Bruckners Erben

Das Linzer Brucknerfest spürt heuer der Frage nach, welchen Einfluss die Musik des namensgebenden Komponisten auf nachfolgende Generationen hatte.

Bildnis von Komponist Anton Bruckner
Das Brucknerfest Linz wirft 2022 einen knallbunten Blick auf Anton Bruckner und seine Bedeutung für die musikalische Nachwelt. (c) Huber/Terri

Bunt und fruchtbar – so beschreibt Intendant Dietmar Kerschbaum das Programm vom Brucknerfest 2022. „Visionen – Bruckner und die Moderne“ lautet der Titel der diesjährigen Auflage zum 198. Geburtstag des Namensgebers am 4. September bis 11. Oktober. „Moderne“ meint hierbei nicht den Stilbegriff im künstlerischen Sinne, sondern bezieht sich auf die Zeit an sich – nach Bruckner bis in die Gegenwart. Das Klassik-Festival zu Ehren des oberösterreichischen Komponisten Anton Bruckner (1824–1896) rückt heuer seine Bedeutung für die musikalische Nachwelt ins Rampenlicht. „Wir fragen nach seinem Einfluss auf die Moderne und die Neue Musik, nach der Anfälligkeit seines Werks für politisierte Deutungen sowie schließlich auch danach, was Bruckner für uns heute noch ist“, sagt Kerschbaum.

Nils Mönkemeyer mit seiner Bratsche
Bratschist Nils Mönkemeyer begibt sich am 4. September in Bruckners Heimatort Ansfelden auf dessen Spuren. (c) Irende Zandl

Das Programm sieht 33 Veranstaltungen an zehn Spielstätten vor. Bespielt werden neben dem Brucknerhaus unter anderem die Tabakfabrik, der Alte Dom und der Mariendom in Linz, die Stadtpfarrkirche in Ansfelden sowie als Open-Air-Locations der OK-, der Dom- und der Lentos-Vorplatz. Ein Schwerpunkt ist den Komponisten Heinrich Kaminski und Richard Wetz gewidmet, die sich intensiv mit Bruckner auseinandergesetzt haben. Zum Start begeben sich das Casal Quartett und der Bratschist Nils Mönkemeyer am 4. September in Bruckners Heimatort Ansfelden auf die Suche nach Ähnlichkeiten in den Streichquintetten von Bruckner und Kaminski. In der Folge stehen etliche etablierte bzw. aufstrebende Musiker sowie bekannte Klangkörper am Programmzettel.

Überfälliges Debüt

Christian Thielemann dirigiert bei seinem – so Kerschbaum – „längst, längst fälligen Brucknerfest-Debüt“ die Sächsische Staatskapelle Dresden (14. September), am Spielplan steht Bruckners Sinfonie Nr. 5 B-Dur. Das Royal Philharmonic Orchestra und sein Chefdirigent Vasily Petrenko betreten die Spuren Bruckners im Schaffen des finnischen Sinfonikers Jean Sibelius (15. September). Tags darauf gastieren Franz Welser-Möst und das Cleveland Orchestra, gespielt werden unter anderem Werke von Richard Strauss und Alban Berg.

Dirigent Christian Thielemann gibt am Brucknerfest 2022 sein Debüt.
Christian Thielemann gibt sein Brucknerfest-Debüt. (c) Matthias Creutziger

Selbstverständlich mit dabei ist das Bruckner Orchester Linz mit seinem Chefdirigenten Markus Poschner – einmal mit dem Nachwuchscellisten Christoph Heesch und einem Fokus auf Arnold Schönberg, einmal mit zentralen Werken der erklärten Bruckner-Fans Kaminski und Franz Schmidt, und einmal mit der lettischen Geigerin Baiba Skride. Weiters am Programm: Das Tonkünstler-Orchester unter Constantin Trinks und das Minetti Quartett. Das im Vorjahr verschobene Konzert der Pianistinnen Martha Argerich und Lilya Zilberstein wird am 28. September nachgeholt.

Die Klassische Klangwolke bestreitet am 1. Oktober die französische Geigerin Chouchane Siranossian gemeinsam mit der Prague Philharmonia und dem Dirigenten Eugene Tzigane, unter anderem mit Musik von Gottfried von Einem, Richard Wetz und – natürlich Bruckner. Das Programm der visualisierten Linzer Klangwolke und der Kinder-Klangwolke am 10. bzw. 11. September ist noch nicht bekannt. Es soll zu einem späteren Zeitpunkt präsentiert werden.

Bereits verkündet hingegen wurde, dass Wolfgang Böck in die Rolle des Festival-Namensgebers schlüpft: Im fünften und letzten Teil der Reihe „Böck ist Bruckner“ befasst er sich mit den Charakterbildern, welche die Nachwelt von Anton Bruckner gezeichnet hat – die Palette reicht abhängig vom jeweiligen Zeitgeist vom „Musikanten Gottes“ bis zum „deutschen Tonhero“.

Christoph Heesch mit seinem Cello, wird am Brucknerfest gemeinsam mit dem Bruckner Orchester auftreten.
Nachwuchscellist Christoph Heesch spielt mit dem Bruckner Orchester Linz. (c) Felix Broede

Graffiti und Techno-Beats am Brucknerfest

Auch Studierende der Linzer Kunstuni werden sich im Rahmen des Festivals präsentieren und zu Bruckners Musik live Bilder im öffentlichen Raum schaffen. „Es geht um Action Painting und Graffiti“, verrät Kerschbaum. Zeit haben die Bildenden Künstler jeweils so lange, wie der ihnen zugewiesene Bruckner-Sinfonie-Satz dauert.

Partystimmung und die Ansage, dass Bruckner und tanzbare Beats kein Widerspruch sind, sollen das Publikum mit Pierre Henrys „Comme une symphonie, envoi à Jules Verne“ für Lautsprecherorchester bei den Bruckner Beats in der Tabakfabrik erreichen. Bruckners solitäre Stellung, die ihm auch schon Nikolaus Harnoncourt bescheinigte, indem er in einem Interview sagte, Bruckner sei wie ein „Meteor“ förmlich „in die Musikgeschichte hineinexplodiert“, wird für das junge Publikum am 7. Oktober auf ungewöhnliche Weise ohrenfällig. Das Posthof-DJ-Team begibt sich auf die Jagd nach den Überbleibseln des Meteors Bruckner in der aktuellen Clubmusik und zeigt, dass Bruckner und tanzbare Beats kein Widerspruch sind, aber auch, dass Bruckner und Techno mehr gemeinsam haben, als man vermuten würde.

Begleitet wird das Internationale Brucknerfest Linz auch in diesem Jahr von der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich, als einer der Hauptsponsoren. Aus gutem Grund, betont Generaldirektor Heinrich Schaller: „Anton Bruckner hat stets mutig neue Wege beschritten und ist dabei gleichzeitig seinen künstlerischen Wurzeln, seinem Stil treu geblieben.“ Tradition und Moderne – vermeintliche Gegensätze, die auch bei Raiffeisen aufeinandertreffen. Aber: „Das Wirtschaften nach traditionellen Werten und moderne Entwicklungen sind kein Widerspruch, sondern greifen perfekt ineinander“, sagt Schaller. Ein Bogen, der insbesondere in musikalischer Hinsicht beim diesjährigen Brucknerfest gespannt wird.