Seit der kräftigen Zinswende vor einem Jahr ist vor allem die Immobilienwirtschaft mit starkem Gegenwind konfrontiert. Wie sehen Sie diese „neue Welt“?
Karl-Maria Pfeffer: Es hat sich seit der Corona-Pandemie sehr viel verändert. Bei den Zinsen sehen wir aus einem langfristigen Blickwinkel eine typische Wellenbewegung, wie sie immer wieder vorkommt. Die letzten Jahre waren von einem außergewöhnlich niedrigen Zinsniveau und einer enormen Dynamik am Immobilienmarkt geprägt. Billiges Geld hat nach Veranlagung gesucht und viele Investoren haben sich für Betongold entschieden. Dazu möchte ich anmerken, dass die über lange Jahre hinweg gestiegenen Immobilienpreise auch ein gewisses Vorwegnehmen der Inflation waren, die nun gekommen ist, um noch etwas zu bleiben.
Wie ist die Stimmung am Markt?
Pfeffer: Man muss da enorm differenzieren, institutionelle Investoren halten derzeit in Wien den Atem an und warten erstmal noch die Entwicklung des Marktes ab. Das hat viel mit der herausfordernden Zinslandschaft zu tun. Für kurzfristig veranlagte Gelder erhält man mittlerweile auch wieder halbwegs attraktive Renditen, die es erlauben zuzuwarten. Bei sehr hochpreisigen Immobilien besteht daher derzeit die Schwierigkeit, qualitativ gleichwertige Renditen zu erwirtschaften. Das wird sich aber wieder ändern, sobald das Mietniveau anzieht – und es wird angesichts der Inflation anziehen müssen. Gleichzeitig ist der Fokus auf den operativen Cashflow wieder wichtiger geworden, die Elemente Wertsteigerung und Zukunftshoffnung, die zuletzt in der Immobilienbranche zum Teil dominiert haben, sind derzeit etwas in den Hintergrund getreten. Wir als RPHI haben immer schon darauf geschaut, Cashflow-stark zu sein, um nicht gezwungen zu werden, jeden Trend mitmachen zu müssen.
Wie entwickeln sich die einzelnen Segmente?
Pfeffer: Bei Wohnimmobilien sehen wir in vielen Segmenten eine Art Vollbremsung, einmal abgesehen vom absoluten Top-Segment, wo es so gut wie keine Auswirkungen gibt. Auch das höherpreisige Wohneigentum ist mit eher moderaten Preisrückgängen, in Relation zu den starken Preissteigerungen der letzten Jahre, konfrontiert. Generell gibt es weiterhin einen Kostendruck, der in den letzten Jahren vor allem von den Grund- und Bodenpreisen getrieben wurde, der unverändert einen tieferen Einbruch der Preise nicht zulässt. Seit der Corona-Zeit stiegen nun zusätzlich auch die Baukosten stärker an. Auch wenn es hier heuer eine kleine Delle geben dürfte, 2024 und 2025 werden sich die kräftigen Lohnsteigerungen und höheren Energiepreise in den Herstellungskosten spürbar niederschlagen. Etwas anders sieht die Lage bei Büro- und Gewerbeimmobilien aus, die sich stabil entwickeln, sofern es sich um moderne und effiziente Gebäude handelt. Der Investmentmarkt wartet zu, beim operativen Geschäft war es uns 2023 trotz vieler Unkenrufe möglich, die Inflation über die Indexierung weiterzugeben. Solide Marktteilnehmer sind in der Lage, die derzeitige Teuerung recht gut zu verdauen. Qualität spielt in jeder Weise – sowohl beim Gebäude als auch beim Mieter – dabei eine zentrale Rolle.
Wie meistert die RPHI die neuen Herausforderungen?
Pfeffer: Die Dynamik ist aus dem Markt gekommen, die Zeiten des schnellen Bauens und sofortigen Verkaufens und somit des schnellen Geldes sind definitiv vorbei. Das ist für Qualitätsanbieter, wie wir es sind, sicher kein Nachteil. Wir stehen zyklisch momentan sehr gut da, alle unsere Immobilien sind komplett vermietet und wir haben keinen Verkaufsdruck. Das war schon in der Corona-Zeit so. Wir haben die zwischenzeitliche Spitze bei den Baupreisen 2021/22 ausgelassen. Mittlerweile befinden sich die Baupreise punktuell sogar wieder auf einem vergleichbaren Niveau wie vor der Pandemie. Das nutzen wir ganz konkret und wir haben 2022 Projekte in die Realisierungsphase gebracht. Auch darüber hinaus ist unsere Entwicklungspipeline gut gefüllt – bis 2030 haben wir ausreichend konkrete Vorhaben in der Schublade.
Was wird aktuell realisiert?
Pfeffer: Wir setzen zwei Projekte unseres Masterplans „Stadtquartier @ Wien Arena“ in Wien-Landstraße in Neu Marx um. Hier wird bis Ende des Jahrzehntes in unmittelbarer Nachbarschaft die neue „Wien Arena“ entstehen, die 20.000 Zuschauerplätze haben wird. Einerseits errichten wir dort das „Home of Handball“, die neue Europazentrale der Europäische Handballföderation EHF mit rund 6.000 m2 Fläche. Der Spatenstich ist im Mai erfolgt, die Fertigstellung soll bis zum EM-Endspiel in Wien Ende 2024 erfolgen, was durchaus ambitioniert ist. Das Projekt hat ein Volumen von mehr als 20 Millionen Euro. Unmittelbar angrenzend bauen wir ein Studentenwohnheim mit 418 Einzel- und Doppelzimmer kombiniert mit 40 Serviced Appartements sowie Shops und Büroflächen. Das Studentenwohnheim wird vom erfahrenen Betreiber Milestone Operations betrieben werden. Hier beträgt das Investitionsvolumen mehr als 50 Millionen Euro. Die Fertigstellung dieses Projekts ist für das Wintersemester 2024/25 geplant.
