„Klassik unter Sternen“ findet heuer zum 15. Mal statt, „Klassik in den Alpen“ zum zehnten – was macht die Konzerte jedes Jahr aufs Neue so besonders?
Elīna Garanča: Zuallererst sind es die neuen Freunde. Jeweils bringen sie neues Repertoire, neue Ausstrahlung und Energie. Dann sind es die neuen Stücke, die wir uns immer wieder ausdenken müssen und die Zusammenstellung eines Medleys, das das Programm abschließen wird. Dafür ist mein Mann Karel Mark Chichon verantwortlich, aber ich muss auch immer wieder aufs Neue nachdenken, was ich für das Publikum darbieten kann. Es sind inzwischen auch sehr viele gleiche Gesichter, die sich jedes Jahr das Konzert im Kalender markieren und es als Muss empfinden, Jahr für Jahr wiederzukommen. Es gibt aber auch immer wieder neue Gäste, die dann zu langjährigen Fans werden. Es ist eine schöne Mischung aus allem.
Heuer geben Sie mit „Vissi d’arte“ aus „Tosca“ eine der berühmtesten, aber auch herausforderndsten Arien zum Besten. Schwingt bei solchen Darbietungen auch etwas Nervosität mit oder ist das reine Routine?
Garanča: Die schwingt immer mit. Jedes Mal, wenn ich auf die Bühne gehe, habe ich Herzklopfen. Rein technisch habe ich zwar schon Schwereres gesungen, sie ist ja nicht die schwierigste Arie, aber sie ist emotional und psychologisch schwer. Alle großen Diven, die Soprani sind – ich bin ja ein Mezzosopran –, haben sie schon gesungen. Da hat man immer den großen Vergleich mit Maria Callas und anderen Grand Dames dabei. Aber ich denke mir: Wieso nicht? Es reizt mich einfach, etwas Neues auszuprobieren.
Seit einigen Jahren treten Sie im Rahmen der Konzerte auch mit jungen Operntalenten auf. Warum ist es Ihnen wichtig, aufstrebende Talente mit dem, gemeinsam mit der Raiffeisen-Holding NÖ-Wien initiierten, Wettbewerb „ZukunftsStimmen“ zu unterstützen?
Garanča: Erstens, weil ich in das Alter komme, in dem ich langsam über meinen Abschied nachdenke. Ich konnte so viel Erfahrung und technisches und musikalisches Können ansammeln. Es wäre schade, dieses, wenn ich sterbe, einfach ungenützt mitzunehmen. Außerdem macht es mir Spaß, den jungen Leuten neue Vorschläge, neue Ideen und Anregungen mitzugeben. Und wenn ich sehe, dass ich ihnen wirklich etwas beigebracht habe, dann fühle ich mich nützlich. Manchmal, wenn ich mit jungen Sängern arbeite, dann zeige ich ihnen, was sie falsch gemacht haben und wie es richtig geht und muss mich dann auch selbst fragen: Wieso mache ich das auch oft falsch? Es ist ein Geben und Nehmen.
„Ich musste meinen eigenen Weg suchen, finden und weiterentwickeln.“
Elīna Garanča
Hatten auch Sie jemanden, der Sie auf Ihrem Weg begleitet hat oder waren Sie auf sich allein gestellt?
Garanča: In sehr vielen Situationen war ich alleine, weil ich auch sehr jung aus Lettland weggegangen bin. Einen Mentor habe ich immer gesucht, aber es war auch wichtig, mich selbst bewerten und beurteilen zu können und zu wissen, dass ich es niemandem nachmachen kann. Ich musste meinen eigenen Weg suchen, finden und weiterentwickeln. Natürlich habe ich viele Fragen gestellt, aber am Ende hat mich mein Bauchgefühl geführt.
Wodurch hat Sie Felix Pacher, der diesjährige Gewinner von „ZukunftsStimmen“, überzeugt?
Garanča: Das Projekt heißt ja „ZukunftsStimmen“, also ist als Erstes die Stimme hervorgestochen und deren mögliche Zukunft. Er ist mit 24 Jahren noch jung, hat definitiv Potenzial, die Ausstrahlung, das Aussehen und die Energie. Jetzt muss er arbeiten, Disziplin behalten und pragmatische Langzeitplanung machen.
Mit den jungen Talenten auf der Bühne braucht es auch junge Menschen im Publikum. Wie kann man jüngere Generationen für die Oper und für Klassik begeistern?
Garanča: Wenn ich das wüsste. Ich glaube, die Verantwortung liegt bei den Eltern und den Schulen, die Neugier bei der jüngeren Generation zu wecken. Man muss auch nicht unbedingt in die teuerste Premiere der Salzburger Festspiele gehen, es gibt auch Stehplätze und Studententickets. Aber man muss sie stimulieren. Statt mit Freunden ins Einkaufszentrum zu gehen, kann man sich einmal dazu entscheiden, stattdessen in die Oper zu gehen. Es kann sein, dass das dann klappt und es kann auch sein, dass es nicht klappt, aber wenigstens hat man dem Kind die Chance gegeben, etwas Neues zu entdecken.
Mit welcher Erwartung gehen Sie dieses Jahr an die Konzerte heran?
Garanča: Erstens, dass es mit dem Wetter klappt, dass wir alle gesund sind und dass wir einfach den Abend genießen können. Das Programm steht noch nicht zu hundert Prozent fest, bis Mitte Juni wird es aber ausgesucht und das Material wird verteilt. Erwartungen an das Publikum habe ich keine. Ich gehe voller Liebe und Zuneigung auf die Bühne und nicht mit der Erwartung, dass ich etwas dafür bekomme.