„Wir denken und handeln grenzenlos regional“

Die Raiffeisenbanken Oberland und Reutte gehen künftig ge­meinsame Wege. Wir trafen die drei Vorstände der drittgrößten Raiffeisenbank in Tirol, Wolfgang Hechenberger, Roger Klimek und Ludwig Strauß, zum Gespräch.

Wolfgang Hechenberger, Roger Klimek und Ludwig Strau
Wolfgang Hechenberger, Roger Klimek und Ludwig Strauß (c) RB Oberland-Reutte/Fotostudio Rene

Aus welchem Grund haben Sie sich zur Fusion zur Raiffeisenbank Oberland-Reutte entschieden? 
Wolfgang Hechenberger: Schon vor vier, fünf Jahren haben wir in beiden Banken zu überlegen begonnen, wohin wir uns entwickeln wollen und wo unsere Chancen liegen. Damals schon haben wir erste Gespräche geführt. Die RB Oberland befindet sich in einem interessanten Markt, kann diesen aber aus eigener Substanz aufgrund einer knappen Eigenmittelausstattung nicht optimal bearbeiten. Die RB Reutte hat entschieden, sich strategisch wieder mehr in Richtung Regionalbank zu positionieren – weg vom Fokus auf das Private Banking-Geschäft in Deutschland über das Bankhaus Jungholz –, weil sich die Rahmenbedingungen nach der Finanzkrise fundamental verändert haben. Die RB Reutte hat also viel Substanz, aber einen engeren Markt. Diese beiden Stärken wollten wir optimal koppeln. Das Spezialistentum, das essentiell sein wird, um überhaupt wettbewerbsfähig sein zu können, kann man nur ab einer gewissen Größe leisten. Dabei wollen wir aber nicht die größten sein, sondern die besten. 

Wie nehmen die Mitarbeiter die Fusion auf? 
Roger Klimek: Anders als bei Banken in den hochtouristischen Marktgebieten ist die RB Oberland in einem Markt tätig, in dem die Zahl der Kunden ausschlaggebend ist. Wir wussten, dass wir uns anders aufstellen müssen, damit uns die Kosten nicht erschlagen und wir dem Kunden weiterhin eine gewisse Qualität bieten können. Das haben auch die Mitarbeiter erkannt. Die technische Fusion hat dieser Tage stattgefunden, aber von dem Zeitpunkt an, an dem wir im Vorstand grundsätzlich handelseins waren, haben beide Banken bereits zusammengearbeitet – natürlich mit dem Ziel der Fusion. Aber auch wenn es nicht dazu gekommen wäre, hätte es Sinn gemacht, dass wir uns enger verschränken, weil wir in unseren Banken verschiedene Kompetenzen haben, die miteinander zu mehr Erfolg führen. 
Ludwig Strauß: Die RB Reutte und das Bankhaus Jungholz haben eine langjährige Entwicklung durchgemacht und mitunter Kernkompetenzen im Wertpapiergeschäft aufgebaut. Nach der Auslagerung des Investment-Prozesses können wir gerade im Wertpapier-Bereich diese Mitarbeiterkompetenzen in unserem Geschäftsgebiet unter der Marke Jungholz weiter gut platzieren. Das ist ein Asset, das beiden Banken zugutekommt. Beide Häuser mussten sich aus betriebswirtschaftlicher Sicht, aber auch vom Geschäftsmodell her immer wieder verändern. Und immer wieder hat sich gezeigt, dass die Veränderungsbereitschaft unserer Mitarbeiter in beiden Häusern enorm ist und sie bereit sind, die Zukunft anzunehmen. Damit tun sich manche Banken sehr schwer. Die hohe Kompetenz hat uns letztlich fusionsfit gemacht. 

Die hohe Kompetenz hat uns letztlich fusionsfit gemacht.

Ludwig Strauß

Das Bankhaus Jungholz wird es also weiterhin geben? 
Hechenberger: Ja, als Abteilung bzw. Team mit der eigenen Marke, die wir künftig nicht nur in Deutschland, sondern auch im Reuttener Markt und im Tiroler Oberland platzieren wollen. Das hat in dieser Form niemand zu bieten, damit sind wir konkurrenzlos und es ist unser Alleinstellungsmerkmal im Westen von Tirol. Hier haben wir abseits des Mengengeschäftes und des großvolumigen Kreditgeschäftes eine weitere Möglichkeit am Markt zu punkten. 

