„Banken ticken anders als Versicherer“

Klaus Pekarek tritt Ende 2022 in seiner Funktion als Uniqa-Vorstand zuständig für die Marke Raiffeisen Versicherung in den Ruhestand. Wir sprachen mit ihm über Meilensteine, Karriere-Highlights und seine Skihütte in den Kärntner Nockbergen.

Porträt von Klaus Pekarek
(c) Uniqa

Sie sind seit mehr als 40 Jahren für Raiffeisen tätig. Einmal Raiffeisen, immer Raiffeisen?
Klaus Pekarek: Die Marke Raiffeisen hat mich mein ganzes Berufsleben begleitet – mit all der Faszination, die sie ausstrahlt, aber auch mit allem, was sie an kontroversiellen Reaktionen auslöst. Ich habe mich immer mit den Werten, für die diese Marke steht, identifizieren können: Dezentralität, Regionalität, Eigenverantwortung, Solidarität – Werte, die auch die meinen sind, und die in unserer krisenhaften Gegenwart einen neuen Stellenwert bekommen haben. 

Auf welche Meilensteine in Ihrer Karriere blicken Sie zurück?
Pekarek: Zunächst einmal 1987 die Bestellung zum Geschäftsführer des damaligen Raiffeisenverbandes Kärnten im jungen Alter von 31 Jahren. Ich war in der Zweier-Geschäftsführung für den Bankenbereich zuständig und der nicht unbekannte Wolfgang Kulterer für die Ware. Die nächste Etappe war 1993 die Bestellung zum Generaldirektor der RLB Kärnten. Dann war für mich ein markanter Meilenstein der Entschluss, mich mit Anfang 50 noch einmal zu verändern – mit der Übersiedlung nach Wien und dem Einstieg 2009 bei Uniqa bzw. 2010 mit der Bestellung zum CEO der Raiffeisen Versicherung. 2016 erfolgte der nächste Schritt mit der Fusion von Raiffeisen Versicherung und Uniqa und der Bestellung in den Vorstand von Uniqa.

Mit der Weisheit des Rückblicks – gibt es die eine oder andere Entscheidung, die Sie heute so nicht mehr treffen würden?
Pekarek: Es gibt tatsächlich eine Entscheidung, im sehr persönlichen Bereich: 1979 habe ich sub auspiciis promoviert und ein Stipendium für die Harvard Law School angeboten bekommen – eine Riesenchance, die ich damals aus privaten Gründen nicht angenommen habe. Aus damaliger Sicht vielleicht menschlich verständlich, aus heutiger Sicht absolut unverständlich. 

Worauf sind Sie besonders stolz in Ihrer Zeit bei Raiffeisen?
Pekarek: Das sind drei markante Projekte: 1993/94 die Neuaufstellung des Kärntner Warenverbandes, aus der Bankfunktion heraus durch mich moderiert und begleitet durch den Beteiligungseinstieg der Münchner Baywa in die Unser Lagerhaus WHG. Eine nachhaltige Erfolgsgeschichte für alle Beteiligten bis zum heutigen Tage. Das zweite Projekt war 2011/12 die Konzeption und die Verhandlungen mit allen Landesbanken rund um die Kooperationsverträge die Zusammenarbeit im Versicherungsgeschäft betreffend. Das war wahnsinnig mühsam und schließlich kein unwesentlicher Beitrag für den Re-IPO von Uniqa 2013, weil man nunmehr Analysten erklären konnte, wie diese Zusammenarbeit geregelt ist. Das dritte Projekt war 2016 die Fusion von Raiffeisen Versicherung und Uniqa. Alle diese drei Themen haben als verbindendes Element die enorme Überzeugungsarbeit in einem dezentralen Sektor. Du kannst niemandem etwas anschaffen und musst permanent Überzeugungsarbeit leisten. Dabei geht es um eine Mischung aus fachlich-sachlicher Argumentation und der Fähigkeit, Menschen mitzunehmen und zu begeistern. 