Der Schwerpunkt der RPHI ist der Büromarkt. Die breitflächige Einführung von Homeoffice in Corona-Zeiten hat dieses Segment ordentlich durchgerüttelt. Wie geht es da weiter?
Pfeffer: Das Durchrütteln des Büromarktes durch das Homeoffice sehen wir eher als Mythos. Anfangs hatte die Möglichkeit, zuhause zu arbeiten, bei einigen Marktteilnehmern zu einem Hinterfragen des ganzen Geschäftsmodells Bürogebäude geführt. Unternehmen hatten ernsthaft überlegt, das Homeoffice für eine permanente Flächenreduktion zu nutzen. Dieser Ansatz hat sich unserer Erfahrung nach aber nicht durchgesetzt. Stattdessen kommt es zu einer Verschiebung der Nutzung der Büroräumlichkeiten, weg von „Einzelzellen“ hin zu offenen Räumen, die aber wieder mehr Platz brauchen. Viele unserer Premiumkunden wollen ihren Mitarbeitern einen qualitativ sehr hochwertigen Arbeitsplatz bieten.
Das Thema Nachhaltigkeit und ESG ist omnipräsent. Wie gehen Sie damit um?
Pfeffer: ESG ist in der breiten Gesellschaft angekommen und wird mit einem Wert und Preis versehen, was gut ist. Wir haben seit 2011 kein Gebäude mehr entwickelt, das nicht den ökologischen Nachhaltigkeitskriterien entspricht. Dabei gehen wir den klassischen Weg der Zertifizierungen, wie z. B. nach LEED oder ÖGNI/DGNB. So war etwa das von uns entwickelte Wohnprojekt „Anton“ das erste ÖGNI/DGNB Platin-zertifizierte Wohngebäude in Wien. Vor knapp zwei Jahren haben wir dann begonnen, all unsere Gebäude auch nach den hohen Sicherheitsstandards von „Safe Assets“ zu zertifizieren, dabei geht es um Betriebssicherheit und Sicherheit für die Nutzer, aber auch um Resilienz und Governance. Diesbezüglich gehören wir sicherlich zu den Pionieren. Dieser Ansatz wurde während der Corona-Zeit begonnen und dann noch stark durch den Ukraine-Krieg beeinflusst. In Kiew betreiben wir unser Vier-Sterne-Hotel Radisson Blu City Centre, eines der wenigen verbleibenden operativen Hotels in der Stadt. Trotz des Krieges schaffen wir derzeit eine Auslastung von bis zu 40 Prozent. Geschätzt wird es gerade wegen seiner umfassenden Sicherheitsstandards von Journalisten, internationalen Organisationen und Botschaftspersonal.
Wie ist das Geschäftsjahr 2022 gelaufen und was erwarten Sie für heuer?
Pfeffer: 2022 war letztlich ein sehr solides Geschäftsjahr, das wir sogar besser abgeschlossen haben als geplant. Trotz des Krieges in der Ukraine ist es uns gelungen, die Entwicklung stabil zu halten und den einen oder anderen Erfolg zu erzielen. 2023 blicken wir trotz der herausfordernden Umstände sehr positiv entgegen. Wir haben es zu Jahresanfang geschafft, bei unseren großen Ergebnisbringern in Rumänien und Bulgarien die Mieten entsprechend zu indexieren und damit dem von der Inflation geprägten Umfeld anzupassen. Das war ein durchaus großer Schritt. Außerdem sind wir dabei, die zuvor erwähnten Projekte in Wien zu vernünftigen Gestehungskosten zu realisieren. Auch unsere Entwicklungspipeline ist gut gefüllt. Im Wiener Stadtquartier Arena haben wir dann noch zwei weitere Entwicklungsphasen vor uns. Außerdem sind wir derzeit in Sondierungsgesprächen mit potenziellen Mietern für die Entwicklung eines 50.000 m2 großen Büroareals in Budapest. Und auch in Bulgarien arbeiten wir an einer größeren Projektentwicklung mit viel Potenzial für uns als lokalen Marktführer im Premium Office Segment. In der Slowakei, in Bratislava, entsteht zurzeit eine einzigartige Wohnimmobilie in unwiederholbarer Premiumlage.
Wie hat sich Ihr Immobilienportfolio entwickelt?
Pfeffer: Langjährig betrachtet schwankt unser Portfolio vom Volumen her in einer Bandbreite von 300 bis 700 Millionen Euro, je nachdem, wie viel wir gerade wieder verkauft haben. In den letzten Jahren sind uns einige großvolumige, erfolgreiche Veräußerungen gelungen, wie z. B. das Tatracentrum in Bratislava oder der Allianz-Campus in Wien. Auch die im Bau befindliche Handball-Zentrale wurde bereits an den EHF mit einem Forward-Vertrag verkauft. Daher befindet sich aktuell unser Portfolio im unteren Bereich der Bandbreite, mit den neuen Zugängen in Budapest oder Wien wird es wieder steigen.