Lea Rothschopf hat den Weltcup im Visier

Die Salzburger Biathletin Lea Rothschopf (22) blickt auf die erfolgreichste Saison ihrer noch jungen Laufbahn zurück. Ein Gespräch über WM-Aufregung, Karrierepläne und Psychologie am Schießstand.

Lea Rothschopf beim Schießen
In der nächsten Saison will Lea Rothschopf von Anfang an im Weltcup dabei sein. Ob ihr das gelingt, wird sich im November in einem Qualifikationsrennen entscheiden. © pictureDesk/Expa/ Stefan Adelsberger

Die erfolgreichste Saison Ihrer Biathlon-Laufbahn liegt gerade hinter Ihnen: WM-Teilnahme, drei Weltcup-Starts und ein Podestplatz beim IBU-Rennen in Aber. Eigentlich schade, dass es bei diesem Flow nicht weiterging, oder?
Lea Rothschopf: Einerseits schon. Wenn man so einen Lauf hat, freut man sich auf jedes Rennen. Aber zum Schluss war ich froh, dass die Reiserei vorbei ist, ich daheim sein kann und dass auch der Druck etwas von einem abfällt. Man freut sich auf daheim, weil man den ganzen Winter über wirklich viel unterwegs ist.

Wie verarbeiten Sie so eine Saison?
Rothschopf: Ich lasse die Ereignisse schon gern Revue passieren. Nach den Rennen realisiert man oft gar nicht, was man geschafft hat oder wie man das Ergebnis einordnen kann. Dafür ist jetzt die Zeit. Ich schaue mir Fotos an, die ich gemacht habe, oder lese Zeitungsartikel nach.

Bleibt auch Zeit für Urlaub? Oder geht es gleich mit Materialtests weiter?
Rothschopf: Im April haben wir Zeit für uns, im Mai geht es wieder mit dem Training los. Ich werde jetzt mit zwei befreundeten Biathletinnen nach Norwegen fliegen, etwas Langlaufen und Skifahren. (lacht) So ganz abschalten vom Wintersport kann ich also doch nicht.

Ihre Entwicklung ging in den vergangenen Jahren stetig nach oben. Haben Sie mit einer solchen Saison geliebäugelt oder war es dann doch auch etwas überraschend?
Rothschopf: Natürlich möchte man immer einen draufsetzen im Vergleich zur Vorsaison. Heuer war das erste Jahr, wo ich im Europacup (Anm.: Der IBU-Cup ist die letzte Stufe vor dem Weltcup) komplett dabei war. Die Saison ist allerdings nicht so gut gestartet, da hieß es erst einmal abwarten, wie es läuft. Dann kam der Aufschwung und es wurde hinten raus immer besser.

Es gab einige Highlights. Sticht die Nominierung für die Weltmeisterschaft der allgemeinen Klasse im tschechischen Nové Město heraus?
Rothschopf: Natürlich! Es war mein erstes Rennen mit der Weltcup-Spitze, dazu das ganze Drumherum. Ich bin zum ersten Mal vor 30.000 Fans gestartet, das war eine Überflutung von Reizen – brutal! Richtig toll, diese Chance bekommen zu haben. Interviews, neues Team mit Trainern und Serviceleuten und das Rennen selbst natürlich. Dabei wusste ich eine Woche lang gar nicht, ob ich überhaupt einen Start bekommen würde.

Wann haben Sie es erfahren?
Rothschopf: Zwei Tage vor dem Rennen. Bis dahin war es ungewiss.

Sie haben die Top 40 geknackt und wurden 37. im Einzel. Zufrieden?
Rothschopf: Ich wusste überhaupt nicht, wo ich mich im Vergleich zur Weltspitze einordnen kann. Daher war es sehr cool zu sehen, wo man stehen könnte, wenn man die Null beim Schießen bringt. Für mich war es ein Motivationsschub, weil ich gesehen habe: Ich kann im Weltcup mitmischen, wenn alles passt.

Sie durften nachher bei allen drei Weltcup-Rennen an den Start gehen, in Norwegen, den USA und Canada. Wie ist das Gefühl, regelmäßig beim Konzert der Großen dabei zu sein?
Rothschopf: Großartig! Wenn man die Stars, die man als Jugendliche noch im Fernsehen gesehen hat, plötzlich hautnah erlebt und gemeinsame Rennen bestreitet – da geht schon ein Traum in Erfüllung. Ein Johannes Thingnes Bø zum Beispiel oder bei den Damen Ingrid Landmark Tandrevold oder Lisa Vittozzi.

