„Die Zinswende ist de facto da“

Die Raiffeisen Bausparkasse erzielte im Jahr 2021 ihr bisher bestes Finanzierungsergebnis. Im Interview ziehen die beiden Geschäftsführer Christian Vallant und Markus Tritthart Bilanz und geben einen Ausblick auf das von Verwerfungen und Unsicherheiten geprägte Jahr 2022.

Die beiden RBSK-Geschäftsführer Christian Vallant und Markus Tritthart im Interview.
Die beiden RBSK-Geschäftsführer Christian Vallant und Markus Tritthart im Interview. (c) Roland Rudolph

Das Geschäftsjahr 2021 stand im Zeichen der Erholung. Wie ist es für die Raiffeisen Bausparkasse gelaufen?
Christian Vallant: Es war für uns ein herausforderndes Geschäftsjahr, dennoch konnten wir eine Finanzierungsleistung von insgesamt 1,5 Milliarden Euro erzielen und das Ergebnis aus 2020 etwas übertreffen. Damit schafften wir unser bisher bestes Ergebnis in der 60-jährigen Geschichte. Im Vorjahr haben wir rund 8.400 Finanzierungsanträge bearbeitet, in einem Normaljahr sind es an die 6.000. Wichtig war, dass wir trotz einiger Herausforderungen unsere Qualitätsstandards bei der Abarbeitung einhalten konnten.

Was waren die Gründe für die hohe Nachfrage nach Finanzierungen?
Vallant: Es ist eine Melange aus mehreren Entwicklungen. Viele Kunden gehen aufgrund der bereits langanhaltenden Negativzinsen nach wie vor ins Wohneigentum, auch weil es bei vielen Sparformen praktisch keine Zinsen gibt. Zusätzliche Unsicherheiten wie etwa die seit dem Vorjahr steigende Inflation unterstützen den Trend zum Betongold. Zudem stellt sich die Frage, wie lang die Zinsen so tief bleiben können. Und die Pandemie hat für eine zusätzliche Dynamik am Wohnmarkt gesorgt. Der Trend ins Grüne bzw. in den sogenannten Speckgürtel ist ungebrochen hoch. Das gilt nicht nur für die Umgebung von Wien, sondern auch von Graz, Linz und Eisenstadt. Es findet eine Stadtflucht in die oft noch leistbare zweite Reihe statt.

Es fällt auf, dass das Zinsergebnis trotz steigender Finanzierungen im Vorjahr etwas zurückgegangen ist. Wieso?
Markus Tritthart: Viele Darlehensnehmer nutzten im Vorjahr die Möglichkeit zur vorzeitigen Tilgung, was wir dann auch im Zinsergebnis gespürt haben. Das überdurchschnittlich hohe Geschäftsvolumen hat uns geholfen, einiges davon zu kompensieren, aber eben nicht alles. Diese Entwicklung geht nun wieder spürbar zurück – auch aufgrund der geänderten Zinslandschaft. 

Und wie sah es auf der Sparseite aus?
Vallant: Trotz anhaltender Negativzinsen rückte die Nachfrage nach sicheren Sparmöglichkeiten im Zuge der Pandemie wieder stärker in den Vordergrund. Insgesamt schlossen wir im Vorjahr 201.000 neue Bausparverträge ab, nach 227.000 im Jahr 2020 –  das ist angesichts der Rahmenbedingungen ein beachtliches Ergebnis. Wir sind sowohl bei den Finanzierungen als auch beim Sparen mit einem Anteil von 45 bzw. 46 Prozent absoluter Marktführer in Österreich. Diese starke Positionierung konnten wir gemeinsam mit den Raiffeisenbanken und den Landesbanken erreichen, die auch im Vorjahr ein zuverlässiger Partner für uns waren, ohne die solche Ergebnisse nicht möglich wären.
Tritthart: Bemerkenswert war, dass trotz der Belastungen durch die Pandemie die Zusammenarbeit mit dem Raiffeisensektor auf unverändert hohem professionellem Niveau fortgeführt werden konnte. Immerhin kommt der überwältigende Teil unseres Ergebnisses aus der Kooperation mit den Raiffeisenbanken. Das zeigt, wie wichtig und produktiv die gute Partnerschaft zwischen den Raiffeisenbanken, Landesbanken und der Bausparkasse ist.

Vor einigen Jahren war Überliquidität ein wichtiges Thema. Wie hat sich das entwickelt?
Vallant: Wir sind in den letzten Jahren auf der Sparseite etwas auf der Bremse gestanden, 2021 hat sich die Lage beim Thema Überliquidität weiter entspannt. Die gesamten Einlagen unserer Kunden erreichten Ende 2021 knapp 6,4 Milliarden Euro, nach etwas über 6,5 Milliarden Euro im Jahr davor. Für heuer haben wir uns für einen Strategiewechsel beim Einlagengeschäft entschieden und gehen davon aus, dass das gute alte Bausparen wieder ein Revival erleben wird.

Christian Vallant im interview
(c) Roland Rudolph

Die Rufe nach einer Zinswende in Europa werden immer lauter …
Vallant: Die Zinswende ist de facto schon da. Auch wenn die Europäische Zentralbank noch nicht entschieden hat, der Markt hat schon entschieden. Alle Bausparkassen, aber auch Banken haben reagiert und ihre Zinssätze in den letzten vier Wochen angepasst, also erhöht. Der 20-Jahres-Swap ist um 60 Basispunkte innerhalb von sechs Wochen gestiegen. Die Refinanzierungsfrage stellt sich nun für alle Banken neu.
Tritthart: Niemand schafft es zurzeit, insbesondere aufgrund der hohen Zinsvolatilität, mittel- bis langfristige Finanzierungen am Markt zu bekommen. Wir hoffen, dass sich die Situation im zweiten Halbjahr wieder bessert. Wir als Bausparkasse verlassen uns dabei auf die Raiffeisen Bank International, mit der wir bei diesem Thema in enger Abstimmung sind. 

Seit dem Vorjahr können auch Bausparverträge in Elba online abgeschlossen werden. Wie wird das angenommen?
Vallant: Diese Möglichkeit besteht seit dem Vorjahr für jene Elba-Kunden, die noch keinen Bausparvertrag haben, eine eher kleine Kundenschicht. Dennoch haben wir über diesen Kanal rund 1.800 Bausparverträge abgeschlossen – ohne breitflächige Werbung. In einigen Pilotbanken wurden lokale Kampagnen gefahren. Daran sehen wir, dass das Potenzial enorm ist. Im zweiten Halbjahr wollen wir einen Schwerpunkt in diesem Bereich setzen. Zudem ist mittlerweile auch der Online-Abschluss für abgelaufene Bausparverträge möglich. Online ist schon ein wesentlicher Hebel, der uns in Zukunft bereitsteht.

Im Vorjahr wurde der Finanzierungsrahmen für Bauspardarlehen von 220.000 auf 240.000 Euro erhöht. Reicht das aus?
Vallant: Allein mit dem Bauspardarlehen kommt man bei den seit Jahren steigenden Immobilienpreisen mittlerweile nicht mehr mit. Wir sind ein Kombiprodukt für die Raiffeisenbanken, die in der Regel die Ausfinanzierung übernehmen. Die Interessenvertretung der heimischen Bausparkassen hat sich dafür eingesetzt, höhere Grenzen zu bekommen. Dies trug aber keine Früchte. 

Wie