„Zwei Schritte vor, einen zur Seite, einen zurück“

Auf heimische Banken warten 2022 viele Aufgaben. Mit welchen Initiativen der Kapitalmarkt, die Klimatransformation und der Standort Österreich insgesamt gestärkt werden sollen, das erklärt Franz Rudorfer, Geschäftsführer der WKÖ-Bundessparte der Banken und Versicherungen.

Wie gut steht der Bankensektor zwei Jahre nach Pandemiebeginn da?
Franz Rudorfer: Der österreichische Bankensektor steht auf sehr soliden Beinen und auch zwei Jahre Covid haben diese soliden Beine in keinster Weise angegriffen. Wir haben das nötige Kapital und den nötigen langen Atem gehabt, um unsere Firmen- und Privatkunden durch diese Herausforderung zu begleiten.

Obwohl die Banken auf soliden Beinen stehen, trägt das Arbeitsprogramm der Sparte Banken und Versicherungen den Titel „Re-start“. Warum und wo braucht es einen Neustart?
Rudorfer: Der Re-Start ist in erster Linie an den Standort Österreich adressiert, aber natürlich auch ein bisschen an uns selbst. Nach zwei Jahren mit neuer Spartenspitze, in denen wir uns sehr auf das Managen von Covid konzentrieren mussten, möchten wir jetzt ein Signal senden: Die Finanzbranche steht gemeinsam da und möchte, muss und will ihren Beitrag zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Österreich leisten. Banken, Versicherungen, Vorsorgekassen, Pensionskassen, Fonds und alle, die zu uns gehören, legen ein Bekenntnis ab, dass wir alle an einem Strang ziehen wollen, damit der Standort Österreich durchstarten kann.

Das Programm und die Forderungen sind sehr vielfältig.
Rudorfer: Die großen Themen sind die Klimatransformation, die untrennbar mit einem leistungsfähigen Kapitalmarkt verbunden ist, das leistbare Wohnen und das Thema Digitalisierung.

Eine konkrete Forderung ist, dass Beteiligungen an Unternehmen erleichtert werden sollen. Gibt es doch Engpässe in der Kreditvergabe?
Rudorfer: Kredite waren wichtig, sind wichtig und werden es auch in Zukunft sein. Aber Corona hat deutlich vor Augen geführt, dass die Betriebe auch Eigenkapital brauchen. Es ist ein Gebot dieser Covid-Stunde, dass wir die Voraussetzungen schaffen, damit privates Geld in Investitionen in Nachhaltigkeit, in Wohnen, in Innovationen fließen kann. Neue Instrumente, wie die neue Gesellschaftsform namens SICAV, die in anderen EU-Staaten bereits eingeführt wurde, und das National Legislated Programme, NLP, sollen es ermöglichen, dass sich viel mehr private Investoren bei KMU beteiligen können. Den Kredit braucht es immer, aber jetzt auch Eigenkapital dringender denn je, damit Betriebe wieder durchstarten können. Zu all dem gibt es fertige Vorschläge.

Wie viel zusätzliches Geld könnte dadurch bei den Unternehmen ankommen?
Rudorfer: Allein durch SICAV gibt es ein Potenzial von 300 bis 500 Millionen Euro pro Jahr, das zu den Betrieben fließen könnte. Wenn man sich anschaut, was die Klima­transformation jährlich für Investitionen braucht, das kann der Staat allein nicht heben. Die Versicherungen haben in Österreich über 100 Milliarden Euro veranlagt, bei den Pensions- und Vorsorgekassen sind es über 40 Milliarden Euro, von denen könnte man einen Teil für Eigenkapitalinstrumente nutzen.

Beim Thema Nachhaltigkeit sind die Banken insgesamt sehr gefordert. Haben die Banken als wichtiger Player auch genügend Mitspracherecht, etwa bei der Taxonomie?
Rudorfer: Der Ansatz der EU war wieder einmal der, dass die Challenge Nachhaltigkeit über die Bankenregulierung gemeistert wird. Da ist die Offenlegung, die Beratung nach MiFID (Mehr dazu: Wie die EU-Richtlinie MiFID 2 den Vertrieb und die Produktpalette verändert.), die Taxonomie, das sind lauter riesige Regularien. Es gibt immer wieder Etappenerfolge, aber wir kritisieren die Europäische Union auch, dass sie zwei Schritte vor, einen zur Seite, einen zurück geht. Wir brauchen Rechtssicherheit, Planungssicherheit und Investitionssicherheit wie alle im Wirtschaftsleben. Die Taxonomie ist notwendig, aber über weite Strecken viel zu komplex, viel zu kompliziert, viel zu bürokratisch.

Wie ist die Gesprächsbasis mit dem neuen Finanzminister? 
Rudorfer: Hervorragend. Da ist viel Bereitschaft und Bemühen da, Österreich voranzubringen und den Standort Österreich wettbewerbsfähig zu machen. Uns verbinden viele gemeinsame Themen.

