Höllerer: „Wir sind resilient aufgestellt“

Die Raiffeisen-Holding NÖ-Wien und die RLB NÖ-Wien haben im ersten Halbjahr 2023 „hervorragende Ergebnisse“ erzielt. Generaldirektor Michael Höllerer spricht im Interview über die Wachstumsstrategie der Bank und setzt dabei den Fokus auf die grüne Transformation.

Die Raiffeisen Holding NÖ-Wien drehte das Halbjahresergebnis mit einem Gewinn von 370,7 Millionen Euro im Jahresabstand deutlich ins positive Terrain. Was waren die Treiber dafür? Wie zufrieden sind Sie mit dem Ergebnis?
Michael Höllerer: Wir haben unsere ambitionierten Ziele erreicht und blicken mit Zuversicht auf das Geschäftsjahr 2023. An den Zahlen sieht man, dass unsere Industriebeteiligungen gut aufgestellt sind, die Auftragsbücher sind voll und sie profitierten die letzten sechs Monate von den sich wieder normalisierenden Rohstoffpreisen. Im Bankgeschäft schlägt sich unsere starke Kundenbindung positiv auf das operative Ergebnis nieder. Unsere Wachstumsstrategie, mit Fokus auf den heimischen Mittelstand, zahlt ebenfalls auf das gute Ergebnis ein. Und natürlich unsere Beteiligung an der Raiffeisen Bank International, die sehr stabil und gut unterwegs ist. Kurz gesagt: Es ist bisher hervorragend gelaufen.

Wie hat sich das Ergebnis der RLB NÖ-Wien in den ersten sechs Monaten 2023 entwickelt?
Höllerer: Die RLB NÖ-Wien hatte ein positives erstes Halbjahr. Sie ist sowohl im Kreditgeschäft als auch bei den Kundeneinlagen gewachsen. Die Zahlen belegen das deutlich.

Das Kreditgeschäft ist um 7,3 Prozent auf 15,5 Milliarden Euro gestiegen. Wie spüren Sie die sich eintrübende Konjunktur und die viel kritisierte KIM-Verordnung im Bereich der Hypothekarkredite?
Höllerer: Aus meiner Sicht muss die KIM-Verordnung auslaufen! Die verschärften Kreditvergaberegeln, die überraschend schnelle Zinswende und die Verteuerung der Wohnimmobilien durch hohe Baukosten sind enorme Belastungen für den heimischen Mittelstand. Wir setzen deshalb alles daran, unseren Kunden weiterhin den Eigentumsaufbau zu ermöglichen. Schließlich ist die Schaffung von Wohneigentum die beste Vorsorge für leistbares Wohnen im Alter und gilt als Schlüsselfaktor für den Aufbau von Wohlstand. Wenig überraschend haben sich die Hypothekarkredite an Konsumenten auch bei uns rückläufig entwickelt, zusammen mit den gewerblichen Wohnimmobilienfinanzierungen kommen wir jedoch auf ein erfreuliches positives Ergebnis. 

Michael Höllerer im Interview
© Roland Rudolph

Die sogenannten notleidenden Kredite (NPL-Quote) gingen im Jahresabstand um 0,1 Prozentpunkte auf tiefe 1,7 Prozent zurück. Können Sie sich entspannt zurücklehnen? 
Höllerer: Im Sinne unserer Kunden bleiben wir weiterhin in Bewegung. Die niedrige Quote notleidender Kredite ist vor allem auf unsere verantwortungsvolle Kreditvergabe zurückzuführen.

Auch die Einlagenseite ist mit einem Plus von 5,6 Prozent auf 9,4 Milliarden Euro in Bewegung gekommen. Wie wichtig werden die Einlagen für die Refinanzierung und was tun Sie dafür?
Höllerer: Wir erleben eine Renaissance des Sparens. Wir sehen, dass das Einlagengeschäft wieder interessant wird, es steigt vor allem die Nachfrage nach klassischen Sparprodukten. Fixe Renditen werden von den Kunden bevorzugt, hier bieten wir attraktive Angebote. Grundsätzlich rückt das Thema Liquidität massiv in den Mittelpunkt. Nicht zuletzt durch den Bilanzabbau der Europäischen Zentralbank wird Liquidität zu einem knapperen Gut.

