Cheerleading: Die Raiderettes wollen hoch hinaus

Die Cheerleader der Tirol Raiders haben eine ganz besondere Mission im Sinn: Bei den Staatsmeisterschaften 2024 im heimischen Innsbruck wollen sie ganz oben auf dem Treppchen stehen. Die sportliche Leiterin Barbara Katzenhofer erklärt, wie das gelingen soll und warum Cheerleading derzeit auf allen Ebenen boomt.

Cheerleading in Action
© Florian Mitteregger

Es gibt kaum eine Sportart, über die so viele Missverständnisse im Umlauf sind wie im Cheerleading. Zum Beispiel weiß kaum jemand, dass diese Art der Anfeuerung in seinen Ursprüngen, also vor mehr als 100 Jahren, ausschließlich Männern vorbehalten war. „Das Publikum beim Football in den USA sollte animiert werden. Da die Tribünen aber sehr hoch waren, wurden menschliche Pyramiden gebaut. Irgendwann kam man drauf, dass das mit den leichteren Mädchen einfacher war, man diese auch höher werfen konnte, also hat man auch sie dazu geholt“, erzählt Barbara Katzenhofer, sportliche Leiterin bei den Raiderettes, den Cheerleadern der Swarco Raiders Tirol. 

Ein anderer Irrtum: Die spektakulären Akrobatik-Einlagen dienen ausschließlich der Animation des Publikums. Nein, sie haben sich mittlerweile zu einer eigenständigen Sportart entwickelt, die seit diesem Jahr auch offiziell in Österreich als solche anerkannt ist. „Ein 25 Jahre währender Kampf, der viel Freizeit, Mühe und Schweiß gekostet hat“, erzählt die 41-Jährige.

Wohl ähnlich viel Schweiß, wie es die Athletinnen kostet, wenn sie ihre einstudierten Choreografien, im Fachjargon Routinen genannt, aufführen. Das läuft bei Wettkämpfen nach einem genau vorgegebenen Schema ab. „Wir haben 30 Sekunden Zeit, unseren Cheer, also unsere Anfeuerung zu zeigen, dann müssen wir innerhalb von 20 Sekunden bereit sein, mit unserer Routine zu starten. Die darf dann maximal zwei Minuten und 15 Sekunden dauern“, erklärt Katzenhofer. Gezeigt werden dann Stunts, Partnerstunts, Baskets, Sprünge und Pyramiden, garniert mit Tanz-Elementen und Bodenturn-Übungen, Tumbling genannt. Das Ganze wird von einer Jury bewertet, wer am Ende die meisten Punkte hat, gewinnt den Contest.

Hype um den Sport

Als Katzenhofer vor mittlerweile sieben Jahren die sportliche Leitung der Abteilung Cheerleading übernahm – es gibt auch noch die „Performance Cheerleader“, bei denen Tanz- und Sprungelemente mehr im Vordergrund stehen – gab es gerade einmal drei Teams, die sie in den verschiedenen Altersklassen zu betreuen hatte. Das hat sich massiv geändert.

„Von den beiden Senior-Teams abwärts kommen wir auf insgesamt neun Formationen, dazu gibt es auch noch eine Warteliste von Mädchen, die wir noch nicht aufnehmen konnten.“ Bedenkt man, dass eine Formation aus 30 Athletinnen besteht, kommt man auf die beeindruckende Zahl von knapp 300 Frauen und Mädchen (ab vier Jahren), die den Sport unter dem Logo der Raiders, die seit vielen Jahren von der Raiffeisenbank Tirol gesponsert werden, ausüben. Tendenz steigend. „Es gibt in Tirol zwar noch zwei weitere Vereine, die Cheerleading anbieten, ich würde mir aber wünschen, dass es noch mehr werden“, sagt Katzenhofer, die auch im Vorstand des Österreichische Cheerleading und Cheerdance Verband (ÖCCV) vertreten ist.

Das Ziel vor Augen

Für die nahe Zukunft hat die Referendariatsleiterin an der Johannes Kepler Universität Linz konkrete und sehr ehrgeizige Pläne. Nach zwei dritten Plätzen bei den Senior-Staatsmeisterschaften möchte sie den nächsten Schritt machen und auf dem Stockerl weiter nach oben klettern. „Wir wollen 2024 vor heimischem Publikum in der Olympia World in Innsbruck den Titel holen und unsere offenen Rechnungen begleichen, daher sage ich: Wir sind im Gold-Modus!“ Um das zu erreichen, arbeitet ab sofort auch ein Mentalcoach mit den Sportlerinnen. Denn wie so oft auf allerhöchstem Niveau, werden auch im Cheerleading die Wettkämpfe im Kopf entschieden. „Wer mit der Nervosität nicht klarkommt oder während einer Routine die Nerven wegschmeißt, kann es nie nach ganz oben schaffen“, weiß sie. 

Um auch schon die jungen Athletinnen auf diese Herausforderung vorzubereiten, werden auch diese schon bei Spielen der Footballer oder der Basketballer der Raiders an der Seitenlinie eingesetzt. Denn kein Training kann die Belastung ersetzen, die man im Kopf aushalten muss, wenn man zum Zeitpunkt X, noch dazu vor Publikum, performen muss. Worauf es beim Cheerleading noch ankommt? Katzenhofer: „Ehrgeiz, Disziplin und vor allem Teamgeist. Wenn jemand nicht zum Training kommt, kann man manche Stunts, für die man vier oder fünf Personen braucht, gar nicht durchführen. Und man muss sich darauf verlassen können, dass die Kolleginnen einen nach einem Salto auch wieder auffangen, sonst kann es nicht funktionieren.“

Cheerleading in Action
© Schönherr

Vorurteile abbauen

Wer mit diesen Challenges augenscheinlich zuletzt sehr gut zurechtkam, sind Laura Pegutter und Julia Krimbacher. Sie wurden dieses Jahr von der ÖCCV-Nationalmannschaft nominiert, um Österreich bei den Weltmeisterschaften in Orlando (Florida) zu vertreten. Und sie holten in den Kategorien Youth All Girl Median (12 bis 14 Jahre) und Junior All Girl Advanced (15-18) prompt die Gold-Medaille. „Ich bin daheim ausgeflippt vor Freude, weil ich so extrem stolz auf die beiden Mädchen bin“, verrät Katzenhofer. „Wobei so ein Erfolg auch immer den Trainern, Betreuern und allen Kolleginnen einer Formation gehört.“

2024 wird für die Raiderettes nicht nur wegen der großen sportlichen Ambitionen ein ganz besonderes Jahr, es wird auch das 30-jährige Bestehen der Cheerleader gefeiert. Dafür hätte Katzenhofer noch einen ganz besonderen Wunsch. Denn obwohl es immer wieder auch mal Jungs gab, die sich für ihren Sport interessierten, sind es aktuell ausschließlich Mädchen, die auf den Matten in Innsbruck performen. „Es wäre schon großartig, wenn wir wieder ein Coed-Team (Anmerkung: gemischte Mannschaft) an den Start bringen könnten. Dafür bräuchte ich sechs bis acht Burschen, die Lust auf diese tolle Sportart haben.“

Denn dass Cheerleading heutzutage eine reine Frauensache ist, ist auch so ein Irrtum, der aus den Köpfen hinausmuss.