„Es ist sehr viel im Fluss“

Für Fondsgesellschaften war das Jahr 2022 nicht einfach. Warum die Kepler-Fonds KAG die stärksten Nettozuflüsse erzielte, Fondssparen weiterhin boomt und man künftig stärker auf künstliche Intelligenz setzt, das erklärt Geschäftsführer Andreas Lassner-Klein.

Die Zinsen steigen, ist der Rückenwind für die Wertpapierveranlagung damit nun vorbei?
Andreas Lassner-Klein: Wir haben eine spannende Situation an den Kapitalmärkten. Der Jahresbeginn war sehr positiv, der Februar wieder durchwachsener, und jetzt haben wir gerade wieder eine neue Situation: Die Zinsen sind zuletzt angestiegen, aber durch die Bankenvorfälle in den USA und in der Schweiz sind die Zinsen wieder relativ stark gefallen. Ob und wie sich das auf die geplanten Leitzinserhöhungen auswirkt, ist offen. Die EZB hatte, wie vor den Bankenvorfällen erwartet, um 50 Basispunkte erhöht und auf die viel bessere fundamentale Situation des Banken- und Finanzsystems hingewiesen. Generell sind Anleihefonds so attraktiv wie schon lange nicht. Wir haben wieder attraktive Renditen zum Einsteigen, dadurch sehen wir erstmals seit vielen Jahren wieder große Zuflüsse im Anleihenbereich. 

Wie hat sich die Kepler-Fonds KAG im Jahr 2022 entwickelt? 
Lassner-Klein: Die gesamte Branche hat gelitten, weil die Kurse teils zweistellig eingebrochen sind. Auch wir haben etwa 12 Prozent unseres Volumens durch Kursverluste eingebüßt, waren damit aber besser als der Gesamtmarkt, der über 13 Prozent verloren hat. Wenn man weg von der Kursbetrachtung geht und sich die Nettozuflüsse anschaut, dann haben wir sogar 350 Millionen Euro plus gehabt, damit waren wir die beste KAG in Österreich. 

Wie hat man es geschafft, diese Nettozuflüsse zu erzielen? 
Lassner-Klein: Wir sind und waren sehr nahe beim Kunden. Wenn Kursrückgänge am Markt auftreten, dann ist es immer gut, den Kunden zu erklären, dass das keine Fehleinschätzung unsererseits ist, sondern dass es am Markt liegt. Das ist goutiert worden, sodass sogar Zuflüsse gekommen sind – zu einem Drittel aus dem Privatkundengeschäft und zu zwei Drittel aus dem Großkundengeschäft. 

Welche Fonds wurden besonders nachgefragt? 
Lassner-Klein: ESG ist das große Thema. Unser Umwelt-Aktienfonds, der sich auf das Thema nachhaltige Energiestrategie konzentriert, und unser „Ethik Mix Ausgewogen“, ein gemischter Fonds unter ESG-Aspekten, haben im Privatkundenbereich die größten Zuflüsse gehabt. In Summe sind 6,6 Mrd. Euro von unseren 17 Mrd. Euro mittlerweile nachhaltig veranlagt. 

Viele KAGs stellen bestehende Fonds auf Nachhaltigkeit um. Machen Sie das auch?
Lassner-Klein: Wir haben ein starkes organisches Wachstum, weil wir bereits seit dem Jahr 2000 ethische Produkte managen. Es hat bei uns eine lange Historie – beginnend mit kirchlichen Vertretern und langsam hin zum Massengeschäft. Von den 6,6 Mrd. Euro ist aber auch ein Teil umgewidmet worden. Wir haben gewisse Fonds klassifiziert, die sich mit gutem Gewissen auch ethisch managen lassen, ohne sie nur grün anzufärben. In der Branche gibt es viele, die aufgrund der strengen Vorgaben der Aufsicht wieder zurückgewidmet haben. Das haben wir nie gemacht. 

Wie haben sich im Vorjahr die Fondssparer bei Raiffeisen OÖ verhalten?
Lassner-Klein: Als die Krise im vorigen Jahr am schlimmsten war, hat es durchaus Fälle gegeben, wo die Ansparung pausiert wurde, aber die Anleger haben sie nicht storniert. Pausieren ist natürlich nicht schlau, denn gerade wenn die Kurse volatil sind und fallen, macht es Sinn, einen Vermögensaufbauplan zu haben, weil man mehr Anteile um sein Geld bekommt. Wir haben bei Kepler rund 100.000 Ansparpläne aus Oberösterreich, und monatlich fließen zirka 16 Mio. Euro von den Ansparplänen zu. Wir forcieren das Thema stark, gerade bei Jugendlichen. 

