Mehrere Bankpleiten in den USA und das Aus der Credit Suisse. Wie groß ist die Ansteckungsgefahr?
Florian Stryeck: Ich sehe kein Risiko einer breitflächigen Finanzkrise. In den USA waren es Institute mit starken Zins- und Liquiditätsrisiken, diese sind in Europa streng reguliert und limitiert. Die Credit Suisse ist ein Spezialfall. Man muss aber sagen, die Geschwindigkeit, mit der es hier zu einer Lösung gekommen ist, ist bemerkenswert. Mit der Fusion und der Hilfe der Schweizer Nationalbank, die massiv Liquidität bereitgestellt hat, wurde schnell klar, dass man keinen Flächenbrand entstehen lassen will.
Wie geht es der Raiffeisen-Bankengruppe Steiermark im aktuellen Umfeld?
Stryeck: Die Bilanzen sind aktuell noch in Finalisierung, die Banken erwarten aber sehr solide Zahlen. Der Wirtschaft geht es gut. Die Kunden haben sich auf die Auswirkungen der kriegerischen Auseinandersetzung und die Nachwehen von Corona eingestellt und sind bis dato gut durch diese Krise gekommen. Auch die Insolvenzzahlen zeigen ein gutes Bild. Die Unternehmens-Ratings sind stabil und auch bei den Privatkunden zeigt sich in Summe ein robustes Bild, weil wir nie aggressiv Kredite vergeben haben. Eine Eintrübung sehen wir nur punktuell bei Projektfinanzierungen, die variabel verzinst sind, und bei Neukrediten vor allem im privaten Wohnbau. Die KIM-Verordnung kam zu einer Unzeit und mit zu drastischen Parametern. Da muss dringend gegengesteuert werden.
Für einen Risikovorstand wirken Sie dennoch sehr entspannt.
Stryeck: Im Risikomanagement sind wir sehr achtsam und schauen ganz genau auf Risikohäufungen. Mit unseren Szenario-Analysen und Stresstests bekommen wir einen guten Überblick und können deshalb ruhig schlafen. Auch unser umfassender Risiko- und Eigenmittelverbund in der Raiffeisen-Bankengruppe Steiermark funktioniert sehr gut. Gemeinsam können wir früh erkennen und im Bedarf reagieren, wenn es Auffälligkeiten im steirischen Sektor geben sollte. Diesen Verbund haben wir seit 2014 und er ist wirksam. Mit unseren Steuerungsmechanismen hatten wir den höchsten Eigenmittelaufbau im Österreichvergleich und sind jetzt bei 25 oder 26 Prozent Eigenmittelquote auf Primärebene. Das Ziel war, sich den Abzug des zentralen Instituts leisten zu können, und das geht sich jetzt locker aus.
Wie ist es gelungen, Eigenmittel aufzubauen?
Stryeck: Wir haben ein Anreizsystem entwickelt. Wenn man viele Eigenmittel verbraucht, dann muss man in den Verbund einzahlen und das Geld bekommen die, die weniger Eigenmittel aufgebraucht haben. Das rechnen wir einmal im Jahr und dann gibt es Ausgleichszahlungen.
Dämpft diese Strategie nicht die Kreditvergabe?
Stryeck: Nein, es hat aber die Kreditqualität verbessert und den Blick geschärft. Man achtet genauer darauf, welche Segmente man stärker wachsen lässt, welche weniger. Wir haben etwa zehn Risikokennzahlen gemeinsam sukzessive erarbeitet. Das Monitoring läuft monatlich mit, alle zwei Monate trifft sich das steirische Sektor-Risikokomitee zur Interpretation der Daten und um etwaige Maßnahmen gemeinsam für Raiffeisenbanken zu beschließen. Dazu gibt es ein gutes Einvernehmen im steirischen Sektor. Wir sind keine zweite Aufsicht, sondern haben eine Verantwortung für einen Verbund.
„Wir achten sehr stark auf Sicherheiten.“
Florian Stryeck
Wie hat sich das Risiko der Raiffeisen-Landesbank Steiermark entwickelt?
Stryeck: Die Risikosituation ist in etwa stabil. Nach den bekannten Schwankungen im Vorjahr hat sich die Situation wieder eingependelt. Wir haben Risikovorsorgen gebildet, um bei Bedarf gerüstet zu sein. Unser Kreditportfolio ist in einer guten Verfassung. 95 Prozent sind in guten bis besten Bonitäten und wir achten sehr stark auf Sicherheiten. Tatsächliche Abschreibungen haben wir bis jetzt noch nicht gehabt. Ich könnte mir das eher im 2024er-Jahr vorstellen.
95 Prozent in bester Bonität – gibt es da überhaupt noch Potenzial?
Stryeck: Wir haben eine gute Marktposition, aber es gibt immer noch Luft nach oben. Wir versuchen das Geschäftsmodell modern und digital zu halten und schauen, wie wir unsere Kunden bestmöglich begleiten können und so gezielt Geschäftstätigkeiten über die Steiermark hinaus erweitern. Wir haben uns vor allem in der Projektfinanzierung einen guten Namen gemacht.