Sie kennen also das Bank- und das Versicherungsgeschäft. Welche Vorteile hatte das?
Pekarek: Das war ein Riesenvorteil. Ich würde sogar so weit gehen und sagen, dass diese Funktion, für den Bankvertrieb verantwortlich zu sein, voraussetzt, dass man weiß, wie Banken denken. Denn bei allen Gemeinsamkeiten ticken Banken doch anders als Versicherer. Wenn es hart auf hart geht, liegt den Banken ihr ureigenstes Kundengeschäft näher als das Versicherungsgeschäft. 
Zudem haben Versicherer das Thema Vertrieb im genetischen Code. Banken mussten das erst mühsam lernen. Auch sprachlich zeigt sich das: Kredite werden vergeben, Versicherungen verkauft. Darüber hinaus kam als zusätzliche Herausforderung dazu, die Unterschiedlichkeiten zwischen einem zentral gesteuerten börsenotierten Konzern und einer extrem dezentral organisierten Verbundorganisation zu managen. Bei Uniqa geht es um harte Ziele, im Verbund bestenfalls um gemeinsame Ambitionen. Wenn man nicht beide Seiten kennt, ist es schwer dafür Verständnis aufzubringen und teilweise die richtigen Worte zu finden.

„Diese Kooperation stellt eine Win-win-win-Situation dar.“

Klaus Pekarek

Was ist der Kern des Erfolgs der Marke Raiffeisen Versicherung?
Pekarek: Der liegt darin begründet, in permanenter Überzeugungsarbeit verständlich zu machen, dass diese Kooperation eine Win-win-win-Situation darstellt. Gewinner ist der Kunde, weil er einen einzigen Ansprechpartner für Bank- und Versicherungsleistungen hat. Die Bank profitiert, weil wir wissen, dass Kunden, die auch ihren Risikoabsicherungs- und Vorsorgebedarf über die Bank abdecken, loyalere und zufriedenere Kunden sind. Die Bank kann zudem einen möglichen Eintrittspunkt von anderen Finanzdienstleistern ausschalten. Und letztlich lukriert die Bank über Provisionen risikofreie und nicht mit Eigenkapital zu unterlegende Zusatzerträge. Und auch wir als Produkt- und Serviceprovider der Bank profitieren, indem wir Zusatzgeschäft zu variablen Kosten machen. 

Die finanzielle Vorsorge spielt heute aufgrund der demographischen Veränderung eine größere Rolle als je zuvor. Wie trägt die Raiffeisen Versicherung dem Rechnung?
Pekarek: Das ist eine unserer Kernkompetenzen schlechthin: Bewusstsein dafür schaffen, dass das staatliche Pensionssystem massiv gefordert ist, sich an die Grenzen der Belastbarkeit entwickelt und es wenig Möglichkeiten gibt gegenzusteuern. All das spricht dafür, die erste Säule als Grundsicherung zu betrachten, die aber einer privaten ergänzenden Vorsorge bedarf. Der Versicherungshorizont ist ein langfristiger und privat vorzusorgen ist ein langfristiges Geschäft. Das Versicherungsprodukt erlaubt zudem in der Ansparphase, biometrische Risiken wie Berufsunfähigkeit oder schwere Krankheit abzusichern. Über die Rentenoption kann der Kunde zum Antrittszeitpunkt entscheiden, ob er den Kapitalbetrag nimmt oder eine lebenslang garantierte Ergänzungsleistung zur staatlichen Pension bekommt. 

Frauen haben nach wie vor um rund 40 Prozent weniger Pension als Männer. Sie haben diesen Pension Gender Gap zum Thema gemacht. Warum? 
Pekarek: Die Raiffeisen Versicherung war einer der ersten Finanzdienstleister, die dieses Thema zentral ins Problembewusstsein gerückt hat. Schon mein Vorgänger Christian Sedlnitzky hat die Initiative gestartet, Frauen zu ermutigen, doch möglichst frühzeitig für eine eigene Pensionsabsicherung vorzusorgen. Da ist wirklich Pionierarbeit geleistet worden.

