Finanzbewusstsein stärken

Raiffeisen will Frauen unterstützen, informiert finanzielle Entscheidungen zu treffen. Dazu werden in einem Projekt der RLB Steiermark die Grundlagen erarbeitet. In welche Richtung es geht, erklärt die Veranlagungsexpertin Petra Zehetleitner-Ruderer.

Eine Frau sitzt an einem Laptop, Symbolbild
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Die Raiffeisen-Landesbank Steiermark will das Bewusstsein von Frauen für ihre finanzielle Unabhängigkeit stärken. Ihnen fehlen oft die nötigen Informationen, finanziellen Möglichkeiten oder auch die Zeit, sich mit Finanzthemen zu beschäftigen. In einem Projekt der RLB Steiermark wurde nun gemeinsam mit der Universität Graz Wissenswertes zu diesem Thema zusammengetragen. „Wir möchten Frauen ermutigen, ihre Finanzen selbst in die Hand zu nehmen. Dafür bedarf es vor allem der Bewusstseinsbildung“, erklärt Petra Zehetleitner-Ruderer, Leiterin des Competence Centers Veranlagung und Wertpapiere in der RLB Steiermark. Die Idee für dieses Projekt ist nach dem ersten Bundeskongress zum Thema Diversität entstanden.

Mit der Erstellung des Folders „Frauen & Finanzen“ ist nun ein erster Schritt erfolgt, der „kleine Denkanstöße für ein monetär selbstbestimmtes Leben“ geben soll. Demzufolge ist die „Einkommensschere“ zwischen Männern und Frauen beim durchschnittlichen Brutto-Stundenlohn in Österreich mit knapp 19 Prozent im Vergleich mit anderen EU-Staaten relativ hoch. Selbst in Vollzeitbeschäftigung verdienen Frauen im Laufe ihres Erwerbslebens um rund 500.000 Euro weniger als Männer. „Wir haben darüber hinaus europaweit eine der höchsten Teilzeitquoten“, betont die Veranlagungsexpertin. Fast jede zweite Frau arbeitet Teilzeit, bei den Männern sind es 11,6 Prozent. Was noch dramatischer ist als die hohe Teilzeitquote der Frau, sei, dass drei Viertel der Mütter mit Kindern unter 15 Jahren Teilzeit beschäftigt sind.

Die höhere Teilzeitquote und der Gender-Pay-Gap, also ein geringerer durchschnittlicher Brutto-Stundenlohn von Frauen im Vergleich zu Männern, bringen den Frauen nicht nur kurzfristig ein niedrigeres Erwerbseinkommen, sondern erschweren dauerhaft den Vermögensaufbau und führen auch zu einer geringeren monatlichen Pensionsleistung. Im Schnitt haben Frauen eine um 42 Prozent geringere Pension, mit der sie auskommen müssen. Zwei Drittel der armuts- und ausgrenzungsgefährdeten Senioren sind Frauen. Dabei wäre das finanzielle Ansparen angesichts der längeren Lebenserwartung und der größeren Pensionslücke notwendiger denn je.

Frühzeitig vorsorgen

„Frauen müssen früher anfangen, finanziell für sich vorzusorgen. Dabei wollen wir ihnen in unserer Beratungsverantwortung noch stärker unter die Arme greifen“, betont die Finanzexpertin. Der Folder bietet dazu eine gute Gelegenheit, um in dieses vielschichtige Thema einzusteigen. Es sei besonders wichtig, die Zusammenhänge aufzuzeigen und auf diese einzugehen.

Dass Frauen im Schnitt eine deutlich geringere Pension haben, geht neben dem bereits erwähnten Gender-Pay-Gap und der Teilzeitbeschäftigung auch darauf zurück, dass Frauen das Regelpensionsalter um fünf Jahre früher erreichen als Männer und sie daher aufgrund ihrer Erwerbsbiografie weniger auf das Pensionskonto einzahlen. Ab 1. Jänner 2024 bis zum Jahr 2033 wird das Regelpensionsalter der Frauen an jenes der Männer (65 Jahre) angepasst.

Darüber hinaus spielt auch die Berufswahl eine wichtige Rolle. Frauen sind mehr in Berufen mit geringerem Einkommen tätig wie dem Handel, der Pflege oder anderen Dienstleistungsbereichen. „Wenn Frauen in Berufen tätig sind, die eher von Männern dominiert werden, dann fällt der Gender-Pay-Gap geringer aus“, sagt Zehetleitner-Ruderer.

