„Es war ein Sprung ins kalte Wasser“

2024 wird mit Bad Ischl-Salzkammergut eine ganze Region zur Kulturhauptstadt Europas ernannt. Die Künstlerische Leiterin Elisabeth Schweeger blickt auf eine intensive Zeit zurück und verrät, was das Salzkammergut im nächsten Jahr zum Aufleben bringen wird.

Das Programm setzt sich aus den vier Pfeilern „Macht und Tradition“, „Kultur im Fluss“, „Sharing Salzkammergut“ und „Globalokal“ zusammen.
Das Programm setzt sich aus den vier Pfeilern „Macht und Tradition“, „Kultur im Fluss“, „Sharing Salzkammergut“ und „Globalokal“ zusammen. © Salzkammergut 2024

Erstmals ist mit dem Salzkammergut eine gesamte Region Kulturhauptstadt Europas. Wie kam es dazu?
Elisabeth Schweeger: Insgesamt haben sich 23 Gemeinden zusammengeschlossen und entschieden, das Bewerbungsverfahren zu starten, ohne zu wissen, ob das wirklich funktioniert. Den Zuschlag haben sie schließlich bekommen, weil man gemerkt hat, dass sich da ein junges Team wirklich intensiv mit seiner Region beschäftigt und damit, welche Defizite, aber auch welche Möglichkeiten diese Region hat. Das zeigt, dass Europa darüber nachdenkt, welche Perspektiven die regionalen Bereiche haben und wie man sie weiter stärken kann.

Im Zuge des Kulturhauptstadtjahres möchte Elisabeth Schweeger das Salzkammergut in den internationalen Dialog bringen.
Im Zuge des Kulturhauptstadtjahres möchte Elisabeth Schweeger das Salzkammergut in den internationalen Dialog bringen. © Anette Friedl

Erstmals wird damit ein ländlich geprägter Raum zur Kulturhauptstadt Europas. Wo liegen die Unterschiede in der Herangehensweise?
Schweeger: Natürlich findet man hier im ländlichen Raum nicht dieselben Bedingungen vor wie in den Städten. Man hat keine wirklich gut ausgestatteten Museen – aber viele ehrenamtliche Heimatmuseen, was hoch anzurechnen ist –, keine gut ausgestatteten Theater- und Opernhäuser und keine Institutionen, die einem mit Know-how zur Seite stehen können. Eine Stadt ist viel kompakter, der ländliche Raum zieht sich in die Länge und in die Breite. Da muss man komplett anders rangehen und etwas von Grund auf aufbauen. Das ist ein sehr viel längerer Prozess als im urbanen Umfeld. Auf der anderen Seite hat man Vorzüge, weil man die Natur hat. Und was man hier bearbeiten kann, sind genau die Themen, die uns heute etwas angehen. Nämlich den Klimawandel, die Verkehrssituation und wie man den ländlichen Raum für junge Leute interessant machen kann. Man kann viel besser zeigen, worauf wir in Zukunft achten müssen, damit wir uns die Welt erhalten, denn wir haben nur die eine. 

Das Programm baut auf vier Schwerpunkten auf. Wie setzen sich diese zusammen?
Schweeger: Grundsätzlich beschäftigen sich die vier Programmlinien damit, was in der Region zu bedenken ist und wo Potenziale vorhanden sind. Bei der Programmlinie ‚Macht und Tradition‘ geht es darum, wie mit der Geschichte der Region umgegangen wird. Das heißt Machtverhältnisse überprüfen und schauen, welche Traditionen und Brauchtümer sich geändert haben und wie sie in die Zukunft zu führen sind. Der zweite Pfeiler ergibt sich dann daraus. Nämlich, dass Kultur etwas ist, das ständig im Fluss ist, das sich ständig bewegt, denn wir Menschen verändern uns genauso. Hier wird vor allem zeitgenössische Kunst zwischen Regionalität und Internationalität zu sehen sein. Die dritte Programmlinie beschäftigt sich mit der ökonomischen Hauptader des Salzkammerguts: dem Tourismus. Wo funktioniert er perfekt, wo muss man ihn noch aufladen und ihn generell weiterdenken? Womit man auch schon auf die letzte Programmschiene kommt, bei der es wirklich um die Quintessenz dessen geht, was man sich aus der Kulturhauptstadt erhofft. Nämlich, dass man das Salzkammergut als Möglichkeitsraum sieht, in dem man tatsächlich leben kann, wie in einer Stadt und obwohl man am Land ist, trotzdem global angebunden sein kann.

Das Salz spielt in der Geschichte der Region eine wesentliche Rolle. Wie hebt man den Rohstoff im kommenden Programm hervor?
Schweeger: Egal wo man hinschaut, das Salz spielt überall eine große Rolle. Unser Motto lautet ‚Kultur ist das neue Salz‘, wir spielen also immer wieder mit dem Wort. Es gibt auch eine große Ausstellung im Sudhaus Bad Ischl, die sich mit Salz und Wasser beschäftigt. Wir spielen in den Salinen gemeinsam mit dem Brucknerjahr (Bruckners Salz) und wir haben mit Simon Schwartz einen hervorragenden Comiczeichner, der im Salzbergwerk Altaussee die Geschichte des Stollens als NS-Versteck für Raubkunst und wertvolle Kunstgüter nacherzählt. Motoi Yamamoto macht wunderschöne Mäanderbilder aus Salz, während eine andere Künstlerin mit Salzblöcken arbeitet, die sie mit Farben vermengt. Man merkt, dass man das Salz nicht aus der Region weglassen kann, es gehört dazu, denn daraus ist die Region geboren und letzten Endes auch damit reich geworden. 