Wie teilen sich künftig die Standorte ihre Aufgaben auf? 
Strauß: Der Sitz der gemeinsamen Bank wird Reutte sein, mit der Verantwortung für Personal, Organisation, IT, Rechnungswesen und Finanzmanagement sowie Regulatorik und Compliance. Wir sind stolz, dass wir im Zuge der Fusion nicht eine einseitige Organisation aufgebaut haben, sondern in Zams, der Zentrale der früheren RB Oberland, das Kreditservice und das Kreditrisikomanagement angesiedelt haben. Damit gibt es eine gewisse Parität, die zur Glaubwürdigkeit beiträgt. Das passt synergetisch gut zusammen: Zusammengehen, Standorte und Mitarbeiter regional erhalten und die Digitalisierung nutzen. 

Hatte die Fusion auch wirtschaftliche Gründe? 
Strauß: Beide Häuser sind völlig gesund und aus Risikosicht gab es keinen Grund für die Fusion. Natürlich haben wir per se Vorteile durch die Fusion, das Kreditportfolio sieht zum Beispiel aufgrund einer breiteren Streuung diversifizierter aus. Auch die Ausleihungsfähigkeit steigt deutlich und wir haben ganz andere Möglichkeiten aufgrund unserer gemeinsamen Kapitalkraft und Risikotragfähigkeit. Aus Risikosicht ist dieses Zusammengehen also ein Gewinn. 

Was hat der Kunde von der Fusion gemerkt? 
Hechenberger: Der Firmenkunde wird merken, dass wir vor allem in der Region Oberland deutlich substanzstärker sind und mehr an Kapital einbringen können. Der ganze Markt wird unsere Expertise im Wertpapiergeschäft spüren – da wollen wir Qualitätsführer im gehobenen Veranlagungsgeschäft in unserer Region werden. Und der Kunde wird definitiv im Service keine Verschlechterung spüren. 

Hat man als große Regionalbank eine besondere Verantwortung gegenüber der Region? 
Klimek: Die Verantwortung wird durch die Größe der Bank nicht größer. Das Wesentliche wird sein, dass wir sie gleich wahrnehmen wie bisher. Die Größe hilft uns, den Spezialisierungsgrad zu erhöhen, die Kräfte besser bündeln zu können und vor allem das Service für den Kunden auf allen Kanälen einfacher zu machen. Das sehen wir als unsere Verantwortung. Nur wenn wir es schaffen, die Convenience, die die Technik ermöglicht, mit der Sicherheit der lokalen Nähe in ideale Verbindung zu bringen, macht uns das unverwechselbar und lässt uns im Wettbewerb bestehen. Wenn man den Kunden konsequent in den Mittelpunkt stellt, weiß man, dass einige Prozesse verändert werden müssen. Das tut weh, denn jede Veränderung schmerzt. Wichtig ist, in Veränderungsprozesse positiv hineinzugehen. Das war für unsere Mitarbeiter in dieser Phase immer das Motto. Nicht der Stärkste überlebt, sondern der, der sich am schnellsten dem Umfeld anpasst. Das sollte unsere Stoßrichtung sein. 
Strauß: Uns ist unsere Verantwortung gegenüber unseren Eigentümern sehr wichtig. Dieses Verantwortungsbewusstsein konnten wir in die Fusion übertragen. Wir haben kein Basismitglieder­system, sondern ein Delegiertensystem. Dahinter steht auch ein Umwelt-Sozial-Kultur-Fonds, der bestückt wird nach Mitgliederanzahl und mit einer gewissen Autonomie der Delegierten zweckkonform verteilt wird. Mit der Fusion können wir dieses System nun auf breitere Beine stellen und die Mitglieder der RB Oberland integrieren. Das macht uns lokal noch besser spürbar. 
Hechenberger: Wir leben in beiden Häusern nicht nur die Verantwortung gegenüber der Region, sondern auch das Thema Eigenverantwortung. Die Mitarbeiter haben größtmögliche Kompetenzen, bei Konditionen genauso wie beim Sponsoring. Wir möchten, soweit es möglich und verträglich ist, Kompetenzen delegieren. Je weniger wir als Vorstände eingebunden sind in die Entscheidungen des Tagesgeschäftes, desto besser funktioniert unsere Organisation und desto besser ist es für den Kunden. 

