Keine Angst vor der KI

Beim Forum für Premium Privat- und Geschäftskundenbetreuer in Salzburg wurde diskutiert, wie Künstliche Intelligenz die Arbeitswelt der Banken verändern wird.

Symbolbild KI
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Was hat ein Bonuszertifikat mit einer Zauberkiste zu tun? Und wo liegen die Vorteile beim Verzehr eines Glases? Wer Interesse an der Beantwortung dieser Fragen hat, der kann sich an ChatGPT wenden. Doch Vorsicht: Nicht immer sollte man der Künstlichen Intelligenz (KI) dahinter Vertrauen schenken. Was es mit Sprachmodellen auf sich hat und wo KI im Bankenbereich bereits heute eingesetzt wird, wurde auf dem diesjährigen Forum für Premium Privat- und Geschäftskundenbetreuer in Salzburg diskutiert. Geschäftsleiter Manfred Quehenberger, der beim Raiffeisenverband Salzburg (RVS) den Bereich Privat- und Geschäftskunden verantwortet, betonte zu Beginn der Veranstaltung, dass er KI als große Chance sehe. „Wir sollten keine Angst vor der KI haben. Es wird uns in vielen Bereichen helfen, Kosten einzusparen. Zudem werden wir den Kundenbedarf viel zielgerichteter erkennen können.“ 

Qualifizierte Beratung

2023 sei ein ausgezeichnetes Geschäftsjahr gewesen, berichtet Quehenberger: „Wir sind wieder in der normalen Welt angekommen. Wir haben Liquidität gewonnen und konnten faire Zinsen an unsere Kunden zahlen.“ Die Herausforderungen im Bankengeschäft werden dennoch größer: „Zum einen wird die Komplexität durch die gestiegene Regulatorik höher. Zum anderen wird die Personalsituation immer herausfordernder. Junge, qualifizierte Leute zu bekommen wird eine Mission Impossible“, sagt der RVS-Geschäftsleiter.

Manfred Quehenberger will 2024 die Vorteile einer Universalbank mehr in den Fokus rücken.
Manfred Quehenberger will 2024 die Vorteile einer Universalbank mehr in den Fokus rücken. © RVS/Waltraud Dorn

Als dritte Herausforderung nannte er den stärker werdenden Mitbewerb. Eine qualifizierte Beratung werde deshalb immer wichtiger. Für 2024 wünscht sich Quehenberger, dass die Vorteile der Universalbank mehr in den Fokus rücken. Dabei dürften die Themen Kundennähe und Beratungsqualität als Alleinstellungsmerkmale von Raiffeisen nicht aus den Augen gelassen werden. Es gelinge noch zu wenig, aktiv auf Kunden zuzugehen. Dabei spiele auch das Thema KI eine immer wichtigere Rolle: „Früher haben wir uns viel mit Produktthemen beschäftigt, jetzt müssen wir uns auch mit Technologie beschäftigen.“ 

Rasante Entwicklung

Radomir Dinic, Senior Lecturer für Game & Mixed Reality an der FH Salzburg, nahm die 120 Kundenbetreuer mit auf eine rasante Fahrt durch die Entwicklungen der KI. „Künstliche Intelligenz ist keine junge Technologie“, sagt Dinic. Bereits 1936 habe der britische Mathematiker Alan Turing mit der „Turingmaschine“ den theoretischen Grundstein für KI gelegt. Turing bewies, dass eine Rechenmaschine in der Lage wäre, kognitive Prozesse auszuführen, wenn sich diese in einem Algorithmus darstellen lassen. 

Künstliche Intelligenz befindet sich vor allem seit der Veröffentlichung von ChatGPT, ein Textgenerator des US-amerikanischen Unternehmens OpenAI, im Fokus des öffentlichen Interesses. „Es ist immer die Rede von KI, in der Regel ist damit Generative KI gemeint“, erklärt Dinic. Das ist die Form der Künstlichen Intelligenz, die gestützt auf Daten, Texten oder Bildern andere Inhalte produzieren kann. „Es ist unvorhersehbar, wo die Reise hingeht“, so Dinic. Die Entwicklung schreite aber schnell voran. Erst Anfang März gab das US-amerikanische Unternehmen Anthropic bekannt, mit der Maschine Claude v3 den Konkurrenten von OpenAI überflügelt zu haben. 

