Mangelnde Bilanzdisziplin

Jedes achte Unternehmen in Österreich legte für das Geschäfts­jahr 2022 keine Bilanz vor.

Ordner mit den Etiketten Steuern, Personal, Bilanz usw.
© picturedesk/DPA Picture Alliance/ K.-U. Haessler

Bei der fristgerechten Bilanzlegung besteht in Österreich dringender Handlungsbedarf: Wie eine Analyse des Gläubigerschutzverbandes KSV1870 zeigt, haben für das Geschäftsjahr 2022 bis Anfang Februar 2024 immer noch 12,2 Prozent jener Unternehmen, die aufgrund ihrer Rechtsform dazu verpflichtet wären, keinen Jahresabschluss vorgelegt.

Weitere 3,8 Prozent haben ihre Bilanz nur mit Verspätung veröffentlicht – der Großteil davon, nämlich 3,4 Prozent, tat dies in den ersten drei Monaten nach Fristende. Und auch die vorangegangenen Jahre zeugen von einer sehr ähnlichen Dimension. „Es besteht akuter Aufholbedarf. Jedes achte betroffene Unternehmen hat bis heute für das Jahr 2022 keine Bilanz vorgelegt. Das ist nicht nur gesetzeswidrig, sondern zugleich auch im Sinne eines professionellen Risikomanagements und Gläubigerschutzes unverantwortlich“, betont Ricardo-José Vybiral, CEO der KSV1870 Holding GmbH.

Qualität oft mangelhaft

Darüber hinaus fehle vielen Jahresabschlüssen ein adäquates Qualitätsniveau. „Nicht erfüllte Mindeststandards und eine nicht erfolgte Qualitätskontrolle vor Einreichung kommen leider häufiger vor, als man glauben mag“, erklärt Günther Fasching, Prokurist der KSV1870 Information GmbH. Das sei jedoch auch eine Folge dessen, dass die quantitativen Anforderungen jener Informationen, die eingereicht werden müssen, im Laufe der Zeit sukzessive reduziert wurden. Das sehen die Experten beim KSV1870 kritisch und plädieren für eine Rückkehr zu früheren Veröffentlichungsbestimmungen. 

Zu den häufigsten Kritikpunkten zählen vor allem betriebswirtschaftliche Fehler. So nehmen etwa einzelne Bilanzpositionen einen Wert an, der faktisch nicht möglich ist, wie zum Beispiel ein negativer Kassabestand, Aktiva und Passiva sind nicht ident oder ‚Gewinn und Verlust‘- und Bilanzpositionen ergeben nicht den ausgewiesenen Endwert. Zudem kommt es laut dem Gläubigerschutzverband vor, dass Unternehmen über Jahre hinweg dieselben Bilanzwerte einreichen, was de facto unmöglich ist, und dabei nur das jeweilige Bilanzjahr aktualisiert wird.

Absehen von einer dauerhaften Fristverlängerung

Zu Beginn der Covid-19-Krise wurde die Frist zur Einreichung von Bilanzen aufgrund der besonderen Rahmenbedingungen von neun auf zwölf Monate verlängert. Das war für den KSV1870 für die damalige Situation in Ordnung. Im Zuge dessen wurde auch über eine dauerhafte Fristverlängerung diskutiert, die man aber kritisch sehe. Die aktuellen Ergebnisse würden den KSV1870 in seiner Haltung bestätigen und bestärken, an der neunmonatigen Frist festzuhalten.

„Aufgrund unserer langjährigen Erfahrung im Bereich der transparenten und objektiven Risikoeinschätzung wissen wir, wie wichtig eine möglichst zeitnahe Offenlegung von Bilanzen ist. Je länger der Zeitpunkt der Bekanntgabe des Geschäftsergebnisses vom eigentlichen Geschäftsjahr entfernt liegt, umso weniger sagt die Bilanz auch über den derzeitigen wirtschaftlichen Status quo des jeweiligen Unternehmens aus. Das macht eine profunde Risikoeinschätzung nicht unbedingt einfacher“, erklärt Fasching.

In Anbetracht des momentanen Ist-Zustandes wird eine maßgebliche Verschärfung der allgemein gültigen Bedingungen zur Veröffentlichung von Jahresabschlüssen gefordert– auch im Sinne eines weiterhin gut funktionierenden Gläubigerschutzes. „Es ist von großer Relevanz für die gesamte heimische Wirtschaft, dass Bilanzen einerseits fristgerecht vorgelegt werden und andererseits auch mit einem entsprechenden Qualitätsniveau ausgestattet sind“, argumentieren die Gläubigerschützer.