Seit 1. März sind Sie für das Privatkundengeschäft der Stadtbank Wien zuständig. Mit welchen Ideen und Schwerpunkten sind Sie angetreten?
Christiane Flehberger: Mein großes Ziel ist, die Sichtbarkeit der Stadtbank noch mehr zu verstärken, einerseits innerhalb der Gruppe, aber selbstverständlich auch gegenüber den Kunden. Absolute Kundenzentrierung ist dabei unser Anspruch. Wir wollen die Omnikanal-Fähigkeit stärken, um unsere Kunden noch individueller und bedarfsorientierter betreuen zu können. Einfach und unkompliziert – ob in persönlichen Gesprächen mit unseren Kundenberatern oder über digitale Kanäle.
Wie will man sichtbarer werden?
Flehberger: Das beginnt bei kleinen Dingen, so wollen wir die Gesichter der Stadtbank zeigen. Im Bankgeschäft geht es um Vertrauen und man vertraut den Menschen. Daher ist mir diese Sichtbarkeit besonders wichtig.
Die Stadtbank hat sich vor drei Jahren neu positioniert. Es gibt nun fünf Regionalzentren und 20 Bezirksbanken. Man hat sich bis dato stark auf KMUs und Gewerbekunden konzentriert. Wird der Fokus jetzt mehr auf Privatkunden gerichtet?
Flehberger: Jeder Gewerbekunde ist auch ein Privatkunde. Diese Verknüpfung in der Kundenbetreuung ist sicher einer der Schwerpunkte. Wir schauen über den Tellerrand und sehen das gesamte Kundenpotenzial. Die vernetzte Kundenbetreuung wird eines der großen Themen, um die Cross-Selling-Rate zu erhöhen. Unser Anspruch als Stadtbank ist es, sowohl das Privatkunden- als auch das KMU-Segment in Wien optimal zu besetzen.
Wie hoch ist der Marktanteil der Stadtbank Wien im Moment und was ist das Ziel?
Flehberger: Momentan liegen wir bei 17 Prozent. Wir haben hier das klare Ziel zu wachsen. Alleine durch die Bevölkerungszunahme sehen wir großes Potenzial, im Privatkundengeschäft weiter zu wachsen.
Sie waren davor bei der Raiffeisen KAG. Wird in der Beratung der Fokus nun stärker auf das Fondsgeschäft gerichtet?
Flehberger: Das Wertpapiergeschäft ist bei Privatkunden zu Diversifikationszwecken sicher wichtig, aber auch hier gilt es, den Bedarf des Kunden bestmöglich zu erfüllen. Wir haben ein breites Spektrum an Veranlagungsprodukten. Beginnend bei unseren eigenen Emissionen bis hin zu Zertifikaten. Natürlich sollte man auch Investmentfonds entsprechend den Kundenbedürfnissen platzieren. Selbstverständlich ist auch die Steigerung der Wertpapierdurchdringung ein klares Ziel.
Generell machen die steigenden Zinsen wieder mehrere Produkte interessant. Wie groß ist der Beratungsbedarf in der jetzigen Situation?
Flehberger: Unsere Kunden haben in den Beratungsgesprächen wieder andere Themen, das ist auch für Betreuer – gerade für die jungen – eine neue Herausforderung. Viele junge Berater haben die klassischen Sparkonten noch nie wirklich im Verkauf proaktiv eingesetzt. Unsere Aufgabe ist es, gezielte Beraterschulungen zu machen, um die Kunden bestmöglich zu servicieren.
Früher wurde viel mit der Veranlagungspyramide kommuniziert. Ist der Aufbau – mit unterster Ebene Sparprodukte bis hin zu Einzelaktientitel als Pyramidenspitze – noch zeitgemäß oder wie sieht ein idealtypischer Vermögensaufbau heute aus?
Flehberger: Die Veranlagungspyramide hat immer noch ihre Berechtigung und Richtigkeit, weil sie die Produktpalette und das Zusammenspiel zwischen Risiko und Ertragspotenzial gut darstellt. Auch der Ausdruck der Diversifikation ist nach wie vor aktuell.
Momentan sind die Kapitalmärkte sehr nervös. Wie wichtig ist es da, die Kunden proaktiv auf dem Laufenden zu halten?