Wo sehen Sie noch Verbesserungspotenzial im Kerngeschäft? 
Höllerer: Aktuell beschäftigen uns vor allem drei Themen, die wesentlicher Teil unserer strategischen Ausrichtung sind: die Ausrichtung der Bank auf absolute Kundenzentrierung mit Fokus auf den unternehmerischen sowie privaten Mittelstand. Die Nachhaltigkeitstransformation der Wirtschaft – hier sehen wir uns als starken Partner. Und das Themenfeld der Digitalisierung, bei dem Convenience und Effizienz weiterhin im Mittelpunkt stehen.

„Wir haben quer durch die Bank hervorragende Ergebnisse“

Michael Höllerer

Wie groß war der Beitrag der Beteiligungen der Raiffeisen-Holding NÖ-Wien zum Ergebnis im Halbjahr? 
Höllerer: Wir haben quer durch die Bank hervorragende Ergebnisse: vorneweg die RLB NÖ-Wien mit 274,4 Millionen Euro Ergebnisbeitrag. Auch im Agrarbereich zeigt sich, dass wir sehr gut aufgestellt sind. Dieser liefert einen Ergebnisbeitrag von 93 Millionen Euro. Der Infrastrukturbereich trägt mit 22,8 Millionen Euro zum Ergebnis bei. Die Medien befinden sich weiterhin in einer Transformationsphase: Auf der einen Seite haben sie mit steigenden Kosten und Inseratenrückgängen zu kämpfen, auf der anderen Seite müssen sie die Digitalisierung weiter vorantreiben. 

Die RLB NÖ-Wien ist der größte Einzelaktionär der RBI. Was würde ein Russland-Ausstieg der RBI für die Bank bedeuten?
Höllerer: Die Kapital- und Liquiditätsausstattung der RBI ist sehr gut. Selbst bei einem Totalausfall des Russlandgeschäfts wäre die RBI noch sehr gut aufgestellt. Und ein eventueller Ausstieg aus Russland wäre auch für die RLB NÖ-Wien verkraftbar.

Das konjunkturelle Umfeld trübt sich immer mehr ein – hohe Inflation, sinkender Konsum, eine schwächelnde Industrie und eine harte Lohnrunde stehen bevor. Wie bereiten Sie sich auf diese Rahmenbedingungen für die nächsten Monate vor und was macht Ihnen am meisten Sorgen?
Höllerer: Mein Motto ist: Optimistisch bleiben und anpacken. Jetzt gilt es, das unternehmerische Denken nicht aus den Augen zu verlieren. Zudem verfügen wir über eine sehr gute Kapitalausstattung, die wir auch künftig fest im Blick haben. Damit sind wir resilient aufgestellt, um uns den kommenden Herausforderungen zu stellen. 

Michael Höllerer im Interview
© Roland Rudolph

Wo sehen Sie in diesem herausfordernden Umfeld noch Wachstumspotenzial?
Höllerer: Wir sehen uns als Impulsgeber und generieren Lösungen für unsere Kunden – so feilen wir etwa weiter an unserem Beyond-Banking-Angebot – also Lösungen abseits des Bankschalters für unsere Kunden zu finden – und sehen uns ganz klar als Partner der Wirtschaft auf ihrem grünen Transformationsweg.

Gegenwind kommt auch immer mehr von der Aufsicht bzw. dem Regulator. Seit Kurzem wurde die Verzinsung der Mindestreserve bei der EZB abgeschafft. Nun wird über eine Erhöhung der Mindestreserve auf 5 bis 10 Prozent diskutiert. Wie kommentieren Sie diese Entwicklung? 
Höllerer: Hier wird eindeutig ein falsches Signal gesetzt. Eine höhere, unverzinste Mindestreserve wirkt wie eine Steuer auf Bankeinlagen. Damit würden die Kreditvergabemöglichkeiten der Banken spürbar eingeschränkt. Und das in einer Zeit, in der erhebliche Investitionen in die Wirtschaft – wie etwa in die nachhaltige Transformation und für die Schaffung bezahlbaren Wohnraums – notwendig sind. 

Was sind Ihre Erwartungen für das Gesamtjahresergebnis 2023 der Holding bzw. der RLB NÖ-Wien?
Höllerer: Mit dem Halbjahresergebnis haben wir ein hervorragendes Etappenziel erreicht. Jetzt heißt es, auf Kurs bleiben.

AusgabeRZ40-2023

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