Mehr Raum für Expansionen

Raiffeisen OÖ hat maßgeblich mitgeholfen, den Gesundheitskonzern „Herba Chemosan“ zurück nach Österreich zu holen. Eigenkapitalfinanzierungen gehören für die RLB OÖ seit mehr als 25 Jahren zum Kerngeschäft. Das strategische Standbein soll weiter ausgebaut werden.

Anfang Februar 2022 wurde der Management-Buy-Out bei Herba Chemosan erfolgreich abgeschlossen. Der führende heimische Gesundheitskonzern, der die österreichische Bevölkerung mit Medikamenten sowie Medizinprodukten versorgt und bei der Verteilung von Covid-Impfstoffen eine wichtige Rolle spielt, ist fortan in rein österreichischer Hand. „In einem derart sensiblen Bereich, wo es um die medizinische Versorgungssicherheit in Österreich geht, sind natürlich auch die Eigentümerverhältnisse ein entscheidender Faktor. Damit ist für alle Seiten ein Win-win-Deal zustande gekommen, der sicherlich auch aufgrund seiner Größenordnung ein Meilenstein ist“, betont RLB OÖ-Generaldirektor Heinrich Schaller. 

Der vorherige alleinige Eigentümer, der US-amerikanische Konzern McKesson, wollte seine Aktivitäten in Nordamerika bündeln. Die Invest AG und der österreichische Vorstand der Herba Chemosan-Gruppe haben dann mit dem Management-Buy-Out eine Lösung gefunden. „Die Kombination aus Private Equity plus Bankfinanzierung aus einer Hand war ausschlaggebend, dass wir das Gesamtpaket in so kurzer Zeit zur Verfügung stellen konnten“, erklärt Gernot Hofer, Vorstand der Invest AG, der Private Equity Gesellschaft der Raiffeisenbankengruppe OÖ. So ist der Deal mit dem börsenotierten US-Konzern von August bis Dezember erfolgreich eingefädelt worden. Das Management von Herba Chemosan hält nun 51 Prozent und die Invest AG 49 Prozent. Über den Kaufpreis wurde Stillschweigen vereinbart, aber zur Einordnung: Herba Chemosan erzielt im Jahr rund 1,5 Mrd. Euro Umsatz und beschäftigt rund 1.000 Mitarbeiter. „Von der Breitenwirkung und der Relevanz ist es sicher eine unserer wichtigsten Transaktionen. Aber das Schöne ist, dass diese großen, nach außen wirksamen Transaktionen immer mehr werden“, betont Hofer und nennt dabei exemplarisch die Beteiligungen beim Seilhersteller Teufelberger oder bei der Neuaufstellung der BusinessCom der Kapsch Group. 

Wertvoller Sparring-Partner

Die Bedeutung von Eigenkapitalfinanzierungen in Österreich sieht Heinrich Schaller generell im Steigen: „Gerade in Zeiten einer Pandemie hat sich das absolut bewährt, denn höhere Eigenkapitalreserven und eine stabile Eigentümerstruktur sind gute Voraussetzungen, um gut durch eine Krise zu kommen. Beteiligungsfinanzierungen in Form von Eigenkapital schaffen für Unternehmen deutlich größeren Freiraum für Expansionen und Weiterentwicklungen.“ Private Equity trägt unternehmerisches Risiko, erhöht die Bonität und somit den strategischen und operativen Handlungsspielraum. „In unserem Fall steht die Raiffeisen Invest Private Equity-Gruppe den Unternehmen auch als wertvoller Sparring-Partner für wichtige Entscheidungen und Investitionen zur Seite“, betont Schaller. Die Invest AG bringt mehr als 25 Jahre Erfahrung mit und hat seit ihrer Gründung über 600 Mio. Euro in mehr als 170 Unternehmen unterschiedlichster Branchen in Form von Eigen- und Mezzaninkapital investiert.

Beteiligungen sind schon lange ein bedeutender Geschäftsbereich für die RLB OÖ. Die Bank hält strategische Standortbeteiligungen in den Bereichen Industrie – etwa mit Voest und Amag – und Immobilien, bei Banken und Finanzinstituten, banknahen Dienstleistern und im Lebensmittelbereich. „Wir kaufen laufend zu und sind dabei das gesamte Portfolio zu verbreitern“, berichtet Reinhard Schwendtbauer, RLB OÖ-Beteiligungsvorstand und Aufsichtsrat der Invest AG. So hat etwa die Vivatis Holding, eine 100 Prozent Tochter der RLB OÖ, im Vorjahr die Mehrheit an Wojnar’s oder den Traditions-Caterer Gerstner übernommen. (Wie sich die Vivatis Holding in der Pandemie geschlagen hat, erklärt der Vorstandsvorsitzende Gerald Hackl in einem seiner raren Interviews.)