Nicht der Stärkste überlebt, sondern der, der sich am schnellsten dem Umfeld anpasst.

Roger Klimek

Was sind die aktuellen Herausforderungen für Regionalbanken? 
Strauß: Wir erleben derzeit einen riesigen Umbruch, der überall in Wirtschaft und Gesellschaft wirkt, aber eine Regionalbank im Vergleich zu überregionalen Banken besonders trifft. Zum Beispiel, dass die Bankenaufsicht das Thema Klimaveränderung und Nachhaltigkeit in die Regulierung aufgenommen hat. Grundsätzlich ist das für Raiffeisen sehr stimmig, aber die Regulatorik macht es uns enorm schwer, wenn zum Beispiel Kreditvergabeentscheidungen bei Wohnimmobilienkrediten beeinflusst werden. Diese neuen Vorgaben treffen eine Regionalbank im Kern und üben zusätzlichen Druck aus. Durch Covid-19 hat sich zudem der Wettbewerb durch die Digitalisierung deutlich beschleunigt. Als Regionalbank muss man jedenfalls dynamisch im Veränderungsprozess bleiben, ansonsten schwimmen die Felle davon. Die Herausforderung besteht darin, den richtigen Mix für den Kunden zu bieten. Das ist nichts Neues, aber in dieser Dynamik schon. Was es braucht ist Geschwindigkeit und Veränderungsbereitschaft, auch bei Mitarbeitern, sich auf verändertes Kundenverhalten einzulassen. Auch wenn man ein guter Dienstleister ist, heißt das nicht, dass man den Kunden richtig versteht. Wir müssen den Kunden in seinen Wünschen antizipieren, ihn überraschen. 

Wie wollen Sie den Kunden überraschen? 
Klimek: Schon Ende 2017 haben wir bei uns im Retailgeschäft die Teamberatung eingeführt und die direkte Kundenzuordnung aufgegeben. Die größte Überraschung für die Kunden war, dass sie bei allen Kontakten – von der komplexen Beratung bis zu 0815-Servicepointkontakten – von EINER Teamberatung betreut wurden. Dabei punkten wir vor allem durch Schnelligkeit. Bei intensiven Beratungen, etwa bei den Themen Wohnbau, Erbschaft oder Wertpapierveranlagung, wurde natürlich der Kontakt zu Spezialisten hergestellt. Unser Service muss einfach, schnell und bequem sein. Das wollen wir weiterentwickeln und auf jedem Kanal zur Verfügung stellen. Es wird unsere Kunden überraschen, dass wir uns künftig von der Bankstelle etwas ‚entorten‘. Das soll jetzt nicht die Wichtigkeit der Bankstelle untergraben, sondern eine noch offensichtlichere Einfachheit in der Zusammenarbeit ermöglichen. 

Wie sieht Ihre strategische Ausrichtung für die neue Bank aus, Ihre Vision? 
Hechenberger: Wir haben bereits für uns eine längerfristige Vision formuliert und sprechen da von einem Zustand, den es sich lohnt anzustreben. Wir wollen in einer vollkommen globalisierten Welt nach einer Region streben, in der alle mit- und voneinander profitieren, in der wir eine wichtige Drehscheibe sind. In dieser Welt handeln und denken wir aber nicht engstirnig, sondern grenzenlos regional. Wir fühlen uns unserer Region, die durch die Fusion größer geworden ist und möglicherweise in den nächsten Jahren noch größer werden könnte, verbunden, aber eingebunden in die internationalen Entwicklungen. Wir sind überzeugt, dass die Bedeutung der Regionen noch größer werden wird. Der Zweck unseres Unternehmens dabei ist eigentlich ein simpler, wenn man ihn auf das Wesentliche fokussiert: Wir sind da für das Finanzleben unserer Kunden, der Menschen, die in der Region leben. Das ist unser Auftrag. Und alles, was damit zusammenhängt, müssen wir schnell, professionell und für den Kunden bequem erledigen – nicht mehr und nicht weniger. Wenn wir das gut machen, wird die Region profitieren, die Kunden und wir selbst auch. 

Eckdaten der RB Oberland-Reutte

Bilanzsumme967 Mio. Euro
Kundengeschäftsvolumen2,4 Mrd. Euro
Kernkapitalquote18,1 Prozent
Kundenca. 36.000
Standorte28 (davon 10 mit bedientem Service)
Mitarbeiter135
per 31.12.2020