„Mono ist nie gut“

Seit 2022 gibt es das klar definierte Ziel, mehr Funktionärinnen in die Lagerhaus- und Molkerei-Genossenschaften zu bringen. 2030 soll der Anteil im Lagerhaus bei 25 Prozent liegen, dafür ist noch viel zu tun.

Franziska Schilcher beim Vortrag
(c) RWA/Schedl

Die Banken haben vorgezeigt, dass mehr möglich ist: Sie haben den Frauenanteil in den Aufsichtsgremien deutlich erhöht. Im Jahr 2014 – mit der Gründung des Funktionärinnen-Beirats im Österreichischen Raiffeisenverband – wurde das Ziel 25 Prozent bis 2025 ausgegeben. Damals lag der Funktionärinnen-Anteil in den Raiffeisenbanken bundesweit bei 8,5 Prozent, heute ist man mit 22 Prozent dem Zwischenziel schon nahegekommen. In zehn Jahren ist es allen Bundesländern gelungen, mehr Frauen für die Funktionärstätigkeit zu gewinnen. In Niederösterreich und Oberösterreich hat man das Ziel auch schon überschritten, während man sich in Kärnten, Tirol und im Burgenland noch anstrengen muss, die 25 Prozent zu erreichen. 

Erweiterung auf Ware

Im Herbst 2022 wurde der Wirkungsbereich des Funktionärinnen-Beirats schließlich auf alle Sparten ausgeweitet. Neben den Bundesländervertretern aus dem Bankenbereich sind nun auch jeweils zwei Funktionärinnen aus den Lagerhaus- und Molkerei-Genossenschaften im Beirat vertreten, die sich für mehr Funktionärinnen stark machen. In Österreich werden fast 40 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe von Frauen geführt, dieser Prozentsatz spiegelt sich in den Gremien keinesfalls wider. Deshalb wurden auch im Warenbereich klare Ziele definiert: In einem ersten Schritt soll bis 2025 der Frauenanteil auf 12 Prozent gehoben werden, bis 2030 sollen es 25 Prozent sein. Aktuell liegt man in den Lagerhaus-Genossenschaften bei 8 Prozent, bei den Molkereien sind es 7,4 Prozent.  

Anteil der Funktionärinnen
Anteil der Funktionärinnen

„Mono ist nie gut, das wissen wir aus der Landwirtschaft. Monokulturen können am Anfang viel bringen, aber irgendwann kommt ein großer Bruch. Was im Ackerbau und in der Forstwirtschaft gilt, kann man auch auf die Gremien ummünzen“, unterstreicht Franziska Schilcher, Mitglied des Funktionärinnen-Beirats und Aufsichtsratsmitglied im Lagerhaus Graz Land, den dringenden Handlungsbedarf. Schilcher ist ein Raiffeisen-Urgestein, wurde direkt nach ihrer Meisterprüfung gefragt, ob sie im Lagerhaus-Vorstand mitarbeiten will. „Das Genossenschaftswesen hat mich sofort fasziniert und tut es bis heute“, erklärt Schilcher. 

Was im Ackerbau und in der Forstwirtschaft gilt, kann man auch auf die Gremien ummünzen.“

Franziska Schilcher

Starke Vernetzung 

Auch Viktoria Hutter, ebenfalls Mitglied im Funktionärinnen-Beirat und Vorstandsmitglied im Raiffeisen-Lagerhaus Waidhofen a.d. Thaya versucht ihre Begeisterung für die Funktionärinnentätigkeit auf andere Frauen zu übertragen: „Es ist ganz wichtig für Funktionärinnen, dass man in ein Netzwerk eingebunden ist.“ Ausgehend vom Funktionärinnen-Beirat sucht man auch den Austausch mit anderen etablierten Netzwerken wie dem Team Green der RWA, dem Arbeitskreis
Österreichischer Bäuerinnen oder der Landjugend Österreich. Darüber hinaus will man über verstärkte Medienarbeit und mit gezielten Veranstaltungen das Interesse an der Mitbestimmung in Genossenschaften wecken. Zukünftig soll es in jedem Bundesland auch eine Ansprechperson für Funktionärinnen aus dem Waren-Sektor geben. 

Um dem Thema Diversität noch mehr Nachdruck zu verleihen, wird in den Revisionsberichten und seit heuer auch bei den Generalversammlungen explizit darauf hingewiesen, wenn es noch keine Frau im Funktionärsgremium gibt. Schilcher appelliert: „Wenn Neuwahlen anstehen, muss man wirklich bewusst darauf schauen, nicht nur mehr Weiblichkeit, sondern echte Diversität in die Gremien zu bekommen.“ Dass das kein einfaches Unterfangen ist, man Frauen direkt ansprechen und oft Überzeugungsarbeit leisten muss, weiß Schilcher aus Erfahrung, denn auch in der Steiermark stehen heuer Neuwahlen an. 

