Sie haben im Jänner Ihre 13. Saison auf der European Tour und die insgesamt 16. als Profigolfer gestartet. Wie bewerten Sie den Faktor Routine? Auf der einen Seite macht er einen gelassener, auf der anderen geht womöglich der jugendliche Elan etwas verloren.
Bernd Wiesberger: Den Kick sollte man sich erhalten, unabhängig davon, ob man Profisportler ist oder nicht. Für mich gilt generell: Wenn man etwas erreichen will, braucht man Begeisterung, Elan und Ausdauer, und zwar in positiven wie in schwierigen Zeiten. Ich bin einer, der immer noch sehr gerne professionelles Golf spielt, sich mit dem Platz, den Umständen, den Witterungsbedingungen auseinandersetzt. Das gibt mir die nötige Energie, es auch noch im 16. Jahr zu machen.
Sind Sie heute ein ganz anderer Golfer als vor 16 Jahren? Hat sich Ihr Spiel stark verändert?
Wiesberger: In den Grundzügen meines Golfs weniger, aber dafür in der Souveränität in manchen Bereichen. Man durchläuft über die Jahre einen Prozess, in dem man danach strebt, sein Spiel zu verfeinern, zu stabilisieren und auch mit einem positiven Ansatz in die Turniere zu gehen. Man baut über die Jahre eine gewisse Selbstverständlichkeit auf.
Bei Ihren ersten drei Turnieren des Jahres kamen Sie auf die Ränge 12, 24 und haben einmal den Cut verpasst (Anm.: nach zwei von vier Tagen halbiert sich das Feld). Hätte es da etwas mehr sein können?
Wiesberger: (lacht) Es kann immer etwas mehr sein. In den Vereinigten Arabischen Emiraten ist es mir zum ersten Mal nach zwei Jahren wieder passiert, dass ich den Cut verpasst habe, das war eine lange Zeit mit weißer Weste. Da war nach zwei anstrengenden Wochen die Luft etwas raus, der Kurs kam mir auch nicht entgegen. Ich habe mittlerweile 270 Turniere auf der World Tour gespielt, davon acht gewonnen – da ist also öfter Luft nach oben. Es haben aber auch viele Dinge gut geklappt, mit denen ich sehr zufrieden war.
Ziel ist immer, unter die Top 50 der Weltrangliste zu kommen, weil damit ein automatisches Startrecht für viele große Turniere verbunden ist. Aktuell sind Sie auf Rang 68. Wie steinig ist der Weg?
Wiesberger: Ein gutes Ergebnis in Südafrika würde schon helfen (Anm.: Das Interview wurde kurz vorher geführt, Wiesberger wurde 57.) Die Turniere, bei denen es die meisten Punkte gibt, sind in Amerika, da habe ich zuletzt einige Einladungen leider nicht bekommen. Das war etwas frustrierend. Ich habe dann meinen Turnierplan adaptiert und schaue, dass ich die kommenden Turniere so gut wie möglich absolviere, um meine Ziele – Austin und Augusta – noch zu erreichen.
Vergangenes Jahr war der Ryder Cup – der Kontinentalkampf zwischen Europa und den USA – das große Highlight. Gibt es auch für diese Saison übergeordnete Ziele?
Wiesberger: Der Ryder Cup war schon einige Jahre mein großes Ziel, auch wenn ich es nicht immer offensiv kommuniziert habe. Aber auch heuer gibt es einiges: Ich möchte bei allen vier Major-Championships dabei sein, genug Punkte für das Masters sammeln. Worauf ich mich sehr freue, sind die Open in St. Andrews (Anm.: legendärer Golfplatz in Schottland). Das Turnier findet heuer zum 150. Mal statt, das wird ein ganz besonderer Event. Langfristig ist mein Ziel, wieder an Fahrt zu gewinnen, um mich in der Weltrangliste wieder nach oben orientieren zu können.
„Der Job lautet: Spiele gewinnen.“
Bernd Wiesberger
War der Ryder Cup genau so genial, wie Sie es sich vorgestellt hatten?
Wiesberger: Jein! Schade war die Abstinenz der europäischen Fans aufgrund der Pandemie. Die nicht im Rücken zu haben, hat etwas wehgetan. Ansonsten war es so wie gedacht. Wenn man erstmals dabei ist, wird man von der Tragweite des Events getroffen. Ich habe versucht, so viel wie möglich für mich persönlich mitzunehmen, aber gleichzeitig auch von mir wegzuschieben, um mich auf den eigentlichen Job in dieser Woche konzentrieren zu können. Und der lautet: Spiele gewinnen.
Das Ergebnis war aus europäischer Sicht mit 9:19 eher ernüchternd. Spielt das in der Rückschau eine große Rolle oder ist das Event an sich um so viel größer?
Wiesberger: Im Endeffekt ist es egal, ob du mit einem Punkt verlierst oder klar. Das hatten wir uns so natürlich nicht vorgestellt. Es war aber am Papier deutlicher, als es sich am Platz angefühlt hat, viele enge Partien liefen am Ende zu unseren Ungunsten. Es hat aber Gusto auf mehr gemacht. Im September ist Quali-Start für die Auflage 2023, ich werde alles daransetzen, wieder Teil des Teams zu sein.
Sie haben acht Turniersiege gefeiert, waren bei so vielen Highlights des Golfes dabei. Gibt es für Sie noch „das“ übergeordnete Karriereziel?
Wiesberger: (überlegt) Ich durfte Österreich vertreten, als Golf nach 100 Jahren wieder olympisch wurde, hab als erster Österreicher alle vier Majors gespielt, war beim Ryder Cup dabei, bei WGC-Turnieren (World Golf Championships). Alles was man an großen und imposanten Turnieren spielen kann, habe ich abgehakt. Was noch nicht abgehakt ist: Bei einem riesigen Turnier einen Sieg mitzunehmen. Das wäre ein Traum, den ich mir gerne noch erfüllen würde.
Sie sind seit Jahren das Aushängeschild des österreichischen Golfs. Kürzlich hat Sepp Straka mit dem Sieg beim Honda Classic für Schlagzeilen gesorgt. Freut man sich da für den Landsmann oder beobachtet man die Konkurrenz auch etwas argwöhnisch?
Wiesberger: (lacht) Nein, überhaupt nicht, ich freue mich für Sepp. Auch wenn ich mit ihm bis jetzt nicht so viel zu tun hatte. Ich habe ihm gratuliert, obwohl ich das Turnier gar nicht im Fernsehen gesehen habe. Ich schaue mir prinzipiell keine Golfturniere im TV an. Solche Ergebnisse helfen einem kleinen Golfland wie Österreich und sorgen dafür, dass die Community weiter wächst. Das ist das Wichtigste.
Von Ihren 16 Jahren als Golfprofi ist Raiffeisen 14 Jahre als Partner an Ihrer Seite. Ungewöhnlich in schnelllebigen Zeiten wie diesen. Können Sie sich noch an die Anfänge erinnern?
Wiesberger: Das war im zweiten Jahr meiner Challenge-Tour, wir hatten ein Turnier beim GC Adamstal. Mein damaliger Coach kannte den damaligen RZB-Chef Leo Pruschak und hat mich bei ihm als Ambassador für Golf empfohlen. Wenn man die Sportlandschaft in Österreich kennt, weiß man, dass Raiffeisen sehr bedacht und exklusiv seine Partner auswählt. Dementsprechend froh war ich, als es das Agreement gab. Ich bin auch heute noch stolz, dass mir sowohl Leo Pruschak als auch heute Petra Walter dieses Vertrauen schenken und ich Raiffeisen in Österreich und Europa vertreten darf.