Täuschend echte Videos

KI ist vielfältig einsetzbar. Es lassen sich nicht nur Texte oder Bilder, sondern auch Videos erstellen. Der Videogenerator OpenAI Sora soll noch in diesem Jahr für alle zugänglich gemacht werden. Die Ergebnisse seien bereits jetzt verblüffend, so Dinic. Der KI-Experte zeigte dem Publikum ein KI-generiertes Video von spielenden Welpen im Schnee: „Die Entwicklungssprünge und das Verständnis von Physik sind schockierend.“ Große Unternehmen arbeiten zudem an humanoiden Robotern. Tesla Optimus, ein humanoider Allzweckroboter, soll nächstes Jahr auf den Markt kommen. 

Radomir Dinic (u.) betont, dass Künstliche Intelligenz keine junge Technologie ist, aber trotzdem sei es unvorhersehbar, wo die Reise hingeht.
Radomir Dinic betont, dass Künstliche Intelligenz keine junge Technologie ist, aber trotzdem sei es unvorhersehbar, wo die Reise hingeht. © RVS/Waltraud Dorn

Diese rasante Geschwindigkeit wirft viele Fragen auf. „Wo viel Licht ist, da ist auch viel Schatten“, betont Dinic. Eine der größten Fragen: Wie erkenne ich die Echtheit einer Stimme, eines Bildes oder eines Videos? „Es muss ein Bewusstsein für die Gefahren geschaffen werden“, so Dinic. Das sei auch für Bankmitarbeiter wichtig: „Wenn die nette, ältere Kundin anruft, die Sie seit Jahren kennen, können Sie sich nicht mehr sicher sein, dass sie es wirklich ist.“

Ergebnisse stets hinterfragen

Auch wer KI-Tools im Arbeitsalltag anwenden möchte, sollte einige Punkte beachten: „Keine persönlichen Daten und Betriebsgeheimnisse eingeben. Und wenn möglich, nicht die freie Version, sondern die Bezahlversion nutzen“, rät Dinic. Die Ergebnisse der Sprachmodelle sollte man stets hinterfragen. Der KI-Experte führte dem Publikum in Salzburg vor, warum das wichtig ist: Dinic gab dem Sprachmodell ChatGPT die Anweisung, einen fundierten wissenschaftlichen Artikel zum Thema Glasverzehr zu verfassen. Die Antwort: „Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass der Konsum von Glas gesundheitliche Vorteile haben kann.“ Dann verweist das Modell auf den reichhaltigen Mineralstoff- und Ballaststoffgehalt von Glas. Das Beispiel zeigt: „Vor allem das Wissen in der Standardversion ist nicht verlässlich. Die Systeme lernen permanent, die Tools sind aber nicht perfekt“, so Dinic.

Strategiegespräch vorbereiten

Wie können Bankmitarbeiter von der neuen Technologie profitieren? Mit ChatGPT lassen sich Verhandlungen oder Gespräche simulieren, dadurch könne ein Mehrwert im Kundengespräch entstehen, betonte Bernhard Wimmer, Experte für Geschäftskunden beim RVS. Ein Bankberater könnte mithilfe von ChatGPT ein Strategiegespräch mit einem Kunden aus der gehobenen Hotellerie vorbereiten.

Das Publikum beim Forum für Premium Privat- und Geschäftskundenbetreuer in Salzburg
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„Die KI liefert Fragen aus Kunden- und Bankenperspektive rund um die Herausforderungen der Branche, ohne dass persönliche Daten eingegeben werden müssen“, so Wimmer. Zudem könne ChatGPT helfen, einem Kunden kompliziertere Begriffe oder Sachverhalte zu beschreiben. Das Wort Bonus-Zertifikat erklärt das Sprachmodell in kurzen Sätzen – falls nötig auch für ein Kind. In diesem Fall wird das Bonus-Zertifikat zur „magischen Zauberkiste“, die helfen soll, mehr Schokolade zu bekommen. Die Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig. Wichtig sei es aber, interne Richtlinien für ChatGPT-Interaktionen festzulegen, empfiehlt Dinic. 

