Karge Stillleben, verzaubert anmutende Landschaften, oftmals menschenleer oder mit Protagonisten bevölkert, die in unterschiedliche Tätigkeiten vertieft von etwas Unheimlichen umgeben sind: Das Betrachten der Werke in der schlicht mit „Neue Sachlichkeit“ betitelten Ausstellung erfolgt auf eigene Gefahr – nur allzu leicht kann man sich in den von den Künstlern geschaffenen Bildwelten verlieren, wird man als Betrachter von der den Arbeiten innewohnenden Melancholie ergriffen. „Lied in der Dämmerung“ nennt sich ein in der Ausstellung gezeigtes Werk, „Winterlandschaft“ ein anderes.
Entstanden sind die Gemälde sowie alle insgesamt 33 in der Ausstellung gezeigten Werke in den 1920er- und beginnenden 1930er-Jahren – eine Zeit, die in Österreich von starker Unsicherheit und dem Verlust des Gewohnten geprägt war. Aus dem einstigen k.u.k.-Reich war nach der Niederlage im Ersten Weltkrieg ein kleines (von vielen nicht für überlebensfähig gehaltenes) Land geworden. Für Klaus Albrecht Schröder, Direktor der Wiener Albertina, ein „Weltmachtverlust, der sich bis ins Innerste der Kunst hinein“ abspielte.
Zeit der Umbrüche
In die österreichischen Geschichtsbücher hat sich die Zeit, die auf den Ersten Weltkrieg folgte, bis zur Machtübernahme der Nationalsozialisten 1938 als Zwischenkriegszeit eingeschrieben. Es sind die Jahre der Weltwirtschaftskrise, eine Zeit großer Umbrüche und von den verhärteten Fronten zwischen den politischen Ideologien geprägt: 1927 brannte nach dem als Unrecht empfundenen Urteil im Schattendorf-Prozess der Justizpalast, die Lage spitzte sich in den folgenden Jahren immer mehr zu, bis es schließlich zur Ausschaltung des Parlaments und zur Auflösung der Demokratie durch das Dollfuß-Regime kommt.
„Von alldem erzählt die Ausstellung nicht direkt – aber indirekt sehr wohl“, betonte Schröder, der als Mitglied im Beratergremium für die Kunstsammlung der Oesterreichischen Nationalbank die Ausstellung in Engelhartszell eröffnete. Nicht die Jagdleidenschaft stehe in Franz Sedlaceks „Waldlandschaft mit Jäger“ im Fokus, sondern vielmehr jage die Figur als eine Art „Kaspar“ aus Carl Maria Webers Oper „Der Freischütz“, ins fahle Mondlicht getaucht, etwas Unheimlichem hinterher – es ist „das Teuflische, das Skurrile, der Sozialtypus des Sonderlings, der uns hier entgegentritt“. In einem anderen Gemälde Sedlaceks sehen wir einen Pianisten, der ein „Lied in der Dämmerung“ spielt, während hinter ihm bedrohlich das unheimlichste Tier, die Fledermaus, durch den halb von Dunkelheit erfassten Raum schwebt. Beide Gemälde zählen zu den Hauptwerken des österreichischen Künstlers, dessen Lebenslicht im Zweiten Weltkrieg irgendwo in Polen an der Ostfront verloren ging, und befinden sich, wie ausnahmslos alle in der Schau präsentierten, im Besitz der Oesterreichischen Nationalbank.
Heimische Kunst fördern
Die Entscheidung, für die Oesterreichische Nationalbank Kunst zu sammeln, sei laut Gouverneur Robert Holzmann vor rund 40 Jahren getroffen worden. Grund dafür, die Sammlung damals anzulegen, sei, laut Holzmann, der ebenfalls für die Ausstellungseröffnung nach Engelhartszell angereist war, die Absicht gewesen „Österreichische Kunst zu fördern und bestimmte Kunst aus der Vergessenheit herauszuholen und zu zeigen“. Im Sammlungsbestand der Oesterreichischen Nationalbank befinden sich mittlerweile eine Vielzahl an Werken aus den Jahren 1918 bis 1939, aber auch Arbeiten von Künstlern nach 1945 und junger zeitgenössischer bildender Kunstschaffender.
Mit der Neuen Sachlichkeit hat sich im Sammlungsbereich der Zwischenkriegszeit in den letzten Jahren ein Schwerpunkt herauskristallisiert. Die Werke dieser Epoche seien „aufgrund der hohen Qualität und des begrenzten Angebots“ sehr gefragt, weiß auch die Kuratorin der Oesterreichischen Nationalbank, Brigitte Neider-Olufs. Lange Zeit unterschätzt, hat die „Neue Sachlichkeit“ als die einzige Avantgarde-Bewegung Österreichs der Zwischenkriegszeit in den vergangenen Jahren eine Wiederentdeckung erfahren. Neben deutschen Künstlern wie George Grosz, Otto Dix und Max Beckmann waren es auch österreichische Kunstschaffende wie Franz Sedlacek, Rudolf Wacker, Herbert Ploberger oder Herbert Reyl-Hanisch, die einen wichtigen Beitrag leisteten. Die Arbeiten dieser Künstler sind erstmals gemeinsam mit Werken von unter anderem Viktor Planckh, Robert Kloss, Albert Paris Gütersloh, Josef Gassler, Greta Freist oder Otto Rudolf Schatz in diesem Umfang gemeinsam im Schütz Art Museum öffentlich zu sehen.
Leuchtturm für die Kunst
Für das Ehepaar Schütz ist die Präsentation der Werke nicht die erste Zusammenarbeit mit der Oesterreichischen Nationalbank. So waren beispielsweise einige Exponate der Sammlung bereits als Teil der von Josef Schütz als Kurator geleiteten Retrospektive „Austrian Art 1860–1960“ in Peking, Dalian, Macao und Hubei zu sehen. Die Ausstellung, die 2015 vom Kulturministerium als „beste Ausstellung“ mit dem Staatspreis und von der Stadt Peking mit dem Kreativitätspreis prämiert wurde, wurde von rund viereinhalb Millionen Menschen gesehen. 2021 erfüllte sich der ehemalige Baumeister und passionierte Kunsthändler Josef Schütz seinen Traum vom eigenen Museum. Schon im ersten Jahr seines Bestehens konnte das Schütz Art Museum über 20.000 Menschen anziehen. Am Eingang des Wallfahrtsortes Engelhartszell gelegen, fungiert der weiße Museumskubus als erstes „Null-Energie-Museum“ der Welt, das aktiv klimaneutral betrieben wird, gemeinsam mit dem Stift Engelhartszell als Leuchtturm in der Region. Für Besucher ist nicht zuletzt dank Schiff- und Radverkehr gesorgt: Rund 780 Schiffe legen jährlich an der Donauhaltestelle – der ersten in Österreich – an, an die 80.000 Radfahrer durchqueren die Ortschaft auf ihrem Weg zwischen Passau und Wien. Noch bis 14. Jänner laden die Werke der „Neuen Sachlichkeit“ mit ihrer, laut Schröder, „stillen Melancholie“ Neugierige und Kunstaffine zum Träumen und zum Staunen ein.