Neben dem Folder sollen auch Veranstaltungen wie Online-Konferenzen oder Kundenveranstaltungen dazu beitragen, mit diesem wichtigen Thema in die Breite zu kommen. „Das ist für die Bewusstseinsbildung wichtig“, sagt die Expertin. Das zeigten im Vorjahr der erstmals in der Raiffeisenbank Oststeiermark Nord veranstaltete „Female Monday“ sowie das erste „Wir Frauen – Business Breakfast“ der RLB Steiermark – beide Veranstaltungen stießen auf großes Interesse. Solche Events will man in der Raiffeisenbankengruppe Steiermark künftig verstärkt anbieten, etwa im Rahmen der „Oktober-Gespräche“.

Persönliche Beratung wichtig

„Um etwas wirklich nachhaltig bewegen zu können, braucht es aber die Face-to-Face-Beratung. Dabei wollen Frauen lieber von einer Frau beraten werden, zitiert die Finanzexpertin Umfragen. Das Interesse an Finanzthemen hängt einerseits mit der Bildung und dem Alter zusammen. „Je höher gebildet und je jünger die Frauen sind, desto größer ist das Interesse an Finanzthemen“, berichtet Zehetleitner aus der Beratungspraxis. Das bestätigen auch Studien: Frauen mit Matura bzw. einem Abschluss an der Universität oder Fachhochschule seien dem Thema aufgeschlossener als Frauen ohne Reifeprüfung.

Die derzeitige Generation der über 40- und 50-jährigen Frauen habe sich kaum um das Thema gekümmert, weil im Familienverband dieses Thema meist vom Mann besetzt wurde, erklärt die Finanzexpertin. Dazu komme, dass Frauen grundsätzlich zurückhaltender beim Thema Finanzen seien als Männer. Während Letztere das Thema oft von sich aus ansprechen und auch vielfach Entscheidungen alleine fällen, müsse man Frauen aktiv darauf ansprechen. Das ist gerade für Raiffeisen eine große Chance, denn: „Auch in Zeiten verstärkter Digitalisierung und Transformation sind wir eine Beraterbank und verfügen über den direkten Kundenzugang“, streicht die Expertin hervor.

Keine „Frauenprodukte“

 Wichtig für uns dabei ist, dass die Kundenberatung prinzipiell geschlechterunabhängig ist und es keine spezifischen Frauenprodukte gibt. „Selbstverständlich haben wir auch bisher schon immer Frauen beraten. Jetzt wollen wir das mit zielgerichteten Schulungen noch besser machen“, erklärt Zehetleitner-Ruderer, die auch Bankberater in der Bankengruppe ausbildet. Es gebe einen gewissen Nachholbedarf in der Ausbildung der Bankberaterinnen. Während der Frauenanteil in den ersten zwei Berechtigungsklassen der Berater bei rund 40 Prozent liegt, beträgt dieser in der dritten Klasse, wo über komplexere Kapitalmarktprodukte beraten wird, zwischen 15 und 20 Prozent. Und auch das Private Banking sei meist überwiegend männlich besetzt. „Da fehlt uns ein bisschen der Nachwuchs. Ich hoffe, dass wir mehr Damen auch in die gehobene Beratung bringen können“, sagt die Finanzexpertin.  

Die Kooperation mit der Universität Graz soll jedenfalls fortgesetzt werden. Der Fokus werde nun auf die Schwerpunkte der Beratung von Frauen gelegt, um deren Finanzkompetenz zu fördern. Dafür soll auch ein Beratungsleitfaden ausgearbeitet werden. Darüber hinaus sollen Produkte identifiziert werden, die frauenspezifische Themen wie private Pensionsvorsorge besonders gut abdecken können. Aufgrund der hohen Teilzeitquote sei der Fondssparer eines der wichtigsten Produkte, um zu einem gewissen Finanzpolster zu kommen. Welche Produkte noch interessant sein könnten, soll dann in speziellen Workshops näher beleuchtet werden. Interessante Erkenntnisse konnte man im Vorjahr bei der Untersuchung des Depotanteils nach Geschlechtern in der Raiffeisenbankengruppe Steiermark gewinnen. Der Anteil der Männer dominierte vor allem bei den 18- bis 25-jährigen Kunden mit 62 Prozent. Danach geht dieser aber zurück – bei den 26- bis 70-Jährigen auf 59 Prozent und den 70- bis 100-Jährigen sogar auf 49 Prozent. Ein wesentlicher Grund dafür sei die längere Lebenserwartung von Frauen. Zudem sei das Thema Nachhaltigkeit bei Frauen ausgeprägter als bei Männern, weiß die Finanzexpertin.