Experimente mit Licht und Schatten

Das Jüdische Museum widmet der Fotografin Maria Austria die erste Einzelausstellung in Österreich.

Ein Foto zeigt einen etwas grantig wirkenden älteren Herren vor dem Burgtheater entlanggehen, ein anderes einen Wiener Weinseligkeit versprühenden Polizisten vor dem Parlament: Auch fast ein Vierteljahrhundert später gelang es Maria Austria (1915–1975) noch, das Charakteristische jener Stadt einzufangen, in der sie von 1933 bis 1937 gelebt hat. Gleichzeitig hielt Austria, deren Interesse stets avantgardistischen Strömungen galt und die später die niederländische Theaterfotografie revolutionieren sollte, beim einzigen Besuch ihrer ehemaligen Heimatstadt auch das modernistische Wien fest.

Eintauchen in das Œuvre der in Österreich weitgehend unbekannten Fotografin kann man noch bis 14. Jänner im Jüdischen Museum. Die mit „Fokus! Jetzt! Maria Austria Fotografie im Exil“ betitelte Schau setzt mit dem Frühwerk der als Marie Oestreicher in eine deutschsprachige jüdische Ärztefamilie in Karlsbad hineingeborenen Fotografin ein. „Schon während ihrer Ausbildung an der Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt interessierte sie sich vorrangig für modernistische Stile wie die Neue Sachlichkeit und das Neue Sehen“, so Kuratorin Andrea Winklbauer. Beispielhaft lasse sich das an ihren Porträtstudien ablesen: „Dabei ist Austria sehr nahe an ihre Modelle herangegangen und hat mittels des Lichts plastische Formen entstehen lassen.“ Aber auch mit Stillleben beschäftigte sich die angehende Fotografin, ein Beispiel ist ein Bild, in dem sie eine Komposition aus Maschinenteilen und deren Schlagschatten schuf. „Das sind eigentlich alles Experimente mit Licht und Schatten.“

Zeitgeschehen dokumentiert

Im Sommer 1937 folgte Maria Austria ihrer Schwester Lisbeth, die am Bauhaus Textilentwurf studiert hatte und seit 1935 ein Atelier in Amsterdam betrieb, dorthin nach. 1943 tauchte sie unter und wurde im Widerstand aktiv. Zwei Fotografien erzählen von dieser Zeit: Bei dem einen handelt es sich um ein Porträt der Fotografin, aufgenommen von ihrem Lebensgefährten Henk Jonker, den sie in ihrem Versteck kennengelernt hatte, sowie eines, das Austria aus diesem heraus gemacht hat und das vorbeimarschierende Wehrmachtssoldaten zeigt. Unmittelbar nach Kriegsende gründete die mittlerweile 30-Jährige mit Jonker die Fotoagentur Particam. In den folgenden Jahren dokumentierte sie das Zeitgeschehen: Die Bilder zeigen von der deutschen Wehrmacht zerstörte Brücken, sich für Lebensmittel anstellende Menschen, aus dem Durchgangslager Westerbork zurückkehrende Juden, aber auch Künstlerpersönlichkeiten wie Leonard Bernstein oder Peter Ustinov hielt Austria mit der Kamera fest. In dieser Zeit zeigte sich ein neues Interesse an der Bewegung, wenn sie etwa eine Tänzerin abbildet, die Fotos in die Luft wirft.

Als 1954 Anne Franks Tagebuch für den Broadway dramatisiert wird, erhielt Maria Austria den Auftrag, deren Versteck zu dokumentieren. Dabei fotografierte sie etwa den Helfer der Familie, wie dieser die Funktionsweise der Bücherschranktür, hinter der sich das Versteck befand, demonstriert oder Otto Frank, der seine tätowierte Auschwitz-Nummer zeigt. Die Fotoserie „Het Achterhuis“ wurde für das Bühnenbild verwendet und später in einer Zeitung veröffentlicht. 

Radikale Kontraste

Das letzte Kapitel der Schau ist der Theaterfotografie gewidmet. Schon als Pressefotografin dokumentierte Maria Austria zahlreiche Inszenierungen, ab 1965 war sie Hausfotografin des Avantgardetheaters Mickery. Dabei schuf sie mit Licht und Schatten, Bewegung und Bildausschnitt einzigartige Bilder, die zunehmend durch starke Schwarz-Weiß-Kontraste geprägt waren. „Sie verzichtete immer mehr auf zusätzliche Lichtquellen und unterdrückte beim Ausarbeiten der Fotos die Grautöne“, so Winklbauer. 

Oftmals orientieren sich die Fotos auch an kunsthistorischen Vorbildern, wobei Austria die Motive in eine originäre Bildsprache übersetzte. So klingt in einem Foto einer Tänzerin, das diese mit weit aufgerissenem Mund zeigt, Edward Munchs Gemälde „Der Schrei“ nach. Zu den Höhepunkten ihres Schaffens zählen aber auch die Neujahrskarten, die die Fotografin zwischen 1963 und 1975 verschickte.

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