großes Potenzial, weil viele Transaktionen von Privat zu Privat laufen. Als Bankenmakler haben wir den Vorteil, dass uns viele nicht als Maklerbüro sehen, sondern als Unternehmen von Raiffeisen und diesem Unternehmen vertraut man sich viel lieber an als einem Real Estate Agent oder einem Makler von einem Unternehmen, das es noch nicht lange gibt.
Mit welchen Erwartungen gehen Sie in das neue Jahr?
Lallitsch: Wir gehen mit Optimismus ins neue Jahr. Es hat gut begonnen. Wir meinen, dass wir ein Jahr vor uns haben, das uns neue Erfolge bringen wird, wahrscheinlich noch größere als im abgelaufenen Jahr. Wir sind im Wachstum und das wird auch so bleiben.
Weinberger: Wir sind ja mittlerweile gewohnt, dass alles anders ist als in der Vergangenheit, deshalb haben wir keine Angst, Fortschritte zu machen, sich weiterzuentwickeln, noch besser zu werden und alle Umsätze zu verbessern. Das ist das erklärte Ziel und ich bin überzeugt, dass wir das auch erreichen können.
Mit welcher Entwicklung rechnen Sie bei den Immobilienpreisen?
Weinberger: Billiger wird es sicher nicht. Aber wesentlich teurer wird es auch nicht werden.
Lallitsch: Die Preiskurve wird sich abflachen, aber es gibt keine Anzeichen für billiger werdende Immobilien. Beim Neubau ist die Situation so, dass wir derzeit große Unsicherheiten haben, was die Fertigstellungen und die Kalkulierbarkeit betrifft. Andererseits wird 2022 ein Höhepunkt sein bei der Anzahl der Immobilien, die neu auf den Markt kommen, das wird auch preisstabilisierend wirken. Insgesamt rechnen wir mit einer moderaten weiteren Preissteigerung.