„Die Marke muss Emotionen wecken“

Leodegar Pruschak war 39 Jahre bei Raiffeisen, 26 Jahre davon Geschäftsführer der Zentralen Raiffeisenwerbung (ZRW) und seit 2017 zudem Leiter RBI Group Marketing. Er war damit maßgeblich für den Markenauftritt von Raiffeisen in Österreich und in den Ländern der RBI-Netzwerkbanken verantwortlich. Mit Ende Juni wurde der Marketing-Profi, der im Jahr 2020 vom Fachmagazin „Extradienst“ zum besten Marketing-Manager des Jahrzehnts gewählt wurde, in den Ruhestand verabschiedet.

Leodegar Pruschak und Marcel Hirscher hinter den Kristallkugeln des ehemaligen Skirennläufers.
Stolz präsentieren Leodegar Pruschak und Marcel Hirscher die acht Kristallkugeln und zwei WM-Medaillen des Skistars. (c) GEPA Pictures/Raiffeisen

Mit Ihrer Pensionierung geht eine Ära im Marketing für Raiffeisen zu Ende. Was waren Ihre größten Meilensteine?
Leodegar Pruschak: Im Mittelpunkt meiner beruflichen Tätigkeit standen immer die Positionierung der Marke und der dazu passende unverwechselbare Marken- bzw. Werbeauftritt. Jeder in Österreich sollte eine klare Vorstellung haben, wofür Raiffeisen steht, welche die spezifischen Erfolgsmuster der Bank und ihre charakteristischen Unternehmensleistungen sind. Mein persönliches Ziel war es dazu beizutragen, dass Raiffeisen die stärkste und attraktivste Bankmarke mit der erfolgreichsten Werbung ist. Als ich die Marketingverantwortung übernommen habe, lagen wir bei den Werbewerten nur an dritter Stelle mit 20 Prozent Werbeerinnerung. Seit damals steigerten wir die Werbewerte stetig auf über 50 Prozent mit einem Spitzenwert von 59 Prozent. Durch konsequentes Markenmanagement ist es gelungen, dass Raiffeisen heute mehr als jede andere Bank für Kundennähe, Verlässlichkeit, Sicherheit, Partnerschaft und regionale Verantwortung steht. Wir haben die Markenwerte analysiert, die Erfolgsbausteine von Raiffeisen definiert und dazu Markenleitlinien entwickelt. Diese schafften ein gemeinsames einheitliches Verständnis und dienten Führungskräften und Mitarbeitern als Anleitung für den Umgang mit der Marke im Tagesgeschäft. 

Worauf sind Sie besonders stolz?
Pruschak: Zu einer guten Markenführung gehört auch der einheitliche Markenauftritt. Als ich Anfang der 1980er-Jahre zu Raiffeisen kam, war der Auftritt von Raiffeisen sehr vielfältig. Damals haben viele das Giebelkreuz nach ihrem eigenen Geschmack gestaltet. Aber Fakt ist: Kraftvolle Marken treten einheitlich und durchgängig auf. Mir wurde schnell klar, dass Raiffeisen eine einheitliche Wort-Bild-Marke braucht. Und so ist es zum Giebelkreuz-Logo in Gelb-Schwarz gekommen. Gelb ist eine positiv stimmende, aufmerksamkeitsstarke Farbe, die der Marke mehr Prägnanz verleiht. So konnte die Werbefarbe Gelb etabliert werden – bis hin zum „berühmten“ gelben Helm von Hermann Maier, der zum Symbol für Erfolg im Sport wurde. In der Vereinheitlichung des Marken-Erscheinungsbildes ist viel gelungen – und das nicht nur in Österreich, sondern auch in Zentral- und Osteuropa, wo heute das gelb-schwarze Giebelkreuz zu den bekanntesten Markenzeichen gehört. 

Einer Ihrer Leitsätze lautet „Die Marke muss glänzen“. Das tut die Marke Raiffeisen zweifelsohne, ist sie doch seit Jahren die Nummer 1 in der Bankenwerbung. Worauf führen Sie diesen Erfolg zurück?
Pruschak: Wirkungsvolles Markenmanagement erfordert eine eigenständige, unverwechselbare, relevante und glaubwürdige Kommunikation. Ende der 80er-Jahre war spürbar, dass Raiffeisen einen gemeinsamen, verbindenden Werbeauftritt benötigt. Nach eingehendem Briefing und einer Wettbewerbspräsentation entstand die Kampagne „Mein Land. Meine Bank“. Sie entsprach dem Selbstverständnis von Raiffeisen als regionale Bankengruppe mit gesellschaftlicher und wirtschaftspolitischer Verantwortung. Die Variabilität dieses Werbeauftritts („Meine Finanzierung. Meine Bank“, „Mein Club. Meine Bank“, „Mein Erfolg. Meine Bank“ etc.) brachte hohe Akzeptanz nach innen und außen und führte zu deutlich gestiegenen Werbewerten. Die größten Werbeerfolge gegenüber den Mitbewerbern gelangen dann ab dem Jahr 2000, als die ZRW den Sport- und Medienliebling Hermann Maier als Leitfigur in allen klassischen und Online-Medien einsetzte. Mit dem Claim „Nur eine Bank ist meine Bank“ wurden die Raiffeisen-Werte Nähe, Vertrauen, Sicherheit und Leistungsstärke auch in der Werbung markenkonform vermittelt. In einem völlig neuartigen Werbeformat wurde Hermann Maier nicht als Skirennläufer, sondern als Privatperson in verschiedenen Lebenssituationen (als Häuslbauer, als Barsänger, als Minigolfplatzbesitzer, als Vater von Zwillingen etc.) mit Witz und Selbstironie gezeigt. Dieses Konzept brachte Raiffeisen höchste Aufmerksamkeit, viel Sympathie und beste Imagewerte – eine ZRW-Erfolgsgeschichte, die mehr als 20 Jahre Bestand hatte. 

