Martin Hauer: „Das Konzept der Stadtbank ist angekommen“

Martin Hauer, Vorstandsdirektor der Raiffeisenlandesbank NÖ-Wien, erklärt, wie sich Raiffeisen in Wien mit Kundennähe in der Großstadt etabliert hat und Neukunden sowie Marktanteile gewinnen konnte.

Raiffeisen hat es in der Stadt immer schwer gehabt, vor allem in Wien. Heuer bei der Jahrestagung war die Botschaft: „Die Stadtbank hat den Turnaround geschafft.“ Wie schaut der aus?
Martin Hauer: Wir haben uns das Ziel gesetzt, die Stadtbank zu einem veritablen Faktor in Wien zu machen. Die Ursprungsidee war, dass wir das, was Raiffeisen landauf, landab stark macht, nämlich nahe beim Menschen und den Kunden zu sein und zu wissen, was in der Region los ist und wie man sie fördern kann, auch in die Bundeshauptstadt bringen. Am Anfang sind wir damit nicht von allen ernst genommen worden. Aber es ist gelungen: Der Begriff Stadtbank wird heute mit Raiffeisen verbunden und wir haben den Beweis geliefert, dass auch die Städter ähnliche Bedürfnisse haben wie die Bevölkerung auf dem Land. 

Was hat diese Neupositionierung als Stadtbank mit sich gebracht?
Hauer: Im ersten Schritt haben wir ein komplett neues Filialkonzept mit Regionalzentren für die Betreuung existenzieller Bedürfnisse und Bezirksbanken für das Tagesgeschäft umgesetzt. Das war der Grundstein, gepaart mit dem Mut zu Investitionen. Wir haben in Digitalisierung investiert sowie unser Filialnetz komplett modernisiert und sind damit entsprechend aufgefallen. Mit unserer Strategie „Fokus 2027“ haben wir weiter nachgeschärft, mit dem klaren Ziel der Kundenorientierung und des profitablen Wachstums. 

Wie schlägt sich diese Strategie in Zahlen nieder?
Hauer: Die Erfolge schlagen sich in den Ergebnissen der Stadtbank nieder und beim Netto-Neukundenwachstum. Unsere Kundenbasis ist in den vergangenen zwei Jahren um 13.000 Kunden gewachsen. Das zeigt, das Konzept „Raiffeisen Wien. Meine Stadtbank.“ ist angekommen und funktioniert sehr gut.

Haben sich auch Marktanteile verschoben?
Hauer: Marktanteile verschieben sich in Wien sehr langsam, aber es ist uns gelungen, zu den Mitbewerbern aufzuschließen und vom vierten auf den dritten Platz vorzurücken. Aktuell haben wir einen Kundenanteil von 17 Prozent. 

„Wir konzentrieren uns auf den Mittelstand als Rückgrat der österreichischen Wirtschaft.“

Martin Hauer

Wer sind die neuen Kunden? Bei welchen Gruppen kann man besonders punkten?
Hauer: Wir punkten sowohl bei Privatkunden als auch bei KMU. Wir konzentrieren uns auf den Mittelstand als Rückgrat der österreichischen Wirtschaft und haben momentan 25.000 Kunden im KMU-Bereich und gewinnen laufend neue Kunden dazu. Wir sehen also, dass das KMU-Konzept, das wir im Vorjahr etabliert haben, zu greifen beginnt. Bei Privatkunden gehen die Zuwächse quer durch alle Bevölkerungsschichten und Generationen.