Ein Thema, das derzeit laut diskutiert wird, ist die KESt-Befreiung auf Kursgewinne von Wertpapieren – bei einer gewissen Behaltefrist und bei grünen Finanzprodukten. Warum wäre das wichtig?
Rudorfer: Wer K wie Klimatransformation sagt, der muss auch K wie Kapitalmarkt sagen. Diesen Finanzierungsbedarf und dieses Potenzial, das dahinter steht, das kann man nicht allein mit Krediten machen. Es braucht einen leistungsfähigen Kapitalmarkt. Und der Kapitalmarkt in Österreich braucht noch einige Vitamininfusionen, um das leisten zu können. Die Behaltefrist ist ein Hebel, die Lebensversicherungssteuern zu senken ist ein anderer, das Veranlagungsuniversum der Pensions- und Vorsorgekassen für Nachhaltigkeit zu öffnen ist ein weiterer Punkt. Da gibt es ein ganzes Bündel und wir sind froh, dass der Finanzminister hier den Aufschlag gemacht hat.

Die EZB hat kürzlich einen Klima-Stresstest für Banken gestartet. Können Österreichs Banken dem Test gelassen entgegenblicken?
Rudorfer: Der Stresstest hat schon im Namen, das er einen gewissen Stress erzeugen muss. Ich möchte der EZB bei diesem Thema Stresstest zugutehalten, dass sie keinen Stress, sondern vielmehr Bewusstsein erzeugen will. Der Stresstest dient in erster Linie dazu, zu zeigen, wo muss die Bank noch klimatransformationsfitter werden. Sinnvoll stressen kann ich aber nur, wenn ich weiß, wie die Regeln sind. Und da ist Europa noch gefordert, diese Klarheit zu geben. Aber generell müssen sich die österreichischen Banken vor diesem Stresstest nicht fürchten. 

Die österreichische Kreditwirtschaft plant die Errichtung einer zentralen Plattform für ESG-Daten. Können Sie da schon etwas mehr verraten? Wie soll diese ausschauen? Wer profitiert davon?
Rudorfer: Die Klimatransformation ist eine Herausforderung für alle. Jetzt gibt es die Taxonomie-Verordnung, die alle Bereiche einzuordnen hilft und helfen soll. Jedes Tun muss eingeordnet werden. Da gibt es innerhalb der Bankbranche ein Projekt, das schon recht weit gegoren ist, wo die Banken gemeinsam versuchen, diese Zuordnung zu schaffen. Das Ziel ist, eine dynamische, sich entwickelnde Datenbank zu haben, wo alle Nutzer zugreifen können. Alle Partner am Wirtschaftsleben sind dort zugeordnet und können das auch abrufen. Das ist das Ziel dieses Projekts. Da sind wir fest dran, das muss irgendjemand machen.

Und wer pflegt diese Daten ein?
Rudorfer: Es gibt Partner, die da viel Know-how haben. Das kostet natürlich eine Stange Geld, aber wir sind guten Mutes, dass wir schon bald eine Lösung haben. Das ist ein wichtiger Beitrag zur Klimatransformation, damit alle wissen, wie sie sich da einordnen. Das ist die Basis, damit Geld in beide Richtungen fließen kann. Das erleichtert den Weg zum großen Ziel, dass wir einen wettbewerbsfähigen Standort haben sehr. Ich bin zuversichtlich, dass wir heuer – irgendwo in den Frühling hinein – schon recht gut wissen, wie diese Plattform ausschaut und wir im heurigen Jahr starten können.

Den Banken kommen immer mehr Aufgaben zu als nur das Einlagen- und Kreditgeschäft. Ist das für die Banken alles stemmbar?
Rudorfer: Uns wurde immer gesagt, mit Basel III Plus oder wie wir es nennen Basel IV, ist der große Regulierungsschub vorbei. Jetzt müssen wir diese Eigenkapitalregulierung erst einmal umsetzen, das ist keine Kleinigkeit. Dann steht im Wertpapierbereich eine MiFID-Review an, also da kommt wieder viel neue Regulierung. Dann haben wir den ganzen Bereich Klimatransformation mit Offenlegung, Taxonomie, Berichterstattung, Meldewesen, Green Asset Ratio. Die Dynamik der Regulierung wird nicht ansatzweise verlangsamt, von aufhören überhaupt keine Rede. Bei der Klimatransformation sehen wir es wieder, dass die Finanzbranche viele Aufgaben zu erfüllen hat, die eigentlich Aufgabe der Öffentlichen Hand sind. Die Taxonomie ist nicht per se eine Aufgabe der Banken, aber sie wurde genutzt, um das auf die Branche abzuwälzen. Das Ziel vereint uns alle, aber das sind extreme Kosten, aber vor allem auch Aufwand, den man für Beratung brauchen würde und lieber einsetzt, um den Menschen Produkte anbieten zu können.

AusgabeRZ05-2022

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