Raiffeisen hat seine Markenpositionierung zuletzt neu definiert, die in einer neuen Kampagne umgesetzt wird. Aus welchem Grund war eine Neupositionierung der Marke notwendig?
Pruschak: Charakteristisch für Raiffeisen ist ein starker und einzigartiger Markenauftritt, eine breite Palette von Produkten und Services und eine gute Verankerung in der Region. Es stellte sich die Frage, wie Raiffeisen in einer immer digitaleren Welt erfolgreich sein kann. Deswegen wurden die Markenwerte von Raiffeisen erneut analysiert und neu ergänzende Werte hinzugefügt. Der neue Markenkern „Füreinander mehr Werte schaffen. Aus der Region, für die Region“ basiert auf bestehenden Stärken, die zukunftsorientiert erweitert und neu interpretiert werden. Das Kundeninteresse wird noch stärker in den Mittelpunkt gerückt. Die Nähe soll persönlich und digital erlebt werden. Nachhaltigkeit und Innovationskraft werden in den Fokus gerückt. 

Neben der klassischen Werbung hat Sportsponsoring bei Raiffeisen immer eine große Rolle gespielt. Wie kam es dazu?
Pruschak: Die ZRW hat früh erkannt, die emotionale Kraft des Sports für Markenbekanntheit, Sympathie und Imageprofilierung zu nutzen. Auch im Sportsponsoring ist Raiffeisen einen eigenständigen Weg gegangen. Wir konzentrierten uns auf Sportarten und Sportler mit klarem Profil, attraktivem Imageprofil und zu Raiffeisen passendem authentischem Auftritt. Ziel war es, frühzeitig Talente zu entdecken, die das Potenzial zu künftigen Nummer-1-Sportlern in einer populären Sportart haben. Diese Partnerschaften sollten langfristig angelegt sein und in Form von kreativen und glaubwürdigen Storys inszeniert werden. Dies war und ist zwar eine riskante Strategie, wenn sie aufgeht, hat man jedoch die beste Kosten-Nutzen-Relation und den besten Return on Investment. 

Was es jedenfalls braucht, ist ein glückliches Händchen bei der Auswahl der Sportler …
Pruschak: Sportsponsoring ist dann am glaubwürdigsten, wenn man den Sportler als Talent zu einem frühen Zeitpunkt erkennt und ihn langfristig begleitet. In den 80er-Jahren lag Tennis im Trend und nach einigen Recherchen bin ich auf Thomas Muster gestoßen, der damals in der Südstadt trainiert hat. Er war mit 16 Jahren bereits Staatsmeister, sein Werdegang und seine Einstellung haben mich beeindruckt, und durch gute Kontakte konnten wir ihn als Werbepartner gewinnen. Mit seinen 44 Turniersiegen und dem Highlight Grand Slam-Sieg in Paris wurde er zum Inbegriff von Kampfgeist und Siegeswillen. Damals hat der Tennissport ganz Österreich bewegt und jeder ist vor dem Fernseher gesessen, um Thomas Muster im Entscheidungssatz gewinnen zu sehen. Das war für Raiffeisen eine fast 14-jährige Erfolgsgeschichte. Die Liste weiterer Raiffeisen Sportler liest sich wie das Who‘s Who der österreichischen Sportgeschichte: Niki Lauda, Gerhard Berger, Anita Wachter, Anna Fenninger, Markus Rogan, Bernd Wiesberger, Max Franz, Hermann Maier und Marcel Hirscher. 

