Raiffeisenverband Tirol: „Wir müssen mehr zusammenhalten“

Der Raiffeisenverband Tirol berichtet über positive Entwicklungen seiner Mitgliedsgenossenschaften und will die Awareness für zukünftige Herausforder­ungen erhöhen.

„Der Verbandstag ist ein zentrales Forum unserer gemeinschaftlichen Arbeit“, betonte Hermann Kuenz, Obmann des Raiffeisenverbandes Tirol, beim alljährlichen Treffen in der Messe Innsbruck. Inmitten eines politisch und wirtschaftlich anspruchsvollen Umfelds wurde Bilanz gezogen – und der Blick in die Zukunft gewagt.

„2024 war über weite Strecken ein turbulentes Jahr. Die Sicherheit Europas ist plötzlich in den Fokus gerückt – ein Umbruch, wie wir ihn lange nicht erlebt haben“, so Kuenz. Auch die Wirtschaft sei unter Druck geraten: Österreichs BIP schrumpfte, die Industrieexporte bereiten Sorge. Erste konjunkturelle Erholungstendenzen seien aber erkennbar.

Trotz des schwierigen Umfelds haben sich die Tiroler Raiffeisen-Genossenschaften im Vorjahr gut entwickelt. „Eigenständig in der Region und stark im Verbund“ sei das Erfolgsrezept der Genossenschaften – auch in anhaltend unruhigen Zeiten, so Kuenz. 

Regionale Flamme

Dem Thema Genossenschaft wurde beim Verbandstag besondere Aufmerksamkeit geschenkt, ist doch heuer auch das UN-Jahr der Genossenschaft. „Wir müssen 2025 nutzen, um junge Menschen für Genossenschaft zu begeistern. Was junge Menschen wollen, braucht man nicht erfinden, sondern das ist Genossenschaft“, betont die renommierte Genossenschaftsforscherin Theresia Theurl von der Universität Münster. 

Genossenschaften seien heute so zeitgemäß wie damals, allerdings müsse man auch sensibel gegenüber Veränderungen sein. International liege die Dynamik bei Neugründungen vor allem in Afrika und Asien, aber auch hierzulande könnten die Genossenschaften noch populärer werden. „Die Region hat ihren Höhepunkt noch nicht erreicht. Das neue Dreieck – Wohnen, Arbeiten und Leben in der Region – ist eine neue Flamme für die Genossenschaften“, ist Theurl überzeugt. 

Viel neue Energie

In Tirol sind allein im Vorjahr 18 neue Energiegenossenschaften gegründet worden, weitere sind in Vorbereitung. Die insgesamt 54 Energiegenossenschaften – inklusive Hackschnitzel- und Energiegemeinschaften – sind wichtiger Nahversorger in den Regionen und leisten einen Beitrag zum Umweltschutz. In den vergangenen zwei Jahren hat sich der Umsatz der Energiegenossenschaften auf rund 31,8 Mio. Euro verdoppelt.

Besser als Österreich

Insgesamt berichtet der Raiffeisenverband Tirol über positive Ergebnisse aller Mitgliedsunternehmen. Die Anzahl der Mitglieder hat sich im Vorjahr von 201 auf 220 erhöht. Die Zahl der Raiffeisenbanken reduzierte sich aufgrund einer Fusion von 42 auf 41. „Die Tiroler Raiffeisenbanken haben sich besser entwickelt als die Banken in Österreich“, berichtet Verbandsdirektor Edwin Grubert. Die Bilanzsumme ist um 2,9 Prozent auf 16,1 Mrd. Euro gestiegen, die Einlagen um 6,4 Prozent auf 12,3 Mrd. Euro und die Ausleihungen um 1,6 Prozent auf 11,6 Mrd. Euro. Die Eigenmittelquote verbesserte sich im Vorjahr von 19,8 auf 21,26 Prozent und auch die harte Kernkapitalquote erhöhte sich von 19,7 auf 21,16 Prozent. 

Mehr Umsatz als im Jahr davor erwirtschafteten auch die sechs Milchgenossenschaften mit 33,0 Mio. Euro. Die verarbeitete Milchmenge blieb mit 23,0 Mio. Kilogramm stabil. 

„Gut geschlagen“ haben sich laut Grubert auch Tirols Warengenossenschaften. Die neun selbstständigen Lagerhäuser, die zwei warenführenden Raiffeisenbanken, ein Lagerhaus-Konzern in Osttirol und zwei GmbH-Töchter von Genossenschaften haben in Summe 148 Mio. Euro Umsatz erzielt, um eine Million mehr als im Vorjahr. 

Lediglich einige der 45 Produktions- und Dienstleistungsgenossenschaften beobachtet Grubert mit Sorge: „Für Produktionsgenossenschaften ist es aufgrund des wirtschaftlichen Umfelds momentan sehr schwer, vor allem im Export.“ 

Kooperationen ermöglicht

Der Raiffeisenverband Tirol hat sich selbst ebenfalls positiv entwickelt und den finanziellen Turnaround geschafft, wie Verbandsdirektor Alexander Büchel berichtet. Im Vorjahr habe man die Oberziele konsequent weiterverfolgt: Stabilisierung der Finanzen, Verbesserung der Ablauforganisation, Ausbau des Leistungsportfolios und Stärkung des Außenauftritts. Darüber hinaus wurde im September ein Kooperationsvertrag mit dem Raiffeisenverband Vorarlberg unterzeichnet, der Unterstützung im Revisionsbereich, bei der EDV im Bereich Ware, gemeinsame Schulungsbereiche und die Zusammenarbeit bei Gründungskonzepten für Energiegemeinschaften umfasst. Um „tiefgreifende Zusammenarbeit“ mit anderen Verbänden zu ermöglichen, hat man im Rahmen der Generalversammlung auch eine Satzungsänderung vorgenommen. 

Widerstandswillen lernen

Mehr Solidarität fordert Peter Vorhofer, Krisensicherheitsbeauftragter der österreichischen Bundesregierung in einer Zeit der „Auflösung der regulierten Weltordnung“. Bereits mit der ersten Trump-Präsidentschaft haben die USA begonnen, sich aus der Rolle der Weltordnungshüter zurückzuziehen. „In den nächsten 20, 30 Jahren werden wir uns mit essenziellen Veränderungen konfrontiert sehen – auch in Österreich“, ist sich Vorhofer sicher. Statt Abrüstungsverträgen gibt es ein unkontrolliertes Aufrüsten, wodurch die Gefahr für weitere Konflikte steigt.

„Es werden neue Machtzentren entstehen.“ Im neuen System müsse man anders denken und alle klassischen Ebenen der Macht beachten: Wirtschaft, Diplomatie, Information und Militär. „Die Regeln in Europa wurden für Schönwettersituationen aufgestellt, aber wir müssen uns auf Konflikte einstellen“, so Vorhofer, der die Schwäche Europas im fehlenden Zusammenhalt sieht. Für Vorhofer ist jedenfalls klar: „Wir müssen als Gesellschaft resilienter werden und mehr zusammenhalten.“ 

AusgabeRZ25-2025

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