Trotz massiver Sonderbelastungen aus Russland, Belarus und Polen erwirtschaftete die Raiffeisen Bank International (RBI) im „sehr ereignisreichen“ Geschäftsjahr 2024 ein stabiles Ergebnis von 975 Mio. Euro im Kernkonzern, also ohne Russland und Belarus. Das ist ein Rückgang um 1 Prozent im Jahresvergleich.
Das Konzernergebnis inklusive der beiden Länder halbierte sich im Vorjahr auf 1,15 Mrd. Euro. Angesichts der hohen Rückstellungen von knapp 650 Mio. Euro für Fremdwährungskredite in Polen und des Verkaufs der belarussischen Tochter Priorbank im November 2024, der finanzielle Spuren von 800 Mio. Euro hinterließ, sowie einer weiteren Rückstellung von 840 Mio. Euro der russischen RBI-Tochter aufgrund des verlorenen erstinstanzlichen Gerichtsverfahrens in Russland in Zusammenhang mit Strabag-Aktien sprach CEO Johann Strobl von „einem zufriedenstellenden Ergebnis“: „Alles zusammen unterstreicht die Ertragskraft der RBI und hindert uns nicht daran, dass wir der Hauptversammlung eine Dividende von 1,10 Euro pro Aktie vorschlagen werden.“ Damit werden 362 Mio. Euro an die Aktionäre ausgeschüttet. Für 2023 wurde eine Dividende von 1,25 Euro je Aktie ausgeschüttet.
„Weit über Anforderungen“
In allen Teilen des RBI-Kernkonzerns laufe es derzeit „sehr, sehr gut“, sonst könnte man derartige Belastungen auch nicht verkraften, betonte der RBI-CEO. Natürlich habe auch der vorteilhafte Zinszyklus der Bankengruppe geholfen. „Aber man muss ziemlich gut sein, um diesen auch so nutzen zu können“, strich Strobl hervor.
Im Kernkonzern legten die Kredite im Vorjahr um 3 Prozent auf knapp 95,4 Mrd. Euro im Jahresvergleich zu. Der Zinsüberschuss fiel dagegen vor allem wegen der Zinssenkungen der Zentralbanken um 1 Prozent auf 4,16 Mrd. Euro, während der Provisionsüberschuss um 5 Prozent auf 1,85 Mrd. Euro zulegte. Die Verwaltungsaufwendungen stiegen vor allem inflationsbedingt um 6 Prozent auf 3,3 Mrd. Euro an, was auch zu einem Anstieg der Cost-Income-Ratio um 2,6 Prozentpunkte auf 52,5 Prozent führte. Die Risikokosten betrugen im Vorjahr 287 Mio. Euro, wobei die Neubildungsquote bei 27 Basispunkten lag.
Die harte Kernkapitalquote des RBI-Konzerns lag zum Jahresende 2024 bei 17,1 Prozent. Hätte die RBI das Russlandgeschäft zu diesem Zeitpunkt ersatzlos, also zu einem Kurs-Buchwert-Verhältnis von null, abgegeben, wäre die harte Kernkapitalquote immer noch bei 15,1 Prozent. Damit liege man „weit über den regulatorischen Anforderungen“, so Strobl.
Strabag-Rechtsstreit belastet
Eine hohe Belastung kam für die RBI zuletzt aus dem russischen Gerichtsverfahren, das der russische Strabag-Aktionär Rasperia im Wesentlichen gegen den Baukonzern und dessen Kernaktionäre in Russland führt. In dieses Verfahren wurde auch die russische RBI-Tochter miteinbezogen – zu Unrecht, ist die RBI überzeugt. In erster Instanz wurde die RBI-Tochter verurteilt, etwas über 2 Mrd. Euro an Rasperia leisten zu müssen. Die Verurteilung hat dazu geführt, dass die RBI-Tochter eine Rückstellung von umgerechnet 840 Mio. Euro vornehmen musste. „Wir werden das Urteil in zweiter Instanz bekämpfen“, betonte der RBI-CEO. Das Urteil wurde Strobl zufolge bereits schriftlich zugestellt, sodass die Frist für die Berufung vier Wochen beträgt und bis zum 21. Februar 2025 läuft.
Sollte die Raiffeisenbank Russland auch in zweiter Instanz verurteilt werden, müsste das Geld an Rasperia bezahlt werden. Damit wäre die russische RBI-Tochter massiv geschädigt. „Wir werden die russische Bank unterstützen, Schadenersatz zu bekommen und sehen, dass die Sanktionsbestimmungen dafür ausreichend Möglichkeiten einräumen“, sagte Strobl. Im Fokus hat die RBI die Strabag-Aktien der Rasperia, die aufgrund der Russland-Sanktionen von der EU eingefroren wurden. Dabei stellte Strobl aber klar, dass man nicht an der Innehabung der Strabag-Aktien interessiert sei, sondern an einem Erlös aus der gerichtlichen Verwertung, um den Schaden aus dem möglichen russischen Gerichtsverfahren der RBI-Tochter zu mindern. Dafür würde man im Fall des Falles einen Prozess in Österreich ins Auge fassen.
