„Trump is back“ – mit mehr Macht ausgestattet, als sich Europa gewünscht hätte. Die Finanzmärkte scheinen kurzfristig gut mit den Ankündigungen Trumps umgehen zu können. Raiffeisen Research hat dennoch die Wirtschaftsprognose angesichts der ersten Reaktionen auf das Wahlergebnis revidiert, „auch wenn man noch nicht alles abschätzen kann“, wie Analyst Helge Rechberger beim Zertifikate-Webinar hervorstreicht.
Die Wahl von Donald Trump ist aus Sicht Rechbergers ein Dämpfer für das Wirtschaftswachstum der Eurozone, das im kommenden Jahr mit 1,2 Prozent um 0,3 Prozentpunkte geringer ausfallen dürfte als bisher angenommen. „Die Stimmungslage war in Europa auch schon vor Trump 2.0 bescheiden“, so der Kapitalmarktexperte. Auch wenn Trump massiv auf Zölle setzen will, um den US-Wirtschaftsstandort zu schützen, erwartet Rechberger eine Vorgehensweise wie aus der ersten Präsidentschaft: Mit Maximalforderungen wird die Rute ins Fenster gestellt, um eine bessere Kompromisslösung für die USA herauszuholen.
„Für die Chinesen kommt es aus jetziger Sicht ganz dick mit Zöllen von bis zu 60 Prozent, während für die Europäer Zölle von 10 bis 20 Prozent im Raum stehen. Da muss man aber erst schauen, ob alle oder nur bestimmte Produkte betroffen sein werden“, so Rechberger.
Trotz der angekündigten Wirtschaftserleichterungen erwartet Raiffeisen Research keine Änderungen für ihre US-Prognose. Denn einerseits dürften die angekündigten Deregulierungen und Steuersenkungen zwar positive Impulse bringen, während andererseits die wirtschaftliche Abschottung über die Zölle zu einer importierten Inflation führen werde. Damit dürften sich die Produkte für die US-Bürger insgesamt verteuern und zu einer Konsumzurückhaltung führen.
„Hier wird definitiv Inflation angeheizt. Wir glauben, dass eine noch unabhängige Fed unter Notenbank-Präsident Jerome Powell die Zinssenkungen etwas reduzieren wird. Die Federal Funds Rate dürfte im Jahr 2025 auf 3,75 Prozent sinken“, prognostiziert Rechberger. Vor Monaten wäre das noch als restriktiv bzw. inflationsdämpfend angesehen worden. Die Frage sei aber, was nach der Amtszeit von Powell kommen wird, denn sein Mandat endet im Mai 2026. Dagegen erwartet Rechberger beim eingeschlagenen Zinspfad der Europäischen Zentralbank (EZB) grundsätzlich keine Änderungen: „Wir glauben, dass der Weg nach unten in Europa vorgezeichnet ist.“ Allerdings könnte die EZB kurzzeitig etwas stärker an der Zinsschraube drehen, „weil das Wachstum in der Eurozone ohnehin schwach ist“.
„Mit Donald Trump und klaren Mehrheiten haben die Aktienmärkte das bekommen, was sie wollten“, heißt es in der Analyse von Raiffeisen Research. Die Erstreaktion an der Wall Street war euphorisch. Die Geschichte legt nahe, dass die Rally bis zum Jahresende anhalten könnte. Statistisch gesehen goutieren Börsen Planungssicherheit nach US-Präsidentschaftswahlen mit teils kräftigen Aufschlägen, berichten die Raiffeisen-Analysten. Zudem lockt Investoren die Aussicht auf Steuersenkungen und Deregulierung, welche S&P 500 & Co. antreibt. Die angepeilte Senkung der Körperschaftsteuer von 21 auf 15 Prozent hat auf die einzelnen Wirtschaftssektoren höchst unterschiedliche Effekte. Im Aggregat könnten diese für Corporate America aber von positiven Auswirkungen in der Höhe von 5 Prozent auf den Gewinn pro Aktie ausgegangen werden, heißt es in der Analyse.