Mehr weibliche Mitglieder

Die Gründe, warum sich Frauen nach wie vor zurückhalten, Funktionärstätigkeiten zu übernehmen, sind vielfältig, wie bei den diesjährigen Lagerhaus-Funktionärsimpulstagen aus einer Diskussion hervorging. So haben Frauen im bäuerlichen Bereich oft mehr Verpflichtungen, nicht nur am Hof, sondern auch innerhalb der Familie und können sich seltener freispielen. Zudem sei die Bandbreite an agrar- und landtechnischen Themen für Frauen oft eine Überforderung. Auch die fehlende Dreistufigkeit, wie bei den Raiffeisenbanken, erschwere die Förderung von Frauen im Warenbereich, da es weniger bundeslandweite Unterstützung gebe. Ein weiterer Grund seien die fehlenden weiblichen Mitglieder. Schilcher berichtet, dass in der Steiermark 82 Prozent der Lagerhaus-Mitglieder männlich sind: „Als Funktionärin muss man natürlich Mitglied sein, hier müssen wir die Attraktivität erhöhen.“ In ihrem Lagerhaus Graz Land hat sie deshalb beispielsweise eine Ladies Night für Bäuerinnen veranstaltet, bei der sich mehr als 300 Frauen im Lagerhaus-Markt von Bloggerin und Bäuerin Christina Bauer, besser bekannt als „Backen mit Christina“, Backtipps holten. Gleichzeitig hat man erfolgreich die Mitgliedschaft beworben. „Man kann mit solchen Aktivitäten etwas bewirken“, weiß Schilcher. 

Verschiedene Sichtweisen

Mehr Diversität bei den Lagerhaus-Genossenschaften würde einen Imagegewinn bringen und die Wettbewerbsfähigkeit erhöhen, ist sich auch Michael Göschelbauer, Aufsichtsratsvorsitzender der RWA und Obmann im Lagerhaus Tulln-Neulengbach, sicher: „Die Durchmischung und ein frischer Wind sind notwendig und tun dem Lagerhaus gut. Wir sind auf einem guten Weg. 25 Prozent bis zum Jahr 2030 sollte überhaupt kein Thema sein.“ Seit zwei Jahren wird auch überlegt, die Mitgliedschaft nicht nur Land- und Forstwirten zu ermöglichen, sondern bis zu einem gewissen Grad auch für andere Berufsgruppen zu öffnen. „Es wäre eine Riesenchance für die Genossenschaft – auch in der kompletten Kommunikation“, ist Göschelbauer überzeugt. Man müsse aber mit Bedacht vorgehen und Parameter finden, damit die gewachsenen Traditionen nicht untergraben werden. Franziska Schilcher würde eine behutsame und gut vorbereitete Öffnung begrüßen: „Andere Sichtweisen tun so gut und würden der ganzen Gruppe generell guttun.“

Dass Vielfalt ein Schlüssel ist, um die Zukunftsthemen bewältigen zu können, unterschreibt auch Josef Buchleitner, Geschäftsleiter des Raiffeisen Campus: „Es braucht unterschiedliche Perspektiven, unterschiedliche Fähigkeiten und unterschiedliche Lösungsbegabungen.“ Wichtig sei es aber auch, das eingebrachte Wissen und die eigenen Fähigkeiten weiterzuentwickeln. Deshalb startete am Raiffeisen Campus heuer die erste Lagerhaus-Funktionärsakademie. In vier Modulen stehen Themen wie rechtliche Rahmenbedingungen, Mitgliedermanagement, Gremiumarbeit, Nachfolgeplanung, Kommunikationsarbeit und zukünftige Geschäftsmodelle auf dem Lehrplan. Die Nachfrage war groß und so beginnt im Herbst bereits der zweite Lehrgang. 

Lagerhaus Funktionärsimpulstage
(c) RWA/Schedl

Miteinander mit Molkereien

Für den Molkereibereich fand Endes des Jahres 2023 ein Treffen der Beirätinnen Maria Brandstetter, Margit Mayr-Steffeldemel sowie Bettina Kastner mit Helmut Petschar, Präsident der Vereinigung Österreichischer Milchverarbeiter (VÖM), und Leopold Gruber-Doberer, Geschäftsführer der Milchgenossenschaft NÖ, statt. Es wurde vereinbart, dass es in der nächsten VÖM-Sitzung der Obleute und Geschäftsführer und bei der Milchwirtschaftlichen Tagung eine Präsentation des Funktionärinnen-Beirates geben wird. Als Unterstützung zur Gewinnung von Funktionärinnen wurde der Folder „Zukunft miteinander – Zukunft Frauen“ für die Molkereien erstellt und bei den ersten Veranstaltungen in Niederösterreich bereits verteilt.

Bettina Kastner, Koordinatorin des Funktionärinnen-Beirats, freut sich, dass die ersten wichtigen Schritte zu mehr Diversität in den Lagerhaus- und Molkerei-Genossenschaften gesetzt wurden, aber weitere Maßnahmen müssten folgen.