Der Tourismus im Salzkammergut ist viel diskutiert und hat sein Für und Wider. Wie geht man damit um, wenn man ein Projekt koordiniert, das den Tourismus durchaus fördern möchte?
Schweeger: Prinzipiell gibt es viele Touristen im Sommer und einen Monat lang im Winter, den Rest der Zeit eigentlich nicht. Und es gibt auch ein gewisses Ungleichgewicht. Der Süden, also das Innere Salzkammergut bis in die steirischen Gemeinden, hat sehr viel Tourismus. Im Oberen Salzkammergut, ab Gmunden, gibt es eher weniger. Und es geht auch nicht darum, den Tourismus abzuschaffen, ganz im Gegenteil, sondern darum, herauszufinden, wie man ihn optimieren kann, sodass weniger negative Effekte durch vor allem eintägigen Massentourismus, Verkehr, Klima und Bewohner stattfinden. Man muss versuchen, Angebote zu machen, die zeigen, dass das Salzkammergut auch in der Nebensaison attraktiv ist und man sich nicht unbedingt wie eine Sardine im Sommer hineinzwängen muss.

Wie lässt sich das lösen?
Schweeger: Da hängt viel davon ab, dass man Pakete schnürt und darüber nachdenkt, was Reisen überhaupt bedeutet. Mit einmal hin und wieder zurück, kriegt man nichts mit. Es geht darum, Programme zu entwickeln, die zeigen, was man durch einen längeren Aufenthalt mehr erleben kann. Ein Ansatz ist, dass wir die gesamte Bahnstrecke zu einer Kulturmeile umwandeln. Die leerstehenden Bahnhöfe wurden uns dazu von der ÖBB zur Verfügung gestellt, um darin Künstler mit ihren Ateliers unterbringen zu können oder die Perlenkette der Heimatmuseen anpreisen, die die Geschichte des Salzes erzählen. Und auch, dass sich ein wichtiges Projekt wie das Wirtshauslabor dort ausbreiten kann. Junge Menschen ermitteln dabei gemeinsam mit Köchen aus der Region, wie das Wirtshaus von morgen aussehen kann. Das sind einige Versuche, dem Tourismus eine andere Note zu geben, die nicht mit dem ‚hop in, hop out‘ zu tun hat, sondern, um Goethe zu zitieren: ‚Verweile doch, du bist so schön.‘

2021 wurden Sie zur künstlerischen Leiterin der Kulturhauptstadt ernannt. Wie blicken Sie auf diese Zeit zurück?
Schweeger: Es war eine sehr intensive Zeit und eine große Herausforderung, das Projekt in einem Viertel der Zeit umzusetzen. Ich hatte ja nur zwei Jahre anstatt fünf. Es war schon ein Sprung ins kalte Wasser, allerdings muss ich sagen, es gibt ein wirklich fantastisches Team hier, ohne das das nie hätte stattfinden können. Und es gibt auch gute Leute in der Region, die mithelfen, mithalten und mitkämpfen. Natürlich war es nicht immer leicht. Das Salzkammergut ist streitbar und widerständig. Man muss bereit sein zu diskutieren und konstruktiv zu streiten, aber dann passt es gut. Außerdem haben wir mit Raiffeisen Oberösterreich einen Hauptsponsor, der stark in der Region verwurzelt ist und jungen Leuten im ländlichen Raum Perspektiven aufzeigen kann. 

Elisabeth Schweeger, Heinrich Schaller, Generaldirektor der RLB OÖ, und Klaus Ahammer, Vorstand Raiffeisen Salzkammergut
Elisabeth Schweeger, Heinrich Schaller, Generaldirektor der RLB OÖ, und Klaus Ahammer, Vorstand Raiffeisen Salzkammergut © Pia Fronia

Das Eröffnungswochenende von 19. bis 21. Jänner steht mittlerweile fast vor der Tür. Worauf kann man sich freuen?
Schweeger: Auf ein schönes Fest, bei dem sehr viele Player aus der Region mitmachen werden. Es wird Hubert von Goisern mit seinem tausendköpfigen Chor auftreten, ebenso wie Conchita und die Choreografin Doris Uhlich, die vom Attersee stammt. Es wird viele Installationen geben, viele Ausstellungseröffnungen und viel Kulinarik in der Stadt. An jeder Ecke wird man Bühnen sehen, wo sich Vereine und Künstler präsentieren können. Späteren Abends, nachdem die Operette „Eine Frau, die weiß, was sie will!“ von Oscar Straus über die Bühne gegangen ist, gibt es für junge Leute auch noch viele DJ-Programme. Da freuen wir uns drauf. 

Mit dem Eröffnungswochenende ist es dann noch lange nicht getan. Was erwarten Sie sich vom kommenden Kulturhauptstadtjahr?
Schweeger: Einen bunten Strauß, der einen neugierig macht. Dass man stolz darauf sein kann, was alles aus dieser Region kommt und wie viel Dialog international und europaweit damit erreicht worden ist.