Wie kam der Wechsel zum Skisport?
Pruschak: Als sich abgezeichnet hat, dass Muster seine Karriere beenden wird, war die Überlegung, welche Sportart könnte in der Folge ähnliche Reichweiten in den Medien erzielen? Als Franz Klammer die Olympiaabfahrt in Innsbruck gewonnen hat, war ganz Österreich begeistert – das war für mich ein Fingerzeig. Ich habe mich also auf die Suche nach einem neuen Ski-Helden für Raiffeisen gemacht – mit einer Vision: er sollte – nach Karl Schranz 1969 – für Österreich wieder den Gesamtweltcup holen. Immer wieder aufgefallen ist mir dabei ein gewisser Hermann Maier: ein Maurer und Skilehrer, der sich in der Nacht mit Stirnlampe seinen Trainingskurs aussteckte und nach neuen Methoden trainierte. Das versprach für mich eine interessante Story und ich konnte unsere Gremien vom Wechsel von Tennis zu Ski überzeugen. Ich werde nie die erste – und auch die letzte – Pressekonferenz mit Hermann Maier vergessen. Mehr als 140 Medienvertreter, Maier war ja damals nach seinem Nagano-Sturz und dem nachfolgenden Doppel-Olympiasieg schon der neue Sport-Superstar. Und Thomas Muster war dabei als Überraschungsgast bei der PK – also eine gelungene Inszenierung. Was danach in der Zusammenarbeit zwischen Raiffeisen und Hermann Maier folgte, war und ist die längste und erfolgreichste Partnerschaft in der österreichischen Sponsoring- und Werbegeschichte. Die einzigartige Story „vom Maurer zum Ski-Superstar“ führte uns dann zur Überlegung, die mediale Strahlkraft von Hermann Maier auch in der Werbung für Raiffeisen zu nutzen.Sehr erfreulich für Raiffeisen war, dass noch vor dem Rücktritt von Hermann Maier als Rennläufer ab 2009 Marcel Hirscher als damaliges Slalom- und Riesentorlauftalent für Raiffeisen gewonnen werden konnte. Hirscher setzte die Erfolgsserie von Raiffeisen im Skisport mit unglaublichen acht Gesamtweltcup-Siegen fort. Einzigartig dabei ist, dass Marcel Hirscher alle Weltcuperfolge mit dem Giebelkreuz auf dem Helm feiern konnte. An der Seite von Hermann Maier war Marcel Hirscher auch in zahlreichen Raiff­eisen Werbekampagnen (z.B. Mein ELBA) zu sehen. 

Nach Jahrzehnten mit Testimonials hat man nun aber einen anderen Weg in der Werbung eingeschlagen. Haben Sie diesen Strategiewechsel noch begleitet?
Pruschak: In den Bundesgremien wurde der Wunsch nach strategischer Neuausrichtung der Markenpositionierung und des Kommunikationsauftritts geäußert. Ein Projektteam hat in einem umfassenden Markenprozess gemeinsam den Markenkern und die Markenwerte neu definiert. Auf dieser Basis und nach Durchführung einer Wettbewerbspräsentation wurde die Entscheidung für einen neuen zukunftsweisenden, werteorientierten Werbeauftritt vor wenigen Monaten getroffen. Die Umsetzung der neuen Werbelinie „WIR macht’s möglich“ liegt in der Verantwortung meiner Nachfolgerin Petra Walter. (Tipp: Petra Walter erklärt, wie sie die Marke Raiffeisen zu neuen Erfolgen führen will.) Hermann Maier wird Raiffeisen zwar nicht mehr als Werbetestimonial zur Verfügung stehen, er wird aber für weitere zwei Jahre als Markenbotschafter fungieren und u.a. im Firmenkundenformat „Erfolgswege“ in den sozialen Medien zu sehen sein.  

Ihr Resümee zusammengefasst?
Pruschak: Nach fast 40 Jahren bei und für Raiffeisen kann ich mit Dankbarkeit und Zufriedenheit Bilanz ziehen: Dank des Vertrauens der Raiffeisen-Entscheidungsträger und der guten Zusammenarbeit insbesondere im ZRW-Vorstand ist es gelungen, für Raiffeisen ganz besondere Erfolgsgeschichten zu schrei­ben. Ich glaube, dass die Marken- und Werbearbeit unter meiner Führung einen wichtigen Beitrag geleistet hat, dass Raiffeisen heute die bekannteste, beliebteste und vertrauensvollste Bankenmarke ist. Das ist das Ergebnis intensiver Arbeit gemeinsam mit vielen Kollegen und Wegbegleitern. In meiner Zeit als ZRW-Geschäftsführer wurden mehr als 100 Raiffeisen-Werbekampagnen entwickelt und umgesetzt. Einige davon haben sogar Kultstatus erlangt. Ich habe den Marketingjob stets mit großer Begeisterung ausgeübt und die Arbeit für Raiffeisen immer in den Mittelpunkt gestellt.Die vielen schönen Erlebnisse und Erfolge im Laufe meiner Raiffeisen-Zeit waren nur möglich, weil ich ein kleines, aber höchst engagiertes Mitarbeiterteam hatte, tolle Kollegen, Eigentümer und Vorgesetzte, die mir den nötigen Gestaltungsspielraum ließen. Ein herzliches Dankeschön an alle meine Wegbegleiter.