Flehberger: Sehr wichtig. Unser Fokus liegt ganz klar auf der Proaktivität, gerade bei Kunden, die große Veranlagungsvolumina
haben. Da schließt sich der Kreis zum Thema Vertrauen.
Welche Veranlagungsprodukte werden momentan besonders stark nachgefragt?
Flehberger: Wir sehen, dass unsere Kunden auf der Suche nach dem sichereren Hafen sind und Sparprodukte mit Laufzeitbindung wieder attraktiv geworden sind. RLB-Emissionen sind Produkte, die gerne gekauft werden. Im klassischen Veranlagungsgeschäft liegt der Fokus auf stetigem Vermögensaufbau durch kleinere Einmalerläge oder regelmäßiges Ansparen. Der Privatkunde sucht auch im Wertpapierbereich nach sicheren Produkten mit einem ausgewogenen Risiko-Ertragsverhältnis.
Wo schlummert das größte Potenzial im Privatkundengeschäft?
Flehberger: Ich will keine einzelnen Produktgruppen oder Themen in den Vordergrund stellen, denn was uns im Privatkundengeschäft ausmacht, ist eine umfassende Produktpalette. Es geht darum, über digitale Wege oder im persönlichen Gespräch herauszufinden, welchen Mehrwert man dem Kunden bieten kann, um am Ende des Tages einen zufriedenen Kunden zu haben. Das spricht sich dann auch herum.
Sie setzen also auf eine gesamthafte Beratung und weniger auf Spezialisten?
Flehberger: Das eine schließt das andere nicht aus. Der Berater ist erster Ansprechpartner und weiß, zu welchen Themen er einen Fachexperten hinzuzieht. Der Kunde soll eine Anlaufstelle haben – und ein Gesicht oder einen Namen kennen. Dies soll auch eine Wertschätzung gegenüber unseren Kunden darstellen und spiegelt sich auch positiv im Ergebnis wider. Wir haben beispielsweise sehr gute Erfahrungen mit unseren Wohntraumcenter-Beratern.
Wie ist der Ausblick auf das heurige Jahr? Wie wird sich das Provisionsgeschäft der Stadtbank entwickeln?
Flehberger: Trotz steigender Zinsen wird das Provisionsgeschäft auch 2023 eine wichtige und entscheidende Säule für den Ertrag der Stadtbank darstellen. Ich habe die Mitarbeiter der Stadtbank als sehr aktiv wahrgenommen und gehe davon aus, dass sich nicht zuletzt dadurch das Provisionsgeschäft positiv entwickeln wird.
Sie waren bei der Raiffeisen KAG für das institutionelle Geschäft verantwortlich. Jetzt der Wechsel zum Privatkunden. Wie groß ist die Veränderung?
Flehberger: Wenn man in seiner beruflichen Tätigkeit mit Kunden zu tun hatte, dann weiß man, der Mensch steht im Vordergrund. Ob der Mensch für ein Unternehmen spricht oder für seine persönlichen Angelegenheiten, ist per se kein großer Unterschied. Wichtig ist, dass man immer mit der Kundenbrille aktiv ist. Das habe ich bisher so gehandhabt und werde ich auch in Zukunft so pflegen. Besonders freue ich mich auch auf die Zusammenarbeit mit den Raiffeisenbanken, mit denen es gerade im Retailgeschäft sehr viele Gemeinsamkeiten gibt. Ich gehe davon aus, dass ich bei dieser Zusammenarbeit auch von meiner Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied der Raiffeisenbank Tulln profitieren werde.
Wie nah können Sie den Kunden nun sein?
Flehberger: Ich möchte in den Filialen und bei den Mitarbeitern sichtbar sein. Ich habe in den ersten Wochen bereits viele Kollegen besucht, um ein Gefühl zu bekommen, was sind die Themen, was läuft gut und wo können wir unterstützen, um die Arbeit am Kunden noch effizienter und leichter zu gestalten. Mein Anker zu den Kunden sind die fünf Regional- und alle Bezirksbankleiter, mit denen ich regelmäßig zusammenkomme. Auch mit den Leitern der Bereiche Private Banking und Gewerbekunden gibt es engen Austausch und gute Abstimmung. Diese Vernetzung funktioniert sehr gut und ist bei der bedarfsorientierten Kundenbetreuung auch ganz wichtig.