Expansionsstrategie im Sektor

„Insbesondere aber im Private Equity-Bereich, wo wir Partner auf Zeit sind, haben wir derzeit das größte Wachstum und wollen auch massiv wachsen“, kündigt Schwendtbauer an. Konkret soll das aggregierte Fondsvolumen in der Raiffeisen Invest Private Equity-Gruppe, zu der neben der Invest AG auch die Fonds OÖ Invest, KMU Invest und Innovation Invest gehören, in den kommenden zwei bis drei Jahren von derzeit 500 Mio. Euro auf 750 Mio. Euro aufgestockt werden. Der Großteil der 250 Mio. Euro werde von den Kernaktionären, der RLB OÖ und den oberösterreichischen Raiffeisenbanken, kommen. Seit kurzem ist aber auch die RLB Steiermark an der Invest AG beteiligt. „Da wir österreichweit mit unserem Private Equity-Vehikel unterwegs sind und uns auch bei steirischen Unternehmen beteiligen, war es eine gute Idee, auch die RLB Steiermark als Investor zu gewinnen. Das passt gut zu unserer Expansionsstrategie. Wir führen auch Gespräche mit anderen Raiffeisenlandesbanken, wo es ähnliche Bestrebungen gibt“, verrät Schwendtbauer. 

Ob die RLB OÖ direkt oder einer der vier Fonds der Raiffeisen Invest Private Equity-Gruppe einsteigt, hängt immer von den Plänen der bisherigen Eigentümer, dem Geschäftsfeld und vom Kapitalbedarf ab. „Bei positiven Sondersituationen wie Expansion, Firmenübernahmen oder Nachfolgelösungen passt eine Beteiligung auf Zeit meist besser. Wenn es zu den Standbeinen der RLB passt, dann wird es eine strategische Beteiligung – wobei hier dem Wunsch der Unternehmer entsprochen wird. Jede Transaktion ist individuell zu beurteilen“, so Schwendtbauer. Durch die Aufstockung des Fondsvolumens im Private Equity-Bereich soll jedenfalls die Anzahl der Beteiligungen steigen. Derzeit versammeln sich unter der Dachmarke 83 Beteiligungen, weitere Unternehmen sind schon in der Pipeline. 

Mehr Vorbilder am Markt

Die Nachfrage nach Eigenkapitalfinanzierungen steigt, weil immer mehr Unternehmen vor einer positiven Sondersituation stehen, die durch einen Kredit alleine nicht zu bewältigen wäre. Schwendtbauer unterstreicht dabei: „Wir sind kein Kriseninstrument, sondern eine bewährte Hilfe für den Mittelstand in Österreich.“ Das Interesse an Private Equity steigt auch aufgrund höherer Bekanntheit. „Die Barriere ist gebrochen. Es gibt sehr viele Vorbilder am Markt, die zeigen, welche Standardsituationen im unternehmerischen Leben man mit Eigenkapital begleichen kann. Diese Erfolgsbeispiele machen den Markt attraktiv und selbst Familienunternehmen verlieren ihre Scheu vor Private Equity-Investoren“, erklärt Gernot Hofer, der seit Jahresbeginn auch die Gesamtkoordination der Raiffeisen Invest Private Equity-Gruppe übernommen hat. 

Neben der wirtschaftlichen Verantwortung für Österreich geht es Raiffeisen Oberösterreich natürlich auch um Zusatzerträge. „Es geht bei allen Beteiligungen darum, dass sie gut rentieren“, erklärt Schwendtbauer. Die Invest AG hat seit ihrer Gründung jedes Jahr „sehr schöne positive Jahresüberschüsse“ erwirtschaftet und wesentliche Beiträge zum Konzernergebnis der RLB OÖ geleistet.  Und auch aktuell ist die Entwicklung der Beteiligungen sehr zufriedenstellend, wie Schwendtbauer erzählt: „Wir sind von der Pandemie derzeit sehr wenig betroffen. Unsere großen Beteiligungen schreiben extrem gute Ergebnisse. Grundsätzlich spiegelt unser Beteiligungserfolg die Wirtschaft und der geht es derzeit gut.“

Regulatorische Verschärfungen

Einige Änderungen für das Beteiligungsgeschäft bringt das Bankenregelwerk Basel IV. „Es ist für uns nach wie vor unangenehm und wir verstehen die höhere Hinterlegungspflicht nicht. Das Positive ist, wir werden trotzdem unsere Beteiligungen weiterführen und vergrößern können. Wir sind im Geschäftsmodell nicht eingeschränkt“, so Schwendtbauer. Anders als im ersten Basel IV-Entwurf gilt ab 2025 – mit fünf Jahren Übergangsfrist – für bestehende Beteiligungen, die in 2025 länger als 6 Jahre gehalten werden, weiterhin 100 Prozent Risikogewicht. Kurzfristige Investments in nicht-börsenotierte Unternehmen sind jedoch mit 400 Prozent zu gewichten. „Beteiligungen mit einem Behaltehorizont von unter drei Jahren werden wir aufgrund der Hinterlegungskosten nur mehr in Ausnahmefällen machen“, erklärt Schwendtbauer. Im Private Equity-Bereich von Raiffeisen OÖ liegt die durchschnittliche Behaltedauer zwischen fünf und zehn Jahren. „Die Idee von Basel IV war, Spekulation auszuschließen, aber spekuliert haben wir ja nie“, so Schwendtbauer. Ganz im Gegenteil, wie Heinrich Schaller betont: „Als führender Private Equity-Investor in Österreich übernehmen wir Verantwortung für den Wirtschaftsstandort und für viele wichtige Arbeitsplätze. Vor diesem Hintergrund wünsche ich mir natürlich, dass steuerrechtliche Rahmenbedingungen erleichtert und auch regulatorische Vorgaben nicht verschärft werden.“

AusgabeRZ08-2022

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