Der strukturelle Wandel am Arbeitsmarkt stellt kleine und mittelgroße Unternehmen vor massive Herausforderungen, vor allem der Fachkräftemangel bleibt die Sorge Nummer eins, auch wenn sich die Lage etwas entspannt haben dürfte, zeigt eine Umfrage der Unternehmensberatungsgesellschaft EY.
Für zwei Drittel der rund 500 befragten Unternehmen stellt der Mangel an Fachkräften weiterhin das größte Wachstumsrisiko dar. Darüber hinaus sorgen sich die mittelständischen Unternehmen über eine potenzielle Rezession (65 Prozent), hohe Energiepreise (61 Prozent) und die Inflation (62 Prozent) als weitere zentrale Risiken.
Die Umfrage wurde im August und September 2024 durchgeführt. Zu diesem Zeitpunkt gaben 71 Prozent der befragten Unternehmen an, Schwierigkeiten zu haben, neue und ausreichend qualifizierte Mitarbeiter zu finden. Im Vergleich zum Jahresbeginn 2024, als noch 82 Prozent diese Herausforderung als sehr schwierig bezeichneten, hat sich die Situation zumindest etwas gebessert. Besonders problematisch bleibt die Fachkräfterekrutierung jedoch in bestimmten Branchen wie dem Immobilien- und Baugewerbe, in dem 36 Prozent der Unternehmen die Situation als „sehr schwierig“ bewerten. Auch im Tourismussektor berichten 30 Prozent der Betriebe von einer besonders angespannten Lage, während der Gesundheits- und Life-Science-Sektor mit nur 15 Prozent relativ weniger betroffen ist.
Regionale Ausprägungen
Die Umfrage zeigt auch regionale Unterschiede beim Fachkräftemangel. In Kärnten sind 42 Prozent der Unternehmen stark betroffen, gefolgt vom Burgenland (38 Prozent) und Salzburg (35 Prozent), wo die Rekrutierung als „sehr schwierig“ eingestuft wird. Im Gegensatz dazu sind Unternehmen in Vorarlberg weniger betroffen: Hier bewerten nur 18 Prozent die Fachkräfterekrutierung als „sehr schwierig“.
Grundsätzlich nennen die Unternehmen mehrere Gründe für den Fachkräftemangel in Österreich. Der wichtigste Faktor ist die geringe Bereitschaft der Bewerber, in Vollzeit zu arbeiten (61 Prozent). Der demografische Wandel und die Alterung der Bevölkerung werden von 39 Prozent der Betriebe als zweithäufigster Grund genannt. Ein weiteres zentrales Problem sind die mangelnde Ausbildung und Qualifikation der Bewerber (36 Prozent). Fast ein Viertel der Unternehmen kritisiert die unzureichende Unterstützung durch die Regierung – dieser Anteil ist im Vergleich zum Jahresbeginn 2024 (31 Prozent) leicht gesunken.
Die Unternehmen schätzen die Perspektiven für die kommenden Jahre wenig optimistisch ein: 84 Prozent gehen davon aus, dass sich der Fachkräftemangel weiter verschärfen wird. Besonders pessimistisch sind der Gesundheits- und Life-Science-Sektor (94 Prozent) sowie kleinere Unternehmen, die bereits jetzt mit Ressourcen-engpässen kämpfen (90 Prozent). Nur eine kleine Minderheit von 2 Prozent erwartet keine Verschärfung der Lage. „Der Fachkräftemangel ist ein strukturelles Problem, das nicht über Nacht gelöst werden kann. Besonders kleinere Unternehmen, die häufig über weniger Ressourcen für aufwendige Rekrutierungsprozesse verfügen, stehen im intensiven Wettbewerb um Talente unter erheblichem Druck. Der Druck wächst, neue Strategien zur Gewinnung und Bindung von Fachkräften zu entwickeln, um wettbewerbsfähig zu bleiben“, erklärt Erich Lehner, Partner und Mittelstandsexperte bei EY Österreich.
Verhaltene Dynamik
Laut der aktuellen Erhebung planen 23 Prozent der Unternehmen in Österreich, in den nächsten Monaten neue Mitarbeiter einzustellen. Dieser Anteil liegt etwas höher als in den vergangenen beiden Jahren, in denen jeweils nur 21 Prozent der Unternehmen Neueinstellungen anstrebten. Gleichzeitig bleibt der Anteil der Betriebe, die Stellen abbauen wollen, mit 18 Prozent auf dem hohen Niveau vom Jahresbeginn 2024. Ein noch höherer Anteil wurde nur zu Beginn der Finanz- und Wirtschaftskrise 2009 gemessen. Insgesamt zeigt die Studie eine verhaltene Beschäftigungsdynamik im Mittelstand: Im Durchschnitt planen die befragten Unternehmen, ihre Belegschaft in den kommenden sechs Monaten um 3,5 Prozent zu reduzieren. Diese Zahl markiert eine der schwächsten Entwicklungen der letzten Jahre.
Von einer langfristigen Verschärfung des Arbeitskräftemangels insgesamt durch die Alterung der Gesellschaft warnt das Wiener Institut für internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw). Selbst unter optimistischen demografischen Annahmen, Zuwanderung und höherer Erwerbsbeteiligung werde es in Österreich ab den frühen 2030er-Jahren einen akuten Arbeitskräftemagel geben, wird prognostiziert. Allein im Zeitraum 2022 bis 2027 gehen rund 540.000 Menschen der geburtenstarken Babyboomer-Jahrgänge in Pension, so das wiiw. Diese wegfallenden Arbeitskräfte dürften nicht vollständig durch jüngere Menschen kompensiert werden können, weil nachfolgende Jahrgänge wesentlich geburtenschwächer seien. Für den Wirtschaftsstandort rechnet das wiiw daher mit Einschränkungen beim mittelfristigen Wachstum.