Claudia Süssenbacher: „Wir haben Potenzial zu wachsen“

Die Raiffeisenlandesbank NÖ-Wien kommt aufgrund ihrer Größe unter EZB-Aufsicht. Über die aktuellen Herausforderungen im Allgemeinen und im Konkreten spricht Claudia Süssenbacher, Geschäftsleiterin der Raiffeisen-Holding und Risikovorständin der RLB NÖ-Wien.

Die Wirtschafts- und Nachrichtenlage ist deprimierend. Für Österreich könnte es das dritte Rezessionsjahr werden. Wie geht es Ihnen als Risikomanagerin in dieser Situation?
Claudia Süssenbacher: Als Risikomanager muss man die Situation natürlich ganz genau beobachten. Wir sehen, dass es für Unternehmen immer schwieriger wird, mit höheren Personal- und Energiepreisen und sinkenden Absatzzahlen umzugehen. Einer der Hauptpunkte im Risikomanagement ist zu schauen, wie entwickelt sich ein Kunde weiter und welche Auswirkungen haben die Veränderungen auf die jeweiligen Geschäftsmodelle. Es gibt Dinge, die sind gestern gut gewesen, aber die wird man morgen nicht mehr brauchen. Bei diesen Wirtschaftsaussichten gilt die Frage, wie kann ich wettbewerbsfähig bleiben. Solche Zeiten muss man immer auch als Chance begreifen und mit Optimismus begegnen. 

Sowohl die Privat- als auch die Firmeninsolvenzen steigen. Wie ist die Situation bei Ihren Kunden?
Süssenbacher: Auf der Privatkundenseite gibt es so gut wie gar keine Ausfälle. Wenn es wirtschaftliche Schwierigkeiten gibt, dann kann man kurzfristig überbrücken, ohne dass man Haus oder Wohnung versteigert. Das kommt in der Praxis bei uns nicht vor. Bei den Unternehmen sehe ich generell, dass es einen großen Backlog aus der Corona-Zeit gegeben hat. Natürlich war es gut, Unternehmen mit Förderungen zu unterstützen. Andererseits gehören Insolvenzen zum Wirtschaftsleben dazu. Wenn man versucht, immer alle am Leben zu halten, nivellieren wir uns als Österreich auch nach unten. 2024 gab es nun doch einige Großinsolvenzen und auch wir hatten einen deutlichen Anstieg der Risikokosten. Risikokosten bedeuten, dass man Vorsorgen für mögliche Ausfälle trifft. Die Quote der notleidenden Kredite ist im Vorjahr ebenfalls leicht gestiegen und wir rechnen auch 2025 mit vermehrten Ausfällen und einer leichten Veränderung nach oben. Das ist aber nicht besorgniserregend, weil wir noch immer auf einem sehr niedrigen Niveau sind. 

Welche Rolle spielen die Immobilienfinanzierungen bei den Risikokosten?
Süssenbacher: In der Landesbank haben wir sehr umsichtige Immobilienfinanzierungen gemacht und uns auch immer an gute Vergabestandards gehalten. Gerade in den letzten Jahren sind wir diesen unglaublichen Hype, dass man alles und jedes finanziert, nicht mitgegangen.

Claudia Süssenbacher im Interview
© Raiffeisen NÖ-Wien/Sabine Klimpt

Die Aussichten sind unsicher. Es steht ein Handelskonflikt mit US-Strafzöllen im Raum. Wie gehen Sie mit solchen Risiken um? Kann man sich darauf vorbereiten? 
Süssenbacher: Die Bank ist verpflichtet, diverse Stresstests zu machen, wo verschiedene Szenarien eingepreist und durchgerechnet werden. Die große Herausforderung unserer Zeit ist, dass wir multilaterale Krisen haben und uns deshalb gar nicht mehr auf spezielle Krisen vorbereiten. Es müssen sehr viele Einflussfaktoren beobachtet werden, das macht nicht nur das Risikomanagement, sondern das ist ein Dialog über die ganze Bank und Holding. 