Wie schafft man es, zu wachsen und gleichzeitig das Risiko gering zu halten?
Stryeck: Wir versuchen, gut zu verstehen, was unsere Kunden tun und welche Risiken das Geschäftsmodell beinhaltet. Wir sehen uns nicht als Verhinderer, sondern als Begleiter. Risiken sind auch Ertragschancen.
Inwiefern?
Stryeck: Die Bepreisung unserer Kredite sollte das Risiko abbilden. Größeres Risiko, größerer Aufschlag – darauf achten wir. Zudem arbeiten wir mit modernen Verbriefungstechniken, um unser Kreditrisiko aktiv zu steuern. Eine Verbriefung bringt einen Kreditrisikotransfer nach außen und macht Kapital frei für neue Kreditvergaben. Die EIB und der EIF, also Europäische Investitionsbank und Investitionsfonds, vergeben das nur, wenn man sich gleichzeitig verpflichtet, neue Kredite an KMUs und im Bereich Innovation und Nachhaltigkeit zu vergeben. Diese Förderzwecke sind genau die strategischen Geschäftsfelder, die für unsere Bank wichtig sind. Die Konditionen für den Kunden verbessern sich dadurch auch. Wir haben bereits rund 500 Millionen an Krediten verbrieft und damit unsere Kernkapitalquote um fast einen halben Prozentpunkt verbessert. Es war für alle ein enorm spannendes Projekt, vom Vertrieb bis hin zum Meldewesen. Ich bin ein Fan davon und wir bleiben weiter am Thema dran.
Dranbleiben muss man auch bei der Nachhaltigkeit. Wie groß sind die Nachhaltigkeitsrisiken in der RLB Steiermark?
Stryeck: Wir sehen die strategische Relevanz und waren früh am Thema dran. Aus diesem Grund gibt es auch ein eigenes Vorstandsressort „Transformation“, das sich auch mit der Nachhaltigkeit beschäftigt und von meiner Vorstandskollegin Ariane Pfleger verantwortet wird. Wir haben Entscheidungsgremien, die das Kreditportfolio durchleuchten, haben Anreize für nachhaltige Finanzierungen, die wir suchen, und wir schließen bestimmte Geschäfte bewusst aus. Das Thema Taxonomie braucht sicher noch einiges an Umsetzung, weil wir auch die letzten Standards noch nicht vorliegen haben. Aber da geht es uns gleich wie den anderen Landesbanken.
Man will ja sektorweit an der Umsetzung arbeiten.
Stryeck: Ja, es gibt das gemeinsame Ziel, eine Lösung für ganz Österreich anzuschaffen, wo wir uns vom Scoring bis zur Taxonomie auf eine Methodik einigen. In der Kooperation liegt viel Tempo und Effizienz. Ich orte da auch bei meinen Kollegen einen absoluten Willen, diese bundesweite Kooperation voranzutreiben.
„Eine Rezession sehen wir Nicht.“
Florian Stryeck
Gibt es noch andere Bereiche, wo Sie sich mehr Zusammenarbeit vorstellen können?
Stryeck: Bei unserem Data Warehouse sind wir auch dran, zu einer österreichweiten Lösung zu kommen. In der Banksteuerung beziehungsweise Geldwäsche und Compliance oder auch beim Treasury-Handelssystem gehen wir in weiten Teilen schon harmonisiert vor. Da ist einiges, was wir gemeinsam bewerkstelligen können und teilweise schon tun. Ein gemeinsames Data Warehouse unter Wahrung aller datenrechtlichen Voraussetzungen ist jedenfalls sinnvoll.
Welche Daten sollen dort liegen?
Stryeck: Bank- und Kundendaten im gleichen Raster, in der gleichen Methodik, mit den gleichen Maschinen und nicht acht verschiedenen Tools. Das wird uns schneller machen, günstiger produzieren lassen und unsere Experten freispielen, um sich neuen Themen zu widmen. Inhaltlich und methodisch sind wir uns schon sehr nahe, aber natürlich haben wir unterschiedliche Investitionszyklen. Wenn etwas frisch angeschafft wurde, kann man das nicht morgen ablösen. Da wird man einen Weg finden müssen, wie wir das für alle verdaulich zusammenführen. Bei Neuinvestitionen muss es bedingungslos einen gemeinsamen Weg geben.
Wie ist Ihr Ausblick auf das Gesamtjahr 2023?
Stryeck: Wir werden da und dort Eintrübungen sehen – überall wo man konsumabhängig ist –, aber die Raiffeisen-Bankengruppe Steiermark ist dafür gut gerüstet. Im Moment sehen wir mit Blick auf 2023 und 2024 alles bewältigbar. Eine Rezession sehen wir nicht.