Fondssparen ist eine Möglichkeit, in den Kapitalmarkt hineinzuschnuppern und Erfahrungen zu sammeln.

Andreas Lassner-Klein

Für viele ist das Fondssparen der Einstieg in die Wertpapierveranlagung. Was macht Fondssparen so attraktiv? 
Lassner-Klein: Ein Vorteil ist der Cost-Average-Effect, wo man geglättet kauft. Es ist für Jugendliche ein tolles Instrument, weil man einfach über lange Zeiträume mit entsprechender Aktiengewichtung wirklich etwas ansparen kann. Und es ist eine Möglichkeit, in den Kapitalmarkt hineinzuschnuppern und Erfahrungen zu sammeln. Ein Pluspunkt ist auch die Flexibilität: Man kann die Beträge variieren, mal aussetzen oder erhöhen. 

Wie viel Potenzial sehen Sie im Fondsgeschäft noch? 
Lassner-Klein: 54 Prozent des Wertpapiervolumens bei Raiffeisen OÖ sind in Fonds veranlagt, das ist eine sehr hohe Fondsdurchdringung. Ungefähr 17 Prozent aller Kunden in OÖ haben ein Wertpapierdepot, das ist die höchste Depotdurchdringung im Bundesländervergleich. Im Bundesschnitt sind es bei Raiffeisen rund 14 Prozent. Mit diesen Zahlen erkennt man das Potenzial. 

Was bräuchte es, um noch mehr Privatkunden für die Fondsveranlagung zu begeistern? 
Lassner-Klein: Wir tun schon extrem viel dafür. Das beginnt bei Beraterschulungen, wir haben viele Veranstaltungen, machen Videos, kooperieren mit Medien und reden über unsere Interessenvertretung mit dem Gesetzgeber, dass man geförderte Produkte auf den Markt bringt. Wir hoffen, dass es auch in den Schulen ein größeres Thema wird. Das Kapitalmarkt-Know-how ist noch immer zu wenig ausgeprägt. 

Auch mit KI wird die Letztentscheidung immer der Mensch treffen.

Andreas Lassner-Klein

Die Attraktivität steigt auch mit der Performance, die war im Vorjahr nicht rosig. Ab welchem Veranlagungszeitraum sind die Performancezahlen nun herzeigbar?
Lassner-Klein: Vor einem Jahr hat die Performance lang-, mittel- und kurzfristig noch viel besser ausgeschaut, aber selbst jetzt: Wenn ich unseren global breit gestreuten Risk-Select Aktienfonds hernehme, hat er in den letzten 10 Jahren 7,5 Prozent per anno erzielt. Oder ein klassischer Rentenfonds – wie unser Europa-Rentenfonds – hat seit Start der KAG vor 25 Jahren 3,2 Prozent pro Jahr erreicht. 

Sie arbeiten ja stark mit Behavioral Finance – also Marktpsychologie. Welche Signale sind hier erkennbar? 
Lassner-Klein: Seit 2009 liefert uns Professor Teodoro Cocca von der Uni Linz dahingehend Signale. Die letzte Sitzung war erst vor Kurzem, allerdings vor diesem Event mit der SVB und der Credit Suisse, und da gab es keine Signale in die eine oder andere Richtung. Ein neutrales Bild, das also keinen Einfluss auf unsere Positionierung gehabt hat. Es ist unglaublich wichtig zu wissen, was von der verhaltensökonomischen Seite kommt, um eine gute Asset Allokation-Entscheidung treffen zu können. Behavioral Finance ist bei uns eine von drei Säulen, neben Makroökonomie und Bewertungskennzahlen. Neuerdings arbeiten wir auch mit der Fachhochschule Hagenberg und Professor Ulrich Bodenhofer zusammen, wo es um das Thema Artificial Intelligence, kurz AI, geht. Denn künstliche Intelligenz wird in unserer Branche immer mehr ein Megathema. 

Wie kann man künstliche Intelligenz im Fondsmanagement nutzen?
Lassner-Klein: Wir versuchen mit Hilfe von Algorithmen Muster zu erkennen und die großen Datenmengen zu strukturieren und zu analysieren, damit der Fondsmanager anhand dieser Ergebnisse noch bessere Entscheidungen treffen kann. Die Letztentscheidung wird aber immer der Mensch treffen.

AusgabeRZ12-2023

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