Wenn ich die Menschen an der Strecke sehe, weiß ich, ich bin langsam. Mit Tunnelblick bin ich schnell“, erklärt Valentina „Vali“ Höll. Der Gradmesser für die Gesamtweltcupsiegerin im Downhill klingt simpel. In der vergangenen Saison war die Salzburgerin jedenfalls oft mit Tunnelblick unterwegs. „Dass ich in meiner ersten Elitesaison gleich den Gesamtweltcup gewinne, war zwar mein Ziel, aber trotzdem unerwartet. Das passiert normalerweise nicht in der ersten Saison“, erklärt die junge Pinzgauerin.
Und tatsächlich war der Saisonstart im Vorjahr alles andere als optimal. Bei ihrem ersten Elite-Weltcup in Leogang hat Vali Höll zwar die Qualifikation gewonnen, im Rennen ist sie dann aber in der letzten Kurve gestürzt. Auch beim zweiten Rennen ist sie von der Strecke geflogen und in ein „mentales Down“ gerutscht. „Letztes Jahr war eine unglaubliche Achterbahnfahrt. Ich habe immer extrem gute Qualis gehabt, aber die Rennläufe waren weniger gut. Erst Ende der Saison habe ich wieder Fahrt aufgenommen, weil ich mir gesagt habe, ich muss mir nicht so einen großen Druck machen und auch noch keine Rennen gewinnen. Dann habe ich wieder Spaß gefunden und die Resultate sind besser geworden.“ Letztendlich hat es für den Gesamtweltcup gereicht.
Rockstar-Feeling für Vali Höll in Lourdes
Spaß hat die 20-Jährige auch beim diesjährigen Saisonauftakt in Lourdes gehabt. Nach einer trainingsintensiven Offseason in Frankreich war es für sie überhaupt das erste Weltcup-Rennen vor Publikum. „In Frankreich waren wahnsinnig viele Fans – 40.000 Zuschauer im Nirgendwo. Da fühlt man sich ein bisserl wie ein Rockstar, das ist cool.“ Wieder hat sie die Qualifikation klar gewonnen – mit der besten Zeit des gesamten Weltcup-Wochenendes –, ist dann aber knapp am Stockerl vorbeigefahren und hat mit 1,6 Sekunden Rückstand den vierten Platz belegt. „Als Letzte am Start, da habe ich plötzlich Leogang-Flashbacks gehabt und bin deshalb sehr sicher gefahren. Top 3 wäre schon drin gewesen“, ärgert sich Höll.
Dass sie mit 20 Jahren bereits zu den Top-Favoritinnen zählt, gibt ihr aber auch ein wenig Gelassenheit. Denn die anderen Spitzenläuferinnen sind mehr als 10 Jahre älter als sie. Gleichzeitig sei es ein komisches Gefühl, mit ihren Idolen in der gleichen Liga zu fahren. „Wenn ich sie sehe, werde ich nervös und traue mich gar nicht mit ihnen zu reden, weil sie für mich noch immer die Superstars sind.“
An Erfahrung mangelt es der jungen Athletin jedenfalls nicht, denn Höll hat sehr früh das Mountainbiken für sich entdeckt. Schon mit drei Jahren hat sie an Radrennen teilgenommen. Gemeinsam mit ihren Eltern hat sie dann das Freeriden entdeckt, also mit der Seilbahn hinauf und mit dem Rad hinunter. „Gehen hat mich nie interessiert, dafür war ich zu faul, deshalb war für mich das Bergabfahren der perfekte Sport. Es ist ein bisserl wie Skifahren“, erklärt Höll.
Richtiges Setup für den Sieg
Wer allerdings glaubt, dass Bergabfahren nicht anstrengend ist, der irrt. Wie beim Skifahren braucht es viel Schnell- und Maximalkraft. Hinzu kommen Einheiten auf dem Rennrad, also Ausdauertraining. „Man sitzt ja nicht nur drauf, sondern sprintet, pushed und bewegt sich die ganze Zeit. Es ist genauso wie Skifahren, nur doppelt so lange“, so die Sportlerin. Ein Rennlauf dauert zwischen drei bis fünf Minuten. Neben der Fitness zählen mentale Stärke und natürlich auch das richtige Bike-Setup und die Fahrtechnik.
„Man ist die ganze Zeit sehr am Limit. Man muss einfach die feine Linie zwischen Hopp und Flop finden.“ Mut und Risikobewusstsein muss man also auch mitbringen. „Adrenalin ist schon sehr nice.“ Bis zu ihrer ersten gröberen Verletzung ist Höll unbekümmert an den Start gegangen und hat sich wenig Gedanken über Risiken gemacht. Heute ist das anders: „Aber ich finde es gut, wenn man Respekt hat, dann ist man richtig fokussiert. Angst darf man allerdings keine haben.“
Für die heurige Saison hat sich Vali Höll jedenfalls wieder viel vorgenommen: Die Wiederholung des Gesamtweltcupsiegs, aber auch ein WM-Titel – Ende August in Les Gets in Frankreich – „wäre cool, denn dann bekommt man so ein lässiges Rainbow-Jersey“. Und natürlich hat sie auch mit ihrem Heimweltcuprennen in Leogang, von 10. bis 12. Juni, noch eine Rechnung offen. Bei der Heim-WM vor zwei Jahren hat sich Vali Höll verletzt und im Vorjahr ist sie kurz vor dem Ziel gestürzt. „Ich komme dem Ziel immer näher. Wenn ich heuer stürze, dann hoffentlich erst nach der Ziellinie“, witzelt Höll. Die Strecke kennt sie jedenfalls in- und auswendig und sie freut sich schon auf die Party danach mit ihren Freunden und der Familie.
Gesponserte Nachwuchsarbeit
Eng verbunden ist die Pinzgauerin nicht nur mit ihrer Region, sondern auch mit ihrer Hausbank, der Raiffeisenbank Saalbach-Hinterglemm-Viehhofen. Seit der Vorwoche wird Vali Höll von Raiffeisen gesponsert. Dabei geht es nicht nur um das Giebelkreuz am Trikot, sondern um viel mehr: „Wir wollen das Biken in Saalbach populärer machen und etwa zum Weltspartag einen Radtag für Kinder veranstalten. In Österreich gibt es so viele schöne Strecken, aber es ist extrem wenig Nachwuchs da.“ So wie sie von ihren Top-Heros inspiriert wurde, möchte also auch Höll andere Kinder für das Mountainbiken begeistern. Das ist auch eines ihrer langfristigen Ziele. „Man kann den Sport ja nicht ewig machen“, deshalb denkt Vali Höll bereits an die Zeit danach. Davor will Höll aber jedenfalls noch viele Titel holen – ein Traum wäre auch Olympia, aber dazu muss Downhill erstmals als Disziplin aufgenommen werden. „Ich bin noch jung, das geht sich aus“, ist Höll zuversichtlich.