Können Sie nachvollziehen, welche Maßnahmen Kunden konkret anlocken? 
Hauer: Es ist ein Mix. Wichtig war die absolute Kundenzentrierung und dass wir Raiffeisen Wien als moderne Omnikanal-Bank positioniert haben. Die Anzahl der digitalen Konto-Neukunden konnten wir seit 2023 mit neuen Strecken und Produkten verfünffachen. Wir haben aber auch einen ausgezeichneten stationären Vertrieb, der gerne weiterempfohlen wird, und ein verbessertes Produktangebot. Wir haben neue Konto- und Depotmodelle geschaffen. Und auch unser Weg der Produktpartnerschaften und des Beyond Bankings macht sich bemerkbar. Wir versuchen, als Bank auf die Kundenbedürfnisse einzugehen – beispielsweise mit der Kooperation mit Bitpanda oder auch mit Raiffeisen Junior. Auch unsere Kooperation mit Uniqa im Bereich Gesundheitsvorsorge und Pflege kommt sehr gut an. Das Allerwichtigste ist, dass man bei allem, was man tut, die Kundenbedürfnisse im Kopf hat und dranbleibt. 

Wie viel Potenzial sehen Sie denn noch? Ist der zweite Marktplatz in Wien erreichbar?
Hauer: Wir strecken uns nach der Decke, aber man muss schon realistisch sein: Den Platzhirschen mit über 30 Prozent Marktanteil, Bank Austria und Erste Bank, eine Ansage zu machen, wäre vermessen und ist auch nicht unser Antrieb. Aber ich sehe sehr großes Potenzial für die Stadtbank, deshalb haben wird uns sowohl im Privatkunden- als auch im KMU-Bereich ambitionierte Ziele gesetzt, um Schritt für Schritt aufzuschließen.

Was heißt das konkret?
Hauer: Wir wollen uns als Bank des Wiener Mittelstandes etablieren und bis 2028 durch innovative Lösungen rund 60.000 Neukunden gewinnen, das ist extrem ambitioniert. Unsere gesamte Kundenbasis liegt aktuell bei rund 254.000.

Sie haben schon das Filialkonzept angesprochen. Ist man nun mit fünf Regionalzentren und 20 Bezirksbanken gut positioniert?
Hauer: Ja, es war goldrichtig. Wir waren damit Vorreiter. Mittlerweile ist unsere Aufstellung State of the Art. Weil Wien sich verändert und wächst, werden wir unser Bankenstellenetz punktuell erweitern. Beispielsweise werden wir im Auhof Center noch im Herbst eine neue Bezirksbank eröffnen. 

Wo liegt der Mehrwert für den Kunden, wenn er in ein Regionalzentrum geht? 
Hauer: In der Beratungsqualität. Ins Regionalzentrum kommt der Kunde für seine existenziellen Bankgeschäfte. Wenn Sie einmal im Leben eine Hypothekarfinanzierung aufnehmen, dann wollen Sie von einem Profi beraten werden, der das regelmäßig macht. Das große Beratungsgeschäft – auch bei Wertpapieren – wird in den Regionalzentren gemacht. Dieses Expertentum haben wir auch auf unseren KMU-Bereich ausgeweitet: Wir haben vier Kompetenzzentren für KMU, die sich auf bestimmte Branchen konzentrieren. Heuer ist das erste Jahr mit diesem Konzept und wie man an den Zuwachszahlen sieht, beginnt es schon zu greifen. 

Martin Hauer im Interview
© Sabine Klimpt

Welche Branchen werden im KMU-Bereich konkret angesprochen? 
Hauer: Wir haben Schwerpunkte im Bereich Handel, Mobilität und Produktion; Gesundheit, Technologie und Tourismus; Immobilien und als vierte Einheit „regionale Wirtschaft“, wo wir uns um Kleinunternehmen mit einer Betriebsleistung von bis zu zwei Millionen Euro kümmern. 

Bringt diese Kompetenzbündelung in der Beratung auch Kosteneinsparungen für die Bank?
Hauer: Vor allem steigert es die Betreuungsqualität für unsere Kunden. Aber ja, am Beginn hat das Konzept zu Einsparungen geführt, seither fahren wir auf einem sehr konstanten Kostenniveau und sind profitabler geworden. Das gibt uns die Möglichkeit, gezielt in den Vertrieb zu investieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

Das Immobiliengeschäft war zuletzt schwierig. Dank Zinssenkungen gibt es eine Trendumkehr. Spüren Sie diesen Aufschwung bereits? 
Hauer: Ja, im Bereich der Hypothekarfinanzierungen haben wir im Frühjahr die Talsohle durchschritten. Wir sind sehr gut positioniert und sehen wieder Zuwächse, aber sind noch lange nicht auf dem Niveau der Jahre 2021/2022. 

