Führung bleibt harte Arbeit – gerade in der schnelllebigen, digitalen Welt von heute. Was sich bereits vor Corona anbahnte, ist durch die Krise nun Realität geworden: Der „New Way of Work“ stellt Altbekanntes auf den Kopf und Führungskräfte vor neue Herausforderungen. Aber nicht nur der digitale Wandel sorgt für Kopfzerbrechen, auch die jungen Menschen – die Führungskräfte von morgen – fordern die Entscheidungsträger von heute. Wie in diesem Spannungsverhältnis eine zukunftsfähige Führung gelingen kann, diskutierten rund 70 Führungskräfte aus den unterschiedlichsten Sparten des Raiffeisensektors beim diesjährigen Leadership Kongress des Raiffeisen Campus.
„Die Corona-Ära markiert den Anbeginn einer geradezu prototypischen Aufbruchzeit“, sagt Trendforscher und wissenschaftlicher Begleiter des Leadership Kongresses, Franz Kühmayer. Das Corona-Jahr 2020 gehe schon jetzt als „Musterbeispiel für Disruption“ in die Geschichtsbücher ein: Neben den massiven Eingriffen in Wirtschaft und Gesellschaft sowie den neuen Reaktions- und Handlungsmustern – „in bislang unvorstellbarem Ausmaß“ – manifestieren sich mit dem Andauern der Pandemie auch längerfristige Trends: „Corona ist nicht nur ein Evolutionsbeschleuniger für mobiles und digitales Arbeiten, sondern auch für unser Verständnis von Führung, Unternehmenskultur und Innovation“, so Kühmayer.
Während in der ersten Krisen-Phase bei vielen Unternehmen Improvisation und Toleranz gefragt waren, vor allem wenn es um rechtliche oder organisatorische Fragestellungen beim Remote Working ging, wird jetzt immer deutlicher, dass es nachhaltige Antworten für den Regelbetrieb braucht. Nicht die nötige Infrastruktur zu schaffen, sondern der begleitende Kulturwandel im Unternehmen sei der entscheidende Faktor, so Kühmayer. Dies betrifft auch das Büro an sich, denn der Wert des institutionellen Arbeitsplatzes wird sich deutlich ändern. Die Pandemie hat gezeigt, dass niemand ins Büro fahren muss, um produktiv zu sein. Gleichzeitig geht mit zu viel Abstand die Identifikation mit dem Unternehmen verloren. Das heißt, Unternehmen müssen eine umfassende, kulturell fundierte Office-Strategie etablieren. In weiterer Folge gilt es dann, die physische und digitale Arbeitswelt zu verschmelzen, ohne dass es einen Unterschied macht, von wo aus gearbeitet wird.
Für das Gelingen einer hybriden Arbeitswelt sei vor allem die Einstellung der Führungskräfte elementar, bekräftigt Hermann Erlach, General Manager bei Microsoft Österreich, in seiner Keynote und gibt den Raiffeisen-Führungskräften zu denken: „Wie digital arbeiten eigentlich Sie? Gehen Sie schon als Beispiel voran oder haben Sie noch ein Faxgerät im Büro?“ Nichtsdestotrotz sei digitaler Wandel eine gemeinsame Anstrengung, vor allem weil es keine allgemeingültige Lösung für die Herausforderung gibt. Jedes Unternehmen muss sich seine Digital-Strategie selber designen, abgestimmt auf die eigenen Bedürfnisse und Möglichkeiten.
„Vorne ist eben, wo sich noch niemand auskennt.“
Franz Kühmayer
Diese Ambivalenz zwischen alter und neuer Arbeitswelt, zwischen Eindeutigkeit und Unschärfe, Stabilität und Beweglichkeit, erfordert von Führungskräften ein vernetztes und systemisches Denken als auch ein Umdenken in der Innovationspolitik, sagt Franz Kühmayer: „Das kreative Experimentieren und Explorieren von Möglichkeitsräumen wird gerade in unberechenbaren, unsicheren Zeiten zum neuen Modus Operandi.“ Das sture Klammern an althergebrachten Spielregeln sei zum Scheitern verurteilt. „Vorne ist eben, wo sich noch niemand auskennt. Und das ist auch gut so, denn das verleiht uns Spielraum. Spielraum für Innovation“, so Kühmayer.
Höhere Ansprüche
Spielraum und mutiges Handeln braucht es auch, wenn es um die Führung junger Menschen geht. Gemeint sind damit die Berufseinsteiger (Gen Z) als auch die Arbeitnehmer Anfang-Mitte-30 (Gen Y), die gerade im Erwerbsleben festen Fuß fassen. Wie jede Generationen zuvor sind auch diese Altersgruppen geprägt von ihren eigenen Vorstellungen, Ansichten und Wünschen. Die unterschiedlichen Mindsets – zwischen Jung und Alt – bergen natürlich ein erhebliches Konfliktpotenzial und fordern einen generationenübergreifenden Führungsstil.
Junge Menschen stellen zunehmend Bewährtes in Frage. So verliert beispielsweise Geld als Motivationsmittel und Aufstiegsmerkmal zunehmend an Bedeutung, sagt Kühmayer. Viel wichtiger sei den Mitarbeitern von morgen die persönliche Erfüllung und eine sinnstiftende Aufgabe sowie eine entsprechende Wertewelt des Unternehmens. Hier hätten vor allem die Raiffeisen-Organisationen mit dem genossenschaftlichen Gedanken einen „sensationellen Differenzierungsfaktor“. Heike Mensi-Klarbach, Head of Group Human Resources der Raiffeisen Bank International (RBI), bestätigt, dass die Ansprüche der jungen Generation „ein Stück weit höher sind, wenn es um den Sinn und Zweck ihrer Arbeit geht“. Allerdings die Neigung, bei Unzufriedenheit den Job zu wechseln, auch.
Eva-Maria Ayberk, Expertin für Organisationsdesign und Leadership, rät auf alle Fälle, den Interessenausgleich zwischen den Generationen zu forcieren. Das kostet zwar viel Zeit und birgt einige Risiken, werde aber letztendlich ein Wettbewerbsvorteil sein. Wie beim digitalen Wandel gibt es auch beim Young Leadership keine Blaupause, weiß Ayberk: „Führen ist ein Experiment. Es gibt nicht den einen richtigen Weg, man muss den passenden für sich, sein Unternehmen und seine Mitarbeiter finden.“
Das Leadership von morgen erfordere „von der Kommandobrücke Freiräume zu gewähren und damit auch Kontrolle abzugeben und stattdessen Selbstorganisation zu fördern. Führung wird damit indirekter und subtiler – und zugleich relevanter und anspruchsvoller“, fasst Franz Kühmayer zusammen. Man dürfe nie vergessen, als Führungskraft ist man weder ohn- noch allmächtig, aber wirkmächtig.