„Man muss sauber definieren“

Nachhaltigkeit spielt in der Veranlagungs­beratung ab 2022 eine zentrale Rolle. Die EU-Richtlinie MiFID 2 wird den Vertrieb und die Produktpalette stark verändern.

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(c) Adobe Stock

Möchten Sie Nachhaltigkeit in Ihrer Geldanlage berücksichtigen? So oder so ähnlich wird die Frage an den Kunden am Beginn des Veranlagungsgesprächs ab dem Sommer 2022 gestellt werden. Raiffeisen will die Nachhaltigkeitspräferenzen der Kunden schon im Juli abfragen, ab Oktober ist es dann aufgrund der EU-Richtlinie MiFID 2 gesetzlich verpflichtend. „Wenn der Kunde die Frage mit einem Ja beantwortet, wovon wir im Vertrieb von den meisten Kunden ausgehen, dann soll der Kunde einen Mindeststandard für seine nachhaltigen Veranlagungen definieren“, erklärt Gerhard Lauss, Leiter des Retail-Wertpapiervertriebs in der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich. Diese Entscheidung betrifft dann Fonds, Vermögensverwaltung, Zertifikate, Aktien und Anleihen, aber auch die Lebensversicherung. „Für den Kunden und auch die Berater wird es dann sicher eine Herausforderung, die verschiedenen Arten der Produkte zu erklären“, prognostiziert Lauss. 

In der Tat ist es sehr technisch und nicht ganz einfach, den Überblick zu behalten: Während Kapitalanlagegesellschaften ihre Fonds bereits als „hellgrün“ nach Artikel 8 (berücksichtigen ökologische und soziale Aspekte) oder „dunkelgrün“ nach Artikel 9 (verfolgen ein nachhaltiges Anlageziel) nach der Offenlegungsverordnung eingestuft haben, hat die EU-Kommission nun nochmals drei Kategorien für die Einordnung dieser Fonds vorgesehen. „Der Gesetzgeber hat hier alle überrascht. Wir sind davon ausgegangen, dass die Zuordnung nach Artikel 8 oder 9 in der nachhaltigen Anlageberatung entscheidend sein wird, aber das ist jetzt gar nicht der Fall“, erklärt Florian Hauer, Fondsmanager und Nachhaltigkeitsbeauftragter bei der Kepler-Fonds KAG

MiFID 2 bringt neue Kategorien

In der ersten Kategorie muss ein positiver Beitrag im Nachhaltigkeitsbereich geliefert werden, auf Basis der EU-Taxonomie-Verordnung. Wobei erst für zwei der sechs Geschäftsbereiche, nämlich Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel, technische Regulierungsstandards (RTS) definiert sind. Für die Themen Wasser, Kreislaufwirtschaft, Vermeidung und Schutz bzw. Wiederherstellung der Biodiversität gibt es noch keine definierten Standards. „Unser Umwelt-Fonds ist sehr streng, erfüllt aber nur zu einem Drittel die ausformulierten Bereiche der Taxonomie. Am Beginn wird es nur wenige Fonds geben, die hier große Prozentsätze erreichen“, ist Hauer überzeugt und deshalb rechnet er damit, dass diese Kategorie keine große Relevanz im Kundengeschäft haben wird. 

Die zweite Kategorie zielt auf nachhaltige Investitionen nach der Offenlegungsverordnung ab, aber auch diese ist noch nicht klar ausformuliert und es existieren keine RTS. „Deshalb wird auch das nicht das große Thema sein“, prognostiziert Hauer. 

Für die meisten Kunden wird somit der dritte Topf an Produkten eine zentrale Rolle spielen. In diese Kategorie fallen alle Fonds nach Artikel 8 und 9, die keine nachteilige Wirkung haben. Ökologischer Fußabdruck, Wasserverbrauch, Verstöße gegen Menschen- oder Arbeitsrechte oder Best-in-Class-Modelle sind in dieser Klassifizierung von Gewicht. „Da werden alle Fonds, die irgendwo als nachhaltige Fonds angeboten werden, hineinfallen“, so Hauer. 

