Es gibt Erfolgsgeschichten, die von langer Hand geplant sind. In denen Fünf-Jahres-Strategien oder ausgeklügelte Konzepte eine große Rolle spielen. „Uns ist der Aufstieg in die Bundesliga vergangenes Jahr mehr oder weniger passiert“, sagt Kurt Tschofen, seit gut drei Jahren Obmann des TC Raiffeisen Bludenz. „Wir waren nicht erpicht darauf, so schnell wie möglich nach ganz oben zu kommen. Aber dank unserer hervorragenden Jugendarbeit und den starken Leistungen unserer Mädchen ist es eben so gekommen. Man kann sagen, die Damen haben es selbst entschieden.“
Nun soll es nicht so rüberkommen, als wäre man in Bludenz nicht ambitioniert und würde sich gegen den Erfolg wehren. Ganz im Gegenteil, in den letzten Jahren wurde der Aufstieg meist nur ganz knapp verpasst, oft fehlte gerade mal ein Platz für den ganz großen Wurf. Doch als es dann am Ende der Saison 2022 so weit war, waren Überraschung und Freude nicht nur bei Kurt Tschofen groß. „Man darf nicht vergessen, dass wir ein sehr junges Team sind. Dafür sind wir mit unserem bisherigen Abschneiden im ersten Bundesliga-Jahr sehr zufrieden.“
Das können sie auch sein. Von den vier Spielen im Grunddurchgang der Gruppe A wurden zwei gewonnen und zwei verloren. Bedeutet Rang drei in der Gesamtwertung, womit man den Platz beim Final-4-Turnier, bei dem der österreichische Meister ausgespielt wird, nur um einen Rang verfehlte. Nun geht es – unter Mitnahme der bereits geholten Punkte – gegen die drei nicht qualifizierten Teams der Gruppe B darum, den sofortigen Wiederabstieg zu verhindern. Für dieses Unterfangen ist der 59-Jährige optimistisch: „Wir wissen, dass die Gruppe A die stärkere ist. Am 10. und 17. Juni haben wir unsere ersten beiden Partien gegen Schwaz und Klagenfurt. In diesen wollen wir den Klassenerhalt gleich fixieren und uns aller Sorgen entledigen.“
Mit welcher Mannschaft man bei diesen Spielen antreten kann, ist dagegen noch ungewiss. Zur Erklärung: Bei einem Bundesliga-Match werden fünf Spielerinnen nominiert, von denen drei Österreicherinnen sein beziehungsweise seit mindestens drei Jahren hier leben müssen. Dazu kommen zwei Legionärinnen, die meist die stärksten Spielerinnen sind, von denen man aber nicht weiß, ob sie an den Terminen verfügbar sind. Tschofen erklärt: „Viele Damen spielen ja auch ITF- oder WTA-Turniere, da geht es um Geld und Punkte für die Weltrangliste. Für ein Bundesliga-Match bekommen sie zwar ein Honorar, aber keine Punkte. Deswegen müssen sie genau abwägen, wo sie antreten.“
Große Talente
Die Damen, die in der bisherigen Saison für die Bludenzer angetreten sind, haben es jedenfalls in sich. Die Schweizerin Alina Granwehr zum Beispiel war vergangenes Jahr bei den Eidgenossen die Nummer eins bei den 18-Jährigen und gehört zu den hoffnungsvollsten Talenten ihres Landes. Das gilt auch für die ebenfalls 18-jährige Italienerin Camilla Gennaro, die das große Ziel verfolgt, demnächst als Profi-Spielerin zu reüssieren. Dazu kommt die Tschechin Adela Jarosova, die mit Mitte 20 die große Routinierin des Kaders ist. „Sie spielt in erster Linie Doppel und gibt unseren jungen Spielern mit ihrer Erfahrung Rückhalt“, weiß Tschofen.
Noch stolzer ist der Unternehmer freilich auf seine Eigenbauspielerinnen, die ebenfalls ein sehr starkes Bild abgegeben haben. Allen voran Mia Liepert, die mit einer positiven Match-Bilanz aufwarten kann, demnächst aber in die USA wechselt, um dort College-Tennis zu spielen. „Das ist einerseits ein großer Verlust für uns, andererseits aber auch eine Auszeichnung, da man schon sehr gut sein muss, um es dorthin zu schaffen.“
Dabei hat das derzeit wohl größte Talent des Klubs dieses Jahr aufgrund von Verletzungen noch gar nicht für die Vorarlbergerinnen gespielt. Sydney Stark schlug bereits mit 13 Jahren in der 2. Bundesliga für den TC Raiffeisen Bludenz auf und wurde vom Österreichischen Tennis-Verband in die Akademie geholt, von wo die heute 17-Jährige aber im Herbst zurückkehren wird. Sie kann in Zukunft sicher eine wertvolle Verstärkung für das Team sein.
Priorität Nachwuchsarbeit
Wie so oft im Sport steht und fällt auch im Tennis viel mit den Trainern. Und an dieser Position ist man in Bludenz mit reichlich Kompetenz gesegnet. Ajit Alexander, der auch als Chef des Leistungskaders Vorarlberg fungiert, ist seit 2012 beim Klub und dort vor allem auch für die Förderung des Nachwuchses zuständig. „Ein absoluter Top-Fachmann“, sagt Tschofen, dem gerade die Jugendarbeit am Herzen liegt. „Als Ajit kam, hatten wir vielleicht 20 Kinder und Jugendliche, die regelmäßig zum Training kamen. Heute sind es 120. Das zeigt, was sich in diesem Bereich getan hat.“ Eine Rechnung, die gleich auf mehreren Ebenen aufgeht. „Ein Klub lebt nur, wenn er in Nachwuchs-Arbeit investiert. Wenn du zufriedene Kinder bei dir hast, hast du auch deren Eltern. Und dann kann etwas entstehen.“
Wie zum Beispiel die beiden großen Jugend-Turniere im U14- beziehungsweise im U18-Bereich, die Anfang Juli ausgetragen werden und für die man 70 bis 80 Helfer benötigt, um die Organisation zu stemmen. „Da haben am Anfang alle gesagt: ‚Das schafft ihr nie!‘ Wir aber haben gezeigt, dass es sehr wohl möglich ist.“ Auch dank dieser Turniere wurde das Budget des Vereins in den letzten zehn Jahren von 70.000 auf etwa 400.000 Euro erhöht, was den Gestaltungsmöglichkeiten im sportlichen Bereich sowohl an der Spitze als auch im Breitensport entgegenkommt.
Seit vier Jahren gehört auch die Raiffeisenbank Bludenz-Montafon als größter Unterstützer zur Sponsoren-Familie. „Eine Win-win-Situation“, freut sich Tschofen, der auch in Zukunft davon Abstand nehmen wird, bei seinem erfolgreichen Damen-Team zu weit in die Zukunft zu planen. „Wir müssen von Jahr zu schauen, mit welchen Spielerinnen wir planen können und was dann möglich ist“, sagt er. „Aber wie es ausschaut, dürften in ein oder zwei Jahren ein paar wirklich starke Talente nachrücken, an denen wir viel Freude haben werden.“ Und wer weiß, welche Erfolge dann möglich sind. Ganz ohne Fünf-Jahres-Strategie.