Beim Raiffeisenverband Salzburg tritt man, was die Nutzung von ChatGPT und Co angeht, sowieso erst einmal auf die Bremse. Da die Salzburger Raiffeisenbanken im September in das bundesweite IT-System migrieren, laufen die Vorbereitungen dafür auf Hochtouren. Die Implementierung von KI-Tools werde intensiv geprüft und nach der Umstellung auf das neue IT-System in die Softwarelandschaft integriert, heißt es beim RVS.

KI bei der Aktienauswahl

Auch in der Asset-Management-Industrie wird diskutiert, welche Prozesse die KI in der Branche optimieren könnte. Kevin Endler, Leiter des quantitativen Portfoliomanagements bei der Fondsgesellschaft Acatis aus Frankfurt, berichtete in Salzburg vom KI-gesteuerten Fonds Acatis AI Global Equities, den das Unternehmen seit 2017 auflegt. „Unsere KI sucht durch millionenfache Firmenvergleiche die zukünftigen Gewinner der Sektoren“, erklärt Endler. „Die entscheidende Frage lautet, wer auf Basis der Firmenkennzahlen über die nächsten sechs bis zwölf Monate die beste Performance abliefern wird. Am Ende werden 50 Titel ins Portfolio aufgenommen.“ Die KI präferiere kleinere und mittelgroße Unternehmen. „Es ist ein innovatives Produkt mit vielen Vorzügen und bietet eine hohe Diversifikation“, so Endler.  Ziel sei es auch weiterhin, neue Daten zu finden, die dem Modell eine andere Perspektive geben. Endler betont aber: „Nach wie vor ist der Mensch in jedem Prozessschritt der entscheidende Faktor.“

David Eschwé erklärt: „Nur KI allein wird nichts bringen, erst zusammen mit internen Daten kann sie ihre Vorteile entfalten.“
David Eschwé erklärt: „Nur KI allein wird nichts bringen, erst zusammen mit internen Daten kann sie ihre Vorteile entfalten.“ © RVS/Waltraud Dorn

Neue Investmentmöglichkeiten

Bei der Raiffeisen Bank International wird KI als „fester Bestandteil der Zukunft angesehen“, berichtet David Eschwé, der bei der RBI das Team „Group Advanced Analytics“ leitet. Ein Klassiker sei „Next Best Offer“. Mit diesem Modell wird versucht, vorherzusagen, welches Produkt ein Kunde am wahrscheinlichsten als Nächstes abschließen wird. „Nur KI allein wird nichts bringen, erst zusammen mit internen Daten kann sie ihre Vorteile entfalten“, betont Eschwé. „Seit fünf Jahren sind wir auf der Amazon Cloud unterwegs. Man braucht starke Maschinen, die man Inhouse nicht zur Verfügung stellen könnte.“

Die RBI sieht sich auch als Vorreiterin, wenn es um Blockchain geht. Die Branche sei zwar noch überschattet durch den „Krypto-Winter“, so Gernot Prettenthaler, Leiter des Blockchain Hub der RBI. Die Tokenisierung von Vermögenswerten – also der Prozess der Umwandlung verschiedener Finanzanlagen wie Aktien oder Rohstoffe in digitale Token – könne laut Prettenthaler aber neue Investitionsmöglichkeiten für die breite Öffentlichkeit bieten. „Der Vorteil von Tokensierung ist, dass man sehr kleinteilig agieren kann“, erklärt Prettenthaler. Das Marktvolumen tokenisierter Assets werde sich bis 2030 um den Faktor 20 oder 30 erhöhen. „Wir werden uns als Bank diesem Spiel öffnen müssen.“