Neben den Strabag-Aktien hat Rasperia auch unter anderem noch eingefrorene Dividendenansprüche aus dem Strabag-Anteil für drei Jahre, auf die man ebenfalls zugreifen möchte. Diese bekannten Strabag-Vermögenswerte der russischen Rasperia wurden von Experten auf rund 1,2 Mrd. Euro geschätzt. Daher habe die russische RBI-Tochter die 840 Mio. Euro als Differenzbetrag von dem drohenden Schadenersatz von etwas über 2 Mrd. Euro in Russland rückgestellt, schilderte Strobl und betonte: „Wir sind sehr, sehr zuversichtlich“, vor einem österreichischen Gericht die Ansprüche gegen Rasperia durchsetzen zu können.
Russland-Tochter verliert an Bedeutung
In der Zwischenzeit nimmt die Bedeutung der Russland-Tochter für die RBI immer mehr ab. Wenn der Abbau des Kreditportefeuilles so weitergehe, werde man in ein paar Jahren keines mehr haben, sagte Strobl. Im Vorjahr wurde das Russlandgeschäft signifikant reduziert, das Kreditvolumen ging um 30 Prozent zurück. Zum Jahresende habe es nur noch 4,2 Mrd. Euro betragen. Aber auch die Kundeneinlagen gingen im Jahresvergleich um 35 Prozent zurück, weil man keine Zinsen zahle. Und auch Fremdwährungszahlungen aus Russland wurden weiter eingeschränkt. Darüber hinaus erhält die RBI aufgrund der Beschränkungen im Zahlungsverkehr in Russland keine Dividende mehr.
An einem Ausstieg der RBI aus Russland hält Strobl nach wie vor fest: „Wir ändern unseren Zugang zu diesem Thema nicht.“ Allerdings sei ein Ausstieg aus Russland aufgrund des Strabag-Rechtsstreites deutlich schwieriger geworden, denn eine Übertragung von Anteilen an der russischen RBI-Tochter sei derzeit wegen der Klage nicht möglich.
Hohe Vorsorgen auch in Polen
Neben Russland macht auch Polen der RBI aufgrund der jahrelangen Fremdwährungsstreitigkeiten Sorgen. Im Vorjahr wurden, wie erwähnt, knapp 650 Mio. Euro an Vorsorgen für Schweizer-Franken- und Euro-Hypothekarkredite verbucht – insgesamt hat die RBI schon knapp 2 Mrd. Euro an Rückstellungen für diese Gerichtsfälle getätigt. Aushaftend sind aktuell noch Schweizer-Franken-Kredite im Wert von rund 1,6 Mrd. Euro. Für Euro-Hypothekarkredite gibt es weitere 106 Mio. Euro an Rückstellungen, hier sind noch Kredite im Wert von 395 Mio. Euro aushaftend. Ob noch weitere Rückstellungen folgen müssen, ist offen.
Inzwischen seien viele der Franken-Kreditnehmer bereits vor Gericht. Insgesamt rechnet die Bank damit, dass 92 Prozent dieser Kreditnehmer gerichtlich gegen die Bank vorgehen werden. Die Rechtsprechung in Polen habe dazu große Anreize gegeben, da die Urteile die Verträge der Kunden einfach annullieren würden, so Strobl. Dadurch würde Kunden ein zinsloser Kredit ohne negative Wechselkurseffekte zugesprochen. Solche Urteile könnten weitere Klagen nach sich ziehen, beispielsweise von Kunden, die bereits einen Frankenkredit zurückgezahlt und das Wechselkursrisiko verdaut hätten, nun aber eventuell versuchen könnten, für einen zinslosen Kredit zu kämpfen. Wann das Ende erreicht ist, sei damit schwer zu sagen. Für die Franken-Kredite sei die Bank aber gut bevorsorgt.
Zum Verkauf der Belarus-Tochter Priorbank im November des Vorjahres erklärte der RBI-CEO: „Wir haben unsere Aktivitäten an die geopolitischen Ereignisse angepasst.“ In einer sehr komplexen Transaktion habe man für die RBI politisches Risiko reduzieren können, was aber emotional nicht einfach war.
Bessere Konjunkturaussichten
Trotz dieser diversen Sonderbelastungen blickt Strobl dennoch mit Zuversicht auf das laufende Geschäftsjahr. Für heuer rechnet die RBI mit einem Kreditwachstum von 6 bis 7 Prozent sowie einem stabilen Zinsüberschuss von 4,15 Mrd. Euro und einem Provisionsüberschuss von 1,95 Mrd. Euro. Die Neubildungsquote bei den Risikovorsorgen dürfte heuer um 50 Basispunkte steigen. Zum Jahresende sollte die harte Kernkapitalquote bei 15,2 Prozent zum Liegen kommen. Der Konzern-Return-on-Equity sollte heuer auf 10 Prozent steigen, nachdem er im Vorjahr (ohne Russland und Belarus) bei 7,3 Prozent lag. Mittelfristig strebt die RBI einen Konzern-Return-on-Equity von mindestens 13 Prozent ohne Russland und ohne Aufwendungen und Rückstellungen für Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit Fremdwährungskrediten in Polen an.
Die RBI-Töchter haben in den verschiedenen Ländern „eine sehr, sehr gute Entwicklung“. Die makroökonomischen Aussichten würden sich bessern. „Natürlich wird der Zinsüberschuss weniger werden, dafür wird aber die Qualität der Kunden besser und die Kreditnachfrage steigt“, fasst Strobl den Blick auf 2025 zusammen. Europa und auch Österreich haben ein paar Herausforderungen zu bewältigen. Das brauche Zeit. Dennoch sei er zuversichtlich, dass diese Herausforderungen gut gelöst werden.