Im Zuge des zweitägigen Raiffeisen Next Camps, organisiert vom Raiffeisen Campus, erhielten Mitarbeiter und Funktionäre aus ganz Österreich sowie spartenübergreifend aus dem Bankensektor und der Ware die Möglichkeit, sich über das Thema Genossenschaft auszutauschen. Ziel des Workshops war es, Möglichkeiten zu finden, auch jüngere Generationen für das Thema zu begeistern und Wege zu erarbeiten, die Genossenschaftsidee als Genossenschaftsbotschafter nach außen zu tragen. Es geht also darum, „die jungen Leute vor den Vorhang zu holen“, fasst Manuel Hanselmann vom Kompetenzzentrum Genossenschaft im Österreichischen Raiffeisenverband (ÖRV) zusammen.
Eine von Raiffeisen durchgeführte, repräsentative Studie zeigte, dass es in diesem Bereich durchaus noch Aufholbedarf gibt. Zwar geben 45 Prozent der Befragten bzw. 65 Prozent der unter-35-Jährigen an, es handle sich bei Genossenschaften um etwas Positives, mit Raiffeisen wird dies jedoch kaum assoziiert. Ein Grund mehr, so Hanselmann, Genossenschaftsbotschafter in den Regionen einzusetzen, um die Genossenschaftsidee von Raiffeisen wieder vermehrt in das Bewusstsein der Bevölkerung zu bringen.
Einen geschichtlichen Ausflug bot anschließend Christian Pomper vom Raiffeisen-Revisionsverband NÖ-Wien und nahm die Teilnehmer mit auf eine Zeitreise in das Jahr 1844, dem Gründungsjahr der ersten funktionierenden Genossenschaft. Entstehend aus einer Notsituation – der Armut zu Zeiten der industriellen Revolution – schlossen sich 28 Flanellweber, heute bekannt als die redlichen Pioniere von Rochdale, zusammen und gründeten eine Konsum- und Spargenossenschaft. Beeindruckend sei, so Pomper, dass in der Satzung aus dem Jahr 1844 „alles drinsteht, das auch heute in der Satzung enthalten ist“. Die Grundwerte einer Genossenschaft sind also auch nach 179 Jahren dieselben.
Heute gibt es weltweit rund 3 Mio. Genossenschaften mit 1,3 Mrd. Mitgliedern und 300 Mio. Mitarbeitern. Somit bezieht rund 10 Prozent der arbeitenden Bevölkerung Gehalt aus Genossenschaften. Nicht ohne Grund nennt Christian Pomper Genossenschaften daher „das kleine Schwarze unter den Rechtsformen“, handle es sich doch um eine Rechtsform, die für viele verschiedene wirtschaftliche und soziale Gelegenheiten passt.
Auch ÖRV-Generalsekretär Johannes Rehulka ist überzeugt davon, dass die genossenschaftliche Idee zeitlos ist. „Leute tun sich zusammen, krempeln die Ärmel auf und nehmen ihr Schicksal selbst in die Hand“, so Rehulka und bezieht sich damit nicht zuletzt auf die Energiegenossenschaften, die ebenso aus einer Notsituation entstanden sind.
Raiffeisen Next: Erfolgreiche Praxisbeispiele
Wie innovative Genossenschaftsprojekte aktuell aussehen können, zeigten die Schülergenossenschaft der HLBLA St. Florian sowie die am 30. Mai neu gegründete Wirtshausgenossenschaft in Hochneukirchen. Die Schüler der Agrarschule stellten im Rahmen des Raiffeisen Next Camps ihre Genossenschaft persönlich vor. Begonnen hat das Projekt vor rund zwei Jahren mit einem Hühnerstall, der von den Schülern betreut wird. Die gelegten Eier der 19 Hühner werden an schulinterne Personen verkauft und das Geld in neue Projekte wie eine Schülerjause weiter investiert. Mittlerweile hat die Genossenschaft rund 100 Mitglieder, die damit außerhalb des Unterrichts lernen, aktiv mit Geld umzugehen und Projekte zu planen.
Österreichweite Bekanntheit erreichte Thomas Heissenberger, Bürgermeister von Hochneukirchen, mit seinem neuen Geschäftsmodell. Um gegen das Wirtshaussterben in der Gemeinde vorzugehen, wurde vor eineinhalb Jahren mit der Projektplanung der Wirtshausgenossenschaft begonnen. Seither haben rund 600 Personen 1.406 Anteile vorregistriert. Im Spätherbst soll das Gasthaus mit dem Namen „s’Hutwisch“ eröffnet werden.
„Genossenschaften sind ein Demokratielabor“, ist Christian Pomper überzeugt. Daher machten sich die Teilnehmer am Folgetag auf den Weg in das neu sanierte Parlamentsgebäude, wo Abgeordneter zum Nationalrat Nico Marchetti sein Wissen zur Verfügung stellte. Zurück am Raiffeisen Campus warteten zum Abschluss ein Vortrag zum Thema Nachhaltigkeit mit Unternehmer Josef Obergantschnig und ein Medientraining mit Social-Media-Experte Robert Seeger auf die Genossenschaftsbotschafter.