Lea Rothschopf auf den Skiern
© pictureDesk/Expa/ Stefan Adelsberger

Sticht bei den drei erwähnten Weltcups einer heraus?
Rothschopf: Ja, der letzte in Canmore in Kanada. Dort ist mir beim Verfolgungsrennen erstmals in meiner Karriere gelungen, viermal die Null zu schießen – auch läuferisch habe ich mich gut gefühlt. Und ich konnte mit Platz 29 meine ersten Weltcup-Punkte sammeln.

Wenn man mit so einem Schwung aus einer Saison herausgeht – wie lauten dann die Ziele für die kommende?
Rothschopf: Das große Ziel lautet, von Anfang an beim Weltcup dabei zu sein. Das wird über ein Qualifikationsrennen Ende November entschieden. Wenn es klappt, will ich auch anschreiben und regelmäßig in die Top 15 kommen. Wenn nicht, muss ich im Europacup Stockerlplätze einfahren, um mich für den Weltcup zu präsentieren.  

Als Biathletin benötigt man zwei herausragende Skills: Langlaufen und Schießen. Was liegt Ihnen mehr?
Rothschopf: Ich sag mal so: Der größere Bereich mit Verbesserungspotenzial liegt sicherlich beim Schießen. Da habe ich mir so manche gute Platzierung schon verpatzt. In den letzten Jahren ging durch meinen neuen Schießtrainer aber vieles in die richtige Richtung, meine Leistungen am Schießstand waren heuer ganz zufriedenstellend, wenn auch noch nicht optimal. 

Wie groß ist die Herausforderung, wenn rechts und links Konkurrentinnen schießen, der Ablauf möglichst exakt passen muss, man aber dabei auch auf die Geschwindigkeit achten muss?
Rothschopf: Sehr hoch, definitiv! Wenn man sich da verkopft und sich seiner Sache nicht mehr sicher ist, passieren ganz schnell Fehler. Auch wenn man grundsätzlich gut schießen kann, gehen Dinge plötzlich daneben. Vor allem, wenn nebenan wer anderer gut schießt und man sich davon stressen lässt.

Schauen Sie nach links oder rechts?
Rothschopf: Das Ziel ist, das nicht zu tun und im eigenen Tunnel zu bleiben. Das Ergebnis wird in der Regel nicht besser, wenn man sich von etwas anderem beeinflussen lässt.

Und wenn Sie einem Laien erklären müssten, wie man bei Puls 170 eine ruhige Hand fürs Schießen behält …
Rothschopf: Das variiert von Sportler zu Sportler. Man darf den Puls gar nicht zu schnell herunterfahren, sonst kommt es zum Nähmaschinen-Effekt, bei dem man zu zittern beginnt. Die ruhige Hand bekommt man über die Atmung.

Sie haben den psychologischen Stress beim Schießen angesprochen. Ist das der Grund, warum Sie neben Ihrer Karriere auch noch Psychologie studieren?
Rothschopf: Es hilft sicher. Ich habe eine Zeitlang mit einem Mentaltrainer gearbeitet und dabei gemerkt, was der Kopf alles ausmacht. Auch wie manipulativ er ist, was es bringt, mit ihm zu arbeiten. Es ist faszinierend, welche Rolle das Gehirn spielt, wenn es um die Bewältigung von Drucksituationen geht. 

Sie haben auch eine Ausbildung gemacht und sind Heeressportlerin. Ist es Ihnen zu riskant, alles auf die Karte Profisport zu setzen?
Rothschopf: Man weiß nie, wie eine Saison läuft, es kann immer viel passieren. Ich möchte einfach ein sicheres Standbein haben, um in ein „normales“ Berufsleben einsteigen zu können. Und neben dem Sport noch etwas für den Kopf tun zu können, ist sicher auch nicht schlecht. 

Sie fahren in Ihrer vierten Saison mit dem Raiffeisen-Logo auf dem Stirnband und werden vom Raiffeisenverband Salzburg unterstützt. Wie kam es dazu?
Rothschopf: Ich habe damals einen Kopfsponsor gesucht, und erfreulicherweise kam genau in der Zeit die Nachricht von Raiffeisen, dass sie Interesse hätten. Nach den ersten Gesprächen waren beide Seiten von der Idee begeistert. Auch weil Raiffeisen im Biathlon bis dahin noch nicht viel gemacht hat. Ich finde es sehr cool, als erste Biathletin Teil der Raiffeisen-Familie zu sein.