Die Wirtschaftslage hat sich in den vergangenen Monaten eingetrübt. Wie sind die aktuellen Rahmenbedingungen für das Leasinggeschäft?
Christoph Hayden: Die Ganzjahreszahlen sind noch nicht da, aber es ist jedenfalls ein deutlicher Aufschwung zu beobachten. Allerdings sehen wir auch Gegentendenzen: Die KFZ-Neuzulassungen sind massiv zurückgegangen auf 305.000 Fahrzeuge. Seit 43 Jahren hatten wir nicht mehr so wenig Neuzulassungen. Gestiegene Energiekosten, Post-Coronafolgen, Kriegsausbruch und hohe Inflation, das alles drückt auf die Wirtschaft. Vor diesem Hintergrund sind wir mit 2022 mehr als zufrieden, was vor allem unserem Konzept des Universalleasinganbieters geschuldet ist. Denn egal ob ein Fahrzeug, ein Gabelstapler, eine Maschine oder eine Immobilie finanziert werden soll, sind wir in der Lage, eine Leasingfinanzierung anzubieten, die sich an die individuellen Bedürfnisse der Kunden anpasst. Damit haben die Raiffeisenbanken ein attraktives Finanzierungsinstrument in der Hand, um maßgeschneiderte Lösungen für ihre Kunden darstellen zu können.
Gewinnt Leasing in Zeiten höherer finanzieller Belastungen durch die Inflation an Bedeutung?
Hayden: Ja, die Leasingquote steigt. Das sehen wir deutlich im KFZ-Bereich, aber auch bei heimischen Unternehmen. Speziell mit Fuhrparkmanagement können wir den Unternehmen Rundumpakete anbieten, die sie finanziell entlasten, unternehmenseigene Personalressourcen schonen und Mobilität garantieren.
Die Leasingfinanzierung von erneuerbaren Energien gibt es seit dem Vorjahr. Wie gut wird diese bereits angenommen?
Hayden: Erneuerbare Energien sind ein hochinteressantes Geschäftsfeld. Bis jetzt hatten wir für den Privatkunden immer nur die Autofinanzierung im Angebot, neuerdings bieten wir auch PV-Anlagen, Wärmepumpen und das ganze notwendige Equipment rundherum an. Wir sehen da viel Potenzial und haben uns für 2023 einiges vorgenommen. Wir sind noch dabei, das im Sektor bekannt zu machen, haben aber vergangenes Jahr schon mehr als 100 solcher Finanzierungen abgeschlossen. Mit der Bekanntheit wird auch die Nachfrage steigen. Um hier noch besser aufgestellt zu sein, streben wir Absatzkooperationen, eventuell auch die Zusammenarbeit mit einem österreichischen Produzenten an, um von Lieferketten unabhängiger zu sein. Für uns tut sich hier jedenfalls ein interessantes Geschäftsfeld auf.
Im aktuellen Infoformat für Raiffeisenberater, dem „RL on Tour“, setzen Sie gerade auf das Thema „Sicherheitenoptimierung durch Leasing“. Warum?
Hayden: Es ist vom Timing her goldrichtig, jetzt über Leasing nachzudenken. Für den Kunden bzw. Leasingnehmer ist Leasing ein willkommenes Instrument, um den Betriebsmittelrahmen zu entlasten und um dadurch an Flexibilität zu gewinnen. Leasing als Finanzierungsform ist am Asset orientiert und bietet viele Möglichkeiten, um die eigene Bilanz zu straffen und um Investitionskosten in Betriebskosten zu wandeln. So können heimische Unternehmen finanzielle Reserven schaffen und gleichzeitig wichtige Investitionen tätigen, um wettbewerbsfähig zu bleiben.
Welche Vorteile gibt es für die Raiffeisenbank?
Hayden: Gerade in unsicheren Zeiten sollte man Struktur in die Finanzierung des Kunden bringen und eventuell Teile davon in Sicherheiten-basierte, strukturierte Finanzierungen drehen. Genau da ist Leasing das richtige Produkt. Die Raiffeisenbanken sitzen auf einem riesigen Schatz an Bestandskunden. Mit vielen dieser Kunden verbindet die Bank eine jahrelange, oft jahrzehntelange Geschäftsbeziehung. Aufgrund der wirtschaftlichen Gegebenheiten ist aber der Ausblick derzeit mitunter eingetrübt bis negativ. Das ist genau der richtige Zeitpunkt, um über die Strukturierung der Kundenbeziehung nachzudenken und eventuell über Leasing mehr Sicherheit in das Exposure zu bringen, ohne dabei Geschäftsvolumen zu verlieren, denn gerne kann sich die Raiffeisenbank an einer Leasingfinanzierung teilweise oder vollständig unterbeteiligen.
Entsteht dadurch für die Raiffeisen-Leasing ein höheres Risiko?
Hayden: Leasing baut auf die Werthaltigkeit des jeweiligen Investitionsgegenstandes, weshalb diese von zentraler Bedeutung ist. Die Leasinggesellschaft bleibt während der Grundmietzeit Eigentümer des Leasinggutes. Abhängig von der Form des Leasingvertrages, sprich Finanzierungsleasing oder Operating Leasing in den verschiedenen Ausprägungsformen, verhält sich die Risikotragung für das Asset und spielt die Unternehmensbonität mehr oder weniger eine Rolle.
Steigen die Ausfälle?
Hayden: Im Vorjahr noch nicht, weil sehr viel durch staatliche Subventionen abgefedert wurde. Aber die steigenden Zinsen, die kann man nicht abfedern, wenn man nicht rechtzeitig Fixzinskredite abgeschlossen hat. Firmen, die hoch verschuldet sind und wo der Zinsaufwand mit der Zinsentwicklung variabel mitwächst, haben natürlich jetzt hohe Belastungen zu stemmen. Wir gehen davon aus, dass 2023 ein Jahr wird, wo wir über dem Insolvenzniveau von 2019 landen werden. Wir sind zwar von Zweckoptimismus getragen, aber so manche Unternehmen werden die Summe der vielen einzelnen Herausforderungen entweder nicht oder nur mit entsprechender Sensibilität der Finanzinstitute überstehen können.
Merken Sie das auch schon in Zahlen?
Hayden: Nein. Die meisten Kunden berichten uns, dass ihre Auftragsbücher aktuell noch sehr gut gefüllt sind. Aber aus manchen Branchen, ich denke zum Beispiel an die Bauindustrie, hören wir klare Signale, dass es zum Halbjahr nicht mehr so gut ausschauen wird. Ein Einbruch ist aus heutiger Sicht also nicht ganz unrealistisch. Im Risikomanagement verfolgen wir diese Entwicklungen sehr genau und haben entsprechende Puffer geschaffen – besonders in den letzten Jahren.
Wie viel Potenzial sehen Sie generell noch für die Raiffeisen-Leasing?
Hayden: Wenn man sich den Marktanteil des Raiffeisensektors anschaut, dann wird klar, dass noch ein Riesenpotenzial vorhanden ist. Die Raiffeisenbanken sind und bleiben unser wichtigster Vertriebskanal und mit unserer breiten Produktpalette und Expertise können wir den Raiffeisenbanken durch unsere Leasingfinanzierungen einen echten Mehrwert für ihre Kunden bieten.
