Die rasante Anhebung der Leitzinsen durch die Europäische Zentralbank (EZB) bremst die Konjunktur in der EU deutlich ab. Für 2023 rechnet die EU-Kommission mit einem Wirtschaftswachstum von lediglich 0,6 Prozent, im Frühjahr hatte man noch mit 1 Prozent gerechnet. Für Österreich wird nun eine Rezession von 0,5 Prozent prognostiziert, nachdem im Frühjahr noch ein kleines Wirtschaftswachstum von 0,4 Prozent erwartet worden war. „Die Inflation kann nur dadurch bekämpft werden, wenn man die Dynamik aus der Wirtschaft rausnimmt“, betonte Robert Holzmann, Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB), im Klub der Wirtschaftspublizisten.
Auch wenn die EZB eine Pause in ihrem Zinsanhebungszyklus heuer im Oktober eingelegt und die Leitzinsen bei 4,5 Prozent belassen hat, sieht der Notenbanker die Geldpolitik noch nicht „am Ende der Fahnenstange“ angekommen – auch wenn das alle hoffen. „Wir sind bereit, noch mehr auf die Bremse zu steigen, wenn sich Inflationsentwicklungen ankündigen“, so Holzmann. Für die nächsten Zinssitzungen der Zentralbank rechne er aktuell mit weiteren Zinspausen.
Dabei steht vor allem die Kerninflation, also die Inflation ohne die volatilen Preisentwicklungen bei Lebensmitteln und Energie, im Fokus. Sie werde durch Preisveränderungen etwa auf dem Arbeitsmarkt getrieben. Für heuer rechnete die OeNB zuletzt mit einer Kerninflation von 7,1 Prozent im Gesamtjahr und damit nur geringfügig unter der allgemeinen Inflationsentwicklung von 7,4 Prozent.
Zudem warnt der Notenbank-Gouverneur die Finanzmärkte davor, unplausible Positionen wie rasche Zinssenkungen einzunehmen. „Die letzten Kilometer sind die schwierigsten“, meinte Holzmann in Bezug auf die Inflationsbekämpfung. Zinssenkungen im zweiten Quartal 2024, wie sie in den USA zum Teil eingepreist werden, wären nach seiner Ansicht in Europa „etwas zu früh“. „Ich würde diese Position nicht einnehmen“, so Holzmann.
Positiver Konjunkturausblick
Für die Konjunkturentwicklung 2024 ist der Notenbank-Gouverneur optimistisch gestimmt. Mit den erwarteten höheren Abschlüssen in den laufenden Lohnverhandlungen sollten die Einkommen im kommenden Jahr wieder real steigen und damit den Konsum als eine wesentliche Konjunkturstütze antreiben. Er hofft dabei auf einen „vernünftigen Abschluss“, der unter 10 Prozent Plus bleiben sollte.
Grundsätzlich gäbe es hier ein gewisses Spannungsverhältnis: Fallen die Lohnabschlüsse zu gering aus, könnten sie die Wirtschaftserholung gefährden. Fallen sie allerdings zu hoch aus, würden sie die Inflation für die nächste Zeit befeuern. „Wo der ,Sweet Point‘ ist, wissen wir alle nicht“, gesteht der Notenbanker ein. Darüber hinaus erwartet Holzmann steigende Investitionen sowie eine Zunahme der Warenexporte, was Österreich insgesamt wieder auf einen Wachstumspfad führen sollte. Ein „soft landing“, also das kontrollierte Abkühlen der Wirtschaft ohne in eine Rezession zu fallen, habe man nicht geschafft, bedauerte der Notenbanker.