Wie sehr ist die Raiffeisen-Holding NÖ-Wien mit ihren Beteiligungen aktuell betroffen? Welche Segmente leiden unter den Rahmenbedingungen?
Süssenbacher: Die Rahmenbedingungen treffen natürlich auch unsere Beteiligungen, bisher managen sie es sehr gut. Für Agrana und Südzucker ist branchenüblich der Zuckerpreis ein wesentlicher Treiber. Die Medienseite ist auf einem guten Transformationsweg. Sehr gut performt die Strabag. Hervorragend geht auch die NÖM, weil sie rechtzeitig begonnen hat, ihr Geschäftsmodell zukunftsfähig aufzustellen. Die LLI mit Goodmills und Café+Co leiden unter den hohen Personal- und Energiekosten, aber sind aus unserer Sicht ebenfalls gut aufgestellt. 

Die Holding verfolgt seit dem Vorjahr eine Wachstumsstrategie. Wie viel Wachstumsspielraum gibt es aus Risikosicht?
Süssenbacher: Wir sind gut aufgestellt, haben Potenzial zu wachsen und verfolgen eine klare Strategie des aktiven Beteiligungsmanagements. Heuer wird es noch News geben, wo wir das Thema Gesundheit und Energie stärker fokussieren. Wir haben uns natürlich Rendite-Vorgaben gegeben und gehen nur dort Beteiligungen ein, wo es sinnvolle Synergien gibt, sprich: Es muss auch zu uns passen. 

Die RLB NÖ-Wien wird mit einer dauerhaften Bilanzsumme von mehr als 30 Mrd. Euro heuer unter die EZB-Aufsicht kommen. Wie viel Mehrarbeit bedeutet das? Wie bereiten Sie sich darauf vor?
Süssenbacher: Da gibt es ein gesetztes Prozedere, unter anderem schauen sich Wirtschaftsprüfer für die EZB das Kreditportfolio unserer Bank an. Dieser Prozess ist durchaus intensiv, weil man Unmengen an Daten aufbereiten muss. Es ist eine Gesamtbankübung. Eine EZB-Aufsicht ist, was Datenlieferungen und die Intensität betrifft – gerade wenn man neu in die Aufsicht hineinkommt –, schon eine Herausforderung. 

Claudia Süssenbacher im Interview
© Raiffeisen NÖ-Wien/Sabine Klimpt

Ist man als Bank mit einem starken Beteiligungsgeschäft als Geschäftsmodell für die EZB noch immer eine Art Unikum?
Süssenbacher: Die Holding in ihrer genossenschaftlichen Struktur ist sicherlich ungewöhnlich für die EZB. Für uns ist es aber insgesamt eine gute Übung, von oben bis unten durchleuchtet zu werden. Und einen EZB-Stempel zu haben, ist sicher kein Nachteil. 

Abschließend noch eine Frage zum Weltfrauentag. Es gibt bei Raiffeisen immer mehr Frauen in Führungspositionen. Wie sehr muss man sich hier bemühen oder ist es mittlerweile ein Selbstläufer?
Süssenbacher: Ich kenne kein Unternehmen, bei dem es ein Selbstläufer ist, Frauen in Führungspositionen zu bringen. Wenn man es forcieren will, muss man ein Augenmerk darauf richten. Wir machen viel, um Frauen auf ihrem Karriereweg zu unterstützen. Das beginnt mit der Festschreibung in der Governance. Wir haben uns in der Diversitätsstrategie das Ziel gesetzt, dass bis 2027 33 Prozent der Führungskräfte weiblich sein sollen. Damit wir dies auch erreichen, haben wir eine Reihe an Initiativen gesetzt – beispielsweise führen wir bereits zum zweiten Mal ein Women-Mentoring-Programm mit 20 Teilnehmerinnen, davon 16 aus der RLB und 4 aus den Raiffeisenbanken, durch. Wir haben auch „SheConnect“ als Frauennetzwerk aufgestellt. In Besetzungsgremien haben wir uns dazu entschieden, dass immer gleich viele Frauen wie Männer beim Hearing sitzen. Es gibt außerdem noch viele Kleinigkeiten, die man im Unternehmen tun kann. Im Vorjahr haben wir uns beim Führungskräfteindex benchmarken lassen. Das hat gezeigt, dass wir gegenüber anderen in der Branche gut aufgestellt sind, aber auch Input geliefert, was wir noch besser machen können. Kurzum: Wir nehmen dieses Thema sehr ernst und haben noch einiges vor. 

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