Fakt ist jedenfalls, dass MiFID 2 bei vielen Fondsgesellschaften die Produktpalette stark beeinflusst und das Thema Nachhaltigkeit verstärkt berücksichtigt. Die KAGs richten sich nachhaltig aus. Auch die Kepler-Fonds KAG, die Tochtergesellschaft der RLB OÖ, wird zu ihren bis dato sieben streng nachhaltigen Umwelt- und Ethik-Fonds zusätzlich fünf bestehende Fonds bis Mitte 2022 umwandeln. „Bei den Rentenfonds ist da nicht der große Umbau nötig, weil die schon jetzt zum Teil nachhaltig sind“, erklärt Hauer. Auch der Österreich-Aktien-Fonds bekommt ein neues Konzept und wird als DACHplus-Fonds einen mittelstrengen, nachhaltigen Ansatz verfolgen. „Als Reaktion stellen wir also einige Einzeltitelfonds um und in zweiter Linie werden wir dann auch Dachfonds auf Artikel 8 umstellen“, so Hauer. Mit dem Reporting der Nachhaltigkeitskennzahlen wartet damit viel Arbeit auf die Fondsgesellschaft. 

Peu à peu und angepasst an die Kundennachfrage will die Kepler KAG ihre Produktpalette umstellen. „Mittelfristig rechne ich damit, dass die Hälfte unserer rund 45 Publikumsfonds umgestellt wird“, so der Fondsmanager. Da die Umstellung der fünf Kepler-Fonds aber nach mittelstrengen Kriterien erfolgt, werden die Fonds weder Ethik noch Nachhaltigkeit im Namen führen. Durch die Neuausrichtung vieler Fonds auf das Thema Nachhaltigkeit rechnet Hauer generell damit, dass Greenwashing ein größeres Problem wird. „Da muss man sauber definieren.“ Die Gefahr einer Überhitzung der Märkte im Nachhaltigkeitsbereich sieht Hauer maximal in Teilbereichen, die sehr strenge Kriterien erfüllen oder Zukunftsfantasien etwa im Bereich Wasserstofftechnologien abdecken. Bei breiterer Definition gebe es durchaus noch günstige Titel zu finden. 

Sinn für die Kunden

Aktuell ist ein Viertel des österreichischen Fondsvolumens nachhaltig investiert, der Anteil wird auf jeden Fall weiter steigen, ist sich Gerhard Lauss sicher. Auch bei Zertifikaten werde es stark in Richtung Nachhaltigkeit gehen. Die Umpositionierung bestehender Kundendepots werde aber ein längerfristiger Prozess sein. „Es muss Sinn für die Kunden machen“, so Lauss. Dass sich Raiffeisen im Vertrieb nachhaltiger Produkte gut positionieren wird können, davon ist Lauss überzeugt: „Denn Nachhaltigkeit ist seit jeher ein Asset von Raiffeisen und kein neuer Trend. Die Kepler-Fonds gelten seit 25 Jahren als Pionier bei Nachhaltigkeit und das werden wir weiterführen.“ 

Der Leitfaden für die Kundenberatung bei Raiffeisen ist gerade beim Wertpapier-Beirat in der finalen Abstimmung und spannt den Bogen zwischen gesetzlichen Vorgaben und dem, was die Kunden auch verstehen und die Berater erklären können. „Das ist nicht immer leicht. Mit der verpflichtenden Integration von Nachhaltigkeitspräferenzen verfolgt die EU jedenfalls ein positives Ziel, aber leider ist es in der konkreten Ausgestaltung wieder extrem kompliziert geworden“, fasst Lauss kurz zusammen. Und auch die Umsetzungszeiträume sind knapp. So werden die finalen gesetzlichen Klarheiten erst für Frühsommer 2022 erwartet, aber die EDV muss im Herbst 2022 startklar sein.