Wie haben sich die Kundeneinlagen entwickelt?
Hauer: Noch besser. Durch gezielte Aktionen haben wir das Einlagenvolumen ganz bewusst gesteigert, um uns als Landesbank kapitalmarktunabhängiger zu machen. Wir liegen jetzt konstant bei knapp 7 Mrd. Euro.

Wo sehen Sie den Unterschied zwischen einer klassischen Regionalbank und einer Stadtbank? Ist die Kundenansprache in der Großstadt eine andere?
Hauer: Es braucht im Wesentlichen dasselbe, aber in unterschiedlicher Intensität und Geschwindigkeit. In der Großstadt ist man, egal wie sehr man sich bemüht, allein aufgrund der Menge nicht immer so nah am Kunden. Deshalb ist es noch wichtiger, alle Kanäle entsprechend anzubieten. Auch der Mitbewerb ist viel stärker – alle drängen nach Wien. Deshalb haben wir viel investiert und auch eine Vorreiterrolle im Omnikanalvertrieb eingenommen – Stichwort Digitalvertrieb, virtuelle Beratung etc. Wir haben in der Stadt einen größeren Wettbewerbsdruck, deshalb muss man viel innovativer sein, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Denn diese berühmte Time-to-Market, also die Zeit, in der man reagieren kann, bis man am Markt sein muss, ist hier wesentlich kürzer. 

„Man kann nicht aus dem Elfenbeinturm heraus Strategien entwickeln.“

Martin Hauer

Welche Rolle spielt die digitale Bankstelle?
Hauer: Eine große und immer größer werdende. Unsere virtuelle Stadtbank bietet eine Universalberatung über Telefon, Video usw. auch nach 18 Uhr. Wir haben mittlerweile von unserem Kundenstock knapp 25.000 Kunden ganz bewusst – mit der Zustimmung des Kunden – in diese virtuelle Stadtbank transferiert. Das andere Thema sind die Serviceaktivitäten, wo man im digitalen Bereich ein immer breiteres Angebot bieten muss, da haben wir mit der Elba-App unglaubliche Fortschritte erzielt. Und auch der digitale Produktabschluss wird stärker angenommen und die sogenannte Conversion-Rate verbessert sich laufend. 

Verbessert sich dadurch auch die Cross-Selling-Rate? 
Hauer: Ja absolut. Das ist einer unserer großen Schwerpunkte. Gerade im Dienstleistungsgeschäft und da insbesondere im Wertpapiergeschäft gelingt uns das schon sehr gut. Unsere Kunden haben also zunehmend mehr Produkte. 

Es gibt viele Themen, womit beschäftigen Sie sich aktuell am meisten?
Hauer: Nachdem wir unsere neue KMU-Strategie etabliert haben, investiere ich momentan die meiste Zeit in die digitale Neukundengewinnung. Gemeinsam mit der RBI, mit der wir in diesem Bereich eng zusammenarbeiten, machen wir hier große Fortschritte. Auch das Thema Zielgruppenmanagement ist ein absoluter Schwerpunkt.

Im Vorjahr haben Sie auch öffentlichkeitswirksam viele KMU besucht. Wie viel Kundenkontakt haben Sie in Ihrer Funktion denn noch?
Hauer: Zu meiner Freude sehr viel und ohne diesen Kontakt ginge es auch nicht: Man kann nicht aus dem Elfenbeinturm heraus Strategien entwickeln, ohne zu wissen, was die Kunden wirklich brauchen. Unser Motto ist absolute Kundenzentrierung, da ist es wichtig, nah bei den Kunden zu sein. 

AusgabeRZ35-2025

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