Gemeinsam Strategien entwickeln, um den Wandel hin zu einer nachhaltigeren und klimaneutralen Wirtschaft und Gesellschaft zu schaffen, sind angesichts der enormen Herausforderungen des European Green Deal eine dringende Notwendigkeit, waren sich die Teilnehmer des Green-Deal-Symposiums einig, das vom gemeinnützigen Verein Energieforum Österreich im Raiffeisenhaus Wien veranstaltet wurde.
Allein in Österreich werden die Mehrinvestitionen auf 145 Mrd. Euro geschätzt, um die angepeilte Klimaneutralität bis zum Jahr 2050 zu erreichen. Die größte Herausforderung sei, dass man vom Reden ins Tun kommt, so die Experten. Der Green Deal ist für Unternehmen mittlerweile kein Nice-to-have-Thema, sondern bringt enorme Pflichten mit sich. Seit der Gründung des Energieforums Österreichs im Vorjahr konnte der gemeinnützige Verein sein Expertennetzwerk, zu dem auch die Raiffeisenlandesbank Niederösterreich-Wien zählt, weiter ausbauen. Über 30 führende österreichische Unternehmen teilen mit den teilnehmenden Betrieben ihr Know-how im Bereich Nachhaltigkeit und stehen ihnen mit praxisorientierten Handlungsanleitungen zur Seite. In Kürze will das Expertenforum auch einen Ausbildungslehrgang zu Nachhaltigkeitsmanagern anbieten.
Technologien treiben den Wandel
Klimaschutzministerin Leonore Gewessler betonte in ihrem Impulsvortrag, dass die Zeit gekommen sei, um sich den wachsenden Herausforderungen zu stellen. Den zukünftigen Generationen sollte kein kaputter Planet hinterlassen werden. „Wir stehen bereits mitten drinnen in einer fundamentalen Wende hin zu klimafreundlicheren Technologien“, so Gewessler. Es gehe dabei aber weder um ein ideologisches noch ein parteipolitisches Programm, sondern um eine disruptive Entwicklung auf der technologischen Seite. Seit dem Jahr 2016 gebe es global gesehen mehr Investitionen in erneuerbare Energie als in fossile. Und das Tempo wird erhöht: Für 2023 erwartet die Internationale Energieagentur ein Rekordjahr bei den Investitionen in erneuerbare Energien.
In fast allen Weltgegenden sei die Erzeugung von Energie aus erneuerbaren Quellen mittlerweile günstiger als aus fossilen. Der technologische Wandel werde von Effizienz, Kosten, Emissionsreduktion und klimafreundlicheren Technologien getrieben, fasste die Ministerin zusammen. Gleichzeitig räumte sie ein, dass die Klimawende sowohl die Wirtschaft als auch die Gesellschaft „vor riesige Herausforderungen“ stelle. Zudem gäbe es nach wie vor Kräfte des Beharrens, die dagegen arbeiten – vor allem in den letzten Wochen und Monaten. Nichtsdestotrotz gelte es, den Fokus vor allem auf die Chancen des Wandels zu richten. Denn: „Der Wettbewerb der Zukunft wird jener um die klimafreundlichsten und grünsten Technologien“, ist Gewessler überzeugt.
Zu den wichtigen Punkten der Gestaltung der Energiewende zählt für Gewessler unter anderem, für die Planbarkeit der rechtlichen Vorgaben zu sorgen. Außerdem müsse man Finanzmittel in jene Bereiche umschichten, die den Emissionszielen am besten nützen. „Die Transformation der Wirtschaft braucht auch private Investitionen. Wir werden es aus öffentlichen Mitteln allein nicht schaffen“, strich die Klimaschutzministerin hervor. Dennoch müssen die öffentlichen Haushalte Anreize setzen, um die Investitionen anzukurbeln. So hat etwa die österreichische Bundesregierung für die Umstellung auf klimaneutrale Produktionsprozesse bis zum Jahr 2030 insgesamt 3 Mrd. Euro an Förderungen vorgesehen. Die erste Ausschreibung mit einem Fördervolumen von 175 Mio. Euro wurde heuer bereits gestartet. Die Ministerin gibt sich optimistisch: „Ich bin zuversichtlich, dass wir die Herausforderungen meistern, auch weil wir viele Technologien, die wir für die Wende brauchen, in einem marktfähigen Status haben.“
Transformation als Chance
Gastgeber Reinhard Karl, Generaldirektor-Stellvertreter der RLB NÖ-Wien, strich die Notwendigkeit des Green Deals für die Zukunftsfähigkeit der Wirtschaft hervor: „80 Prozent der Themen müssen die Unternehmen umsetzen.“ Deshalb stehe verantwortungsvolles Wirtschaften im Vordergrund, das auch immer mehr zu einem Wettbewerbsfaktor werde. So achten immer mehr Kunden, Investoren und Geschäftspartner viel stärker als früher auf ESG-Kriterien (Umwelt, Soziales und Unternehmensführung). „Die Transformation der Wirtschaft hin zu Klimaschutz und größtmöglicher Energieautarkie ist zwar eine Herausforderung – aber auch eine Chance: Die RLB NÖ-Wien versteht sich hierbei als Sparringpartner und Ermöglicher. Wir unterstützen Unternehmen mit top-ausgebildeten Beratern sowie intelligenten Finanzierungen auf ihrem Weg in die Zukunft“, betonte Karl. Darüber hinaus bringe man die eigene Expertise auch in das Energieforum Österreich ein, das ins Leben gerufen wurde, um über die vielen relevanten Regularien und Fristen des Green Deals zu informieren. Angesichts der Komplexität der EU-Vorgaben werde die Plattform sehr gut angenommen. Durch den intensiven Dialog mit den Unternehmen könne man noch besser beurteilen, vor welchen Herausforderungen die unterschiedlichen Branchen beim Thema Nachhaltigkeit und Energiewende stehen.
Trotz leicht merkbarer Zurückhaltung bei Neuinvestitionen sei die Nachfrage nach Finanzierungsberatungen mit ökologischer oder sozialer Verwendung deutlich höher als im Vorjahr, betonte Karl. 2023 habe man bisher um 50 Prozent mehr Beratungstermine zu Sustainable Finance im Jahresvergleich verzeichnet. „Wir bieten Lösungen in Kooperation mit der Oesterreichischen Kontrollbank sowie der Europäischen Investitionsbank an und haben eigene Anker-Produkte: Wer etwa mit unserem Going-Green-Kredit in ökologische Projekte oder mit dem Social-Impact-Kredit in Soziales investiert, profitiert von attraktiven Kostenvorteilen“, erklärte Karl.
Dass das Thema ESG bei Unternehmern verstärkt im Fokus steht, belege auch die Anzahl der Sustainable-Finance-Offerte, die sich heuer im Vergleichszeitraum zum Vorjahr mehr als verdoppelt haben. „Jedes ökologische Investitionsvorhaben – von der Errichtung einer Photovoltaikanlage bis zu Maschinen-Investitionen – wird detailliert auf interne ESG-Kriterien geprüft. Externe Produkt-Partner werden ebenso sorgfältig ausgewählt, weswegen in Ergänzung zu den eigenen ESG-Kriterien auch jene der Produktpartner zu beachten sind“, so Karl.