Im Niedrigzinsumfeld hat die fondsgebundene Lebensversicherung die klassische Lebensversicherung ersetzt – wie geht es jetzt weiter, wenn die Zinsen wieder steigen?
Pekarek: Es muss einem bewusst sein, dass sich Märkte permanent ändern. Derzeit sind sie sehr volatil. Wenn es um Vorsorge geht, ist nicht entscheidend, was in kurzfristigen Rhythmen passiert. Es ist nur wichtig, den Veranlagungshorizont möglichst weit zu definieren. Wenn man wertsteigernd vorsorgen und zumindest die Inflation verdienen will, führt am Kapitalmarkt kein Weg vorbei. Daher hat sich auch am Stellenwert der fondsgebundenen Lebensversicherung, die ja ein Kapitalmarktprodukt ist, durch die aktuelle Zinsentwicklung nichts verändert. Für risikoaverse Kunden haben wir neben der klassischen Lebensversicherung als neues Produkt den sogenannten Vorsorgeplan entwickelt, den wir ab Herbst 2023 vorstellen werden. Es handelt sich dabei um eine fondsgebundene Lebensversicherung mit einer endfälligen Garantie.

„Wir sind auf einem konsequenten Weg, der laufend auch extern überprüft wird.“

Klaus Pekarek

Das Thema Nachhaltigkeit in der Veranlagung hat auch vor der Raiffeisen Versicherung nicht Halt gemacht. Wie zeigt sich das und welche Entwicklung erwarten Sie hier?
Pekarek: Nachhaltigkeit ist ein Thema, das gekommen ist, um zu bleiben. Wir leisten einen Beitrag auf mehreren Ebenen. Zum einen bei der Veranlagung, zum anderen in der Annahmepolitik, welche Industrien wir versichern. Wir nehmen beispielsweise Neugeschäft von kohleintensiven Industrien nicht mehr an. Wir haben zum dritten die Möglichkeit, uns bei der eigenen Betriebsführung möglichst klimaneutral aufzustellen. Wir sind auf einem konsequenten Weg, der laufend auch extern überprüft wird.

Welche Auswirkungen hatte Corona auf das Kundenverhalten in Bezug auf Versicherungen?
Pekarek: Corona war eine interessante Lernkurve, vor allem bei zwei Dingen. Die Erkenntnis, dass wir wie in einer Zeitmaschine einen Digitalisierungsschub erlebt haben. Wie rasch und flexibel alle Beteiligten reagiert haben, wie kreativ man sich Gedanken gemacht hat, war wirklich überraschend. Was früher eher exotisch war, wurde zum Standard. Ich nenne nur das Beispiel Homeoffice. Das zweite war ein gesteigertes Risikobewusstsein, das sich bei den Menschen gezeigt hat. Man hat gesehen, wie rasch Dinge passieren können, die man nicht für möglich hält. Das führte zu einer Sensibilisierung in Richtung Risiko und damit verbunden zu einer tendenziell steigenden Bereitschaft, sich abzusichern und rechtzeitig vorzusorgen. 

Viele Raiffeisen-Manager schreiben nach ihrer aktiven beruflichen Karriere ein Buch. Welchen Titel würde Ihres haben?
Pekarek: Wenn ich so überlege, dann würde meines in Anlehnung an den Welthit von Frank Sinatra heißen: „I did it my way“. Frei übersetzt: „Auf meine Art“. Aber ich habe derzeit nicht vor, ein Buch zu schreiben.

Sie haben ja eine Hütte in den Bergen bei St. Oswald. Werden Sie jetzt Hüttenwirt? 
Pekarek: Es ist bekannt, dass ich ein sehr natur- und dem Bergsport verbundener Mensch bin. Es war immer ein Jugendtraum von mir, eine eigene Skihütte zu haben und als sich vor einigen Jahren die Möglichkeit dazu ergeben hat, habe ich das realisiert. Und nun besitze ich auf 2.000 Meter Seehöhe in schöner Panoramalage in St. Oswald oberhalb von Bad Kleinkirchheim die „Eve-Alps“, die meine Tochter neben ihrem Wirtschaftsstudium mit ihrem Partner Matthias betreibt. Und für die kommende Wintersaison hat sie mich auch schon eingeteilt und mir den Platz hinter der Schank zugewiesen. Dort werde ich im Rahmen meiner zeitlichen Verfügbarkeit neben meiner Beratertätigkeit aushelfen.