„Quasi der perfekte Sturm“

Leonhard Gollegger, Geschäftsführer der GoodMills Group, erklärt die Hintergründe der hohen Getreidepreise und wie man beim größten Mehlproduzenten Europas damit umgeht.

Leonhard Gollegger im Interview
Leonhard Gollegger (c) Roland Rudolph

Die Getreidepreise sind auf dem höchsten Niveau seit 13 Jahren. Eine Tonne Weizen kostet knapp unter 300 Euro. Was sind die wesentlichen Treiber?
Leonhard Gollegger: Grundsätzlich kommen wir aus einer Phase, in der wir in Europa und weltweit mehrere Jahre sehr gute Getreideernten hatten. Die Bestände waren immer gut gefüllt. In diesem Sommer gab es aber starke Trockenheit in Nord- und Südamerika, was zu dramatischen Ernteausfällen führte. Und auch in Russland fiel die Ernte nicht so gut aus wie erwartet. Das ist der erste Treiber. In Europa hatten wir ein anderes Problem, nämlich dass spät einsetzender Regen die Qualität des Getreides negativ beeinflusst hat. Das heißt, dass wir in Europa mit 15 Millionen Tonnen mehr zwar vom Volumen her eine gute Ernte hatten, die Qualität jedoch schlechter ist. Für die Mehlproduktion bedeutet das 6 Millionen Tonnen weniger Getreide. Das ist der zweite beeinflussende Faktor für die Preisentwicklung.

Wie hat diese Erntesituation den Getreidemarkt verändert?
Gollegger: Europa ist mit dieser Ernte die günstigste Destination weltweit und deshalb stark im Exportgeschäft. Heuer wurden schon 40 Prozent mehr exportiert als im Vorjahr. Wenn ich auf unsere Märkte schaue: Rumänien hat bis jetzt 2,1 Millionen Tonnen mehr Getreide exportiert als im Jahr davor. Ähnlich die Situation in Bulgarien. Und das bereits drei Monate nach der Ernte. Diese Entwicklung treibt momentan die Preise in Europa nach oben und davon ist auch Österreich betroffen.

Wie reagiert die GoodMills Group, als größte Mühlengruppe Europas, auf die steigenden Preise?
Gollegger: Die Situation ist nicht einfach, auch wir können diese extremen Preisanstiege nicht kompensieren und müssen daher gestiegene Kosten an unsere Kunden weitergeben. Kunden, die frühzeitig ihre Verträge mit uns abgeschlossen haben, profitieren natürlich, weil sie Getreide günstiger eingekauft haben. Das Problem ist aber, dass viele unserer Kunden aufgrund der steigenden Preise zugewartet haben – und sich jetzt mit wesentlich höheren Angeboten konfrontiert sehen. Und auch unsere Kunden wie beispielsweise Bäckereien müssen diese Mehrkosten weitergeben, zum Beispiel an den Handel, was natürlich nicht leicht ist. Als Beispiel: Hartweizen, der für die Produktion von Pasta gebraucht wird, ist um über 100 Prozent im Preis gestiegen, doch solche Preiserhöhungen bringen die Hersteller beim Handel natürlich nicht unter. Die Preiserhöhungen müssen also in der Wertschöpfungskette vor allem von der Industrie verdaut werden, wo aber auch die Energiepreise extrem gestiegen sind. Momentan baut sich ein Druck auf, den ich so noch nie gesehen habe. Und prinzipiell sind ja Bäcker und viele unserer Kunden in keiner Branche, in der es extrem hohe Margen gibt. Je näher man am Rohstoff ist, umso minimaler sind die Margen.

„Momentan baut sich ein Druck auf, den ich so noch nie gesehen habe.“

Leonhard Gollegger

Wie entwickelt sich die Nachfrage nach Mehl generell?
Gollegger: Wir gehen davon aus, dass im letzten Jahr 3 bis 5 Prozent weniger Mehl im Industriebereich gebraucht wurde. Im Mühlengeschäft ist die Auslastung ein wesentlicher Faktor. Dieses geringere Volumen bei gleichzeitig höheren Rohstoffpreisen und Fixkosten hat natürlich auch bei uns auf die Margen durchgeschlagen. Es kommen so zu viele Faktoren zusammen, und dabei sind die gestiegenen Kosten für Energie, Logistik, Verpackungsmaterial etc. noch gar nicht berücksichtigt. Das ist quasi der perfekte Sturm.

Wie geht die GoodMills Group mit diesem Sturm um?
Gollegger: Wie bei einem echten Sturm kann man nur alles dicht machen und durchhalten. Wir konzentrieren uns stark auf die Faktoren, die wir beeinflussen können, das sind die Kosten. Wir müssen schauen, dass wir intern das Setup und die Wertschöpfungskette so weit optimieren, wie es geht, Strukturen und Prozesse nochmal nachschärfen und wettbewerbsfähige Stärken noch mehr stärken. Kurzfristige Kosten werden, wenn möglich, eingefroren oder auf der Zeitachse nach hinten geschoben. Seit Sommer, seit wir diesen Sturm erkannt haben, sind wir dabei, diese internen Maßnahmen bestmöglich umzusetzen.

Können Sie ein konkretes Beispiel nennen?
Gollegger: Es geht etwa um detaillierte Auslastungsoptimierungen unserer Maschinen oder um Wartungen, die aufgeschoben werden können. Aber auch Fortbildungskurse unserer Mitarbeiter werden eingefroren, oder alle Sachkosten gründlich durchleuchtet. 

Reichen diese Kosteneinsparungen aus, um die steigenden Kosten aufzufangen?
Gollegger: Das reicht bei weitem nicht aus, um gegenzusteuern, allein schon weil der Rohstoff rund 75 Prozent unserer Kosten ausmacht. Wir müssen natürlich auch härtere Verhandlungen mit unseren Kunden führen, um höhere Preise durchzusetzen. Und wir legen auch ein großes Augenmerk auf das Risikomanagement. Generell sind unsere Herausforderungen die große Volatilität beim Rohstoff sowie die Komplexität in der Wertschöpfungskette, die gemanagt werden müssen.

Wie wird sich die Entwicklung in den Ergebniszahlen widerspiegeln?
Gollegger: Sie haben sich sicher ins Schlechtere gedreht, aber die offiziellen Ergebnisse werden erst im Dezember unserem Aufsichtsrat präsentiert. Aber wie gesagt, wir haben im Industriebereich an Volumen verloren, da spiegeln wir den Markt wider. Neben dem Volumen haben sich auch die Margen im Industriebereich um 5 bis 6 Prozent verringert und das bei 1,5 Millionen Tonnen.

Auf jeden Sturm folgt bekanntlich Sonne.
Gollegger: Wenn wir die Hausaufgaben gemacht haben, können wir natürlich auf einem ganz anderen Niveau durchstarten. Wir sind auch vor dem Hintergrund unseres Eigentümers, der langfristig denkt, besser aufgestellt als viele unserer Konkurrenten. Wir werden deshalb im Vergleich besser durch diesen Sturm kommen.

Wie schnell könnte der Getreidepreis wieder drehen? Oder wie hoch könnte er noch steigen?
Gollegger: Ich gehe davon aus, dass es bis zur nächsten Ernte extrem herausfordernd bleibt. Die 300er-Marke sollte aber die Obergrenze bleiben.