Von der Sparerin zur Investorin

Frauen sorgen noch immer zu wenig für ihre Pension vor. Dabei wäre das finanzielle Ansparen angesichts der längeren Lebenserwartung und der größeren Pensionslücke notwendiger denn je.

Das Thema ist nicht neu, aber trotzdem fehlt vielen das Bewusstsein oder das Verständnis. Will man in der Pension seinen gewohnten Lebensstandard aufrechterhalten, braucht es private Vorsorge. Um die Bedeutung der finanziellen Unabhängigkeit zu betonen und die Möglichkeiten dafür aufzuzeigen, veranstaltete Raiffeisen Wien speziell für Kundinnen einen Informationsabend. An der virtuellen Veranstaltung mit dem Titel „Selbst ist die Frau – Nicht nur in Sachen Geldanlage“ nahmen mehr als 750 Frauen teil. Informiert wurde unter anderem über die aktuelle Wirtschaftslage und die Situation an den Kapitalmärkten, über steigende Inflation und negative Realzinsen, den Gender-Pension-Gap und vieles mehr. Finanzkompetenz zu fördern ist Raiffeisen Wien ein großes Anliegen, wie Alina Brunner, Projektleiterin der Stadtbank, eingangs betont: „Female Financial Education ist noch immer zu wenig in der Öffentlichkeit präsent. Wir wollen einen Beitrag zur Bewusstseinsbildung leisten.“ 

Intensiv mit dem Thema Frauen und Finanzen auseinandergesetzt hat sich Marietta Babos, Gründerin und Managing Director des unabhängigen Finanzberatungsunternehmens Damensache. Ihr Anliegen: Frauen in ein finanziell selbstbestimmtes Leben zu führen. Was es heißt, in Altersarmut zu leben, hat Babos am Beispiel ihrer Mutter hautnah miterlebt. Aufgrund der Erwerbsbiografie und Lebenserwartung müssen Frauen anders sparen und vorsorgen als Männer, betont Babos: „Viele Frauen arbeiten oft in Teilzeit. Mütter erleben einen Karriereknick. Die Scheidungsrate liegt bei 40 Prozent. Und Frauen leben statistisch gesehen um fünf Jahre länger, dabei ist ihr Partner im Schnitt fünf Jahre älter – also müssen sie zehn Jahre alle Kosten alleine stemmen.“ 

Fehlendes Wissen

Eine von Babos durchgeführte Studie, bei der Tiefeninterviews mit mehr als 500 Jungakademikerinnen geführt wurden, kommt zu der Erkenntnis: Nur ein Drittel der Befragten kennt das Drei-Säulen-Modell des österreichischen Pensionssystems mit staatlicher, betrieblicher und privater Vorsorge. „Aber eigentlich kann man gar nicht von Säulen sprechen“, verdeutlicht Babos, denn die Pensionen der Frauen kommen zu 90 Prozent aus der gesetzlichen Pension. Betriebliche Vorsorge steuert 4 Prozent bei und die private Pension macht 6 Prozent aus. Als Vorbild gilt hier die Schweiz, wo das Verhältnis von gesetzlicher Pension (40 Prozent), betrieblicher (35 Prozent) und privater Vorsorge (25 Prozent) nahezu ausgewogen ist. 

Dass die gesetzliche Pension in Österreich in Zukunft weiter schrumpfen wird, liegt am heimischen Umlageverfahren und an der steigenden Lebenserwartung. Das Dilemma: Immer weniger Erwerbstätigen stehen immer mehr Pensionisten gegenüber. Wie hoch die eigene staatliche Pension ausfallen wird, kann seit einigen Jahren im Pensionskonto eingesehen werden. Wie die Damensache-Studie zeigt, schätzen Frauen ihren Pensionsanspruch zu hoch ein. Im Schnitt liegt die reale Nettopension bei Frauen knapp über 1.000 Euro, bei Männern sind es 1.700 Euro. „Eine klare Folge der Teilzeitarbeit“, erklärt Babos. 

„Frauen sollten nicht nur zu sparen beginnen, sondern investieren.“

Mariette Babos

Aber wie können Frauen nun gegensteuern? Marietta Babos berät ihre Kundinnen sehr konkret: Die Notreserve sollte das Drei- bis Sechsfache der monatlichen Fixkosten ausmachen. Der zweite Baustein betrifft das Sparen für mittelfristige Finanzziele wie Konsum. Zur Absicherung des Lebensstandards im Alter braucht es einen langfristigen Vermögensaufbau. „Frauen sollen aber bitte nicht nur zu sparen beginnen, sondern investieren“, plädiert Babos. Als Richtwert sollten zwischen 10 und 15 Prozent des Nettoeinkommens für die Pensionsvorsorge investiert werden. „Und wenn ein Kind kommt, sollte man die private Vorsorge keinesfalls stoppen, sondern rein mathematisch sogar erhöhen“, so Babos. Ab einem Veranlagungshorizont von fünf Jahren sollten auch Frauen im höheren Alter nicht vor den Kapitalmärkten zurückschrecken. 

Wie wichtig Investieren ist, weiß Sylvia Hofbauer, Gruppenleiterin des volkswirtschaftlichen Service im Treasury der Raiffeisenlandesbank NÖ-Wien: „Wir müssen uns auf eine nachhaltig höhere Inflation einstellen. Auch wenn wir bis Jahresende mit ersten Zinsschritten der Notenbanken rechnen, das Sparbuch wird es gegen die Inflation nicht richten.“ Wenn man also die Inflation von den Zinsen abzieht, entsteht ein echter Kaufkraftverlust. Das gilt aber nicht nur für Sparbücher, sondern auch die Renditen österreichischer Staatsanleihen können die Inflation nicht schlagen. „Ein Vermögensaufbau wird immer schwieriger. Aus der langjährigen Sicht führt an einer Aktienveranlagung kein Weg vorbei“, so Hofbauer. Die Aktienmärkte haben zwar heuer schon Korrekturen aufgrund der Zinserhöhungserwartungen und einen Einbruch am Beginn des Ukraine-Kriegs erlebt, haben sich aber wieder rasch nach oben entwickelt und viele Indizes ihr Niveau von vor Kriegsausbruch wieder erreicht. 

Viele Möglichkeiten zur Vorsorge

Welche Investitionsmöglichkeiten an den Kapitalmärkten zur Verfügung stehen, darüber informierten Ingrid Szeiler, Chief Investment Officer der Raiffeisen KAG, und Heike Arbter, Vorstandsdirektorin der Raiffeisen Centrobank. Eines schickt Szeiler gleich vorweg: „Auch wenn Frauen anders vorsorgen, an den Kapitalmärkten gilt für Frauen und Männer das Gleiche: Langfristigkeit und breite Streuung.“ Ein monatliches Ansparen in Fonds bietet über einen längeren Zeitraum gute Ertragschancen über der Inflation. Je näher zur Pension desto risikoärmer sollte die Veranlagung sein. Das gilt für alle, deshalb habe die Raiffeisen KAG schnell den Gedanken verworfen, eigene Produkte für Frauen zu gestalten – so wie es andere Geldhäuser anbieten.

Auch Heike Arbter findet: „Die Produkte sind da, aber es braucht eine verstärkte Kommunikation.“ Etwa mit dem Thema Nachhaltigkeit ließen sich Frauen sehr gut ansprechen. Laut Marietta Babos wollen 80 bis 90 Prozent ihrer Kundinnen nachhaltig anlegen. Dieser Trend habe sich in der Pandemie noch verstärkt. Das Volumen bei den nachhaltigen RCB-Zertifikaten hat sich seit 2019 vervierfacht. Rendite und Nachhaltigkeit schließen einander nicht aus, deshalb ist auch die Raiffeisen KAG dabei, ihre Fondspalette auf Nachhaltigkeit umzustellen. 

„Die Mischung ist das Relevante“, betont Arbter und Zertifikate sollten dabei in jedes Portfolio. Strukturierte Wertpapiere mit Kapitalschutz sind dabei ein gutes Veranlagungsinstrument für jene, die die Schwankungen an den Aktienmärkten nicht mitmachen wollen. Dabei ist es auch möglich, monatlich mit Zertifikaten anzusparen.

Generell gehe bei Frauen die Sicherheit vor. Das Sparbuch und der Bausparer stehen hoch im Kurs. Ingrid Szeiler erklärt sich diese Situation mit fehlendem Wissen und Unsicherheit über Wertpapiere: „Der Wissensbedarf ist sehr hoch. Wertpapierveranlagung ist ein wesentliches Thema und man kann nicht früh genug anfangen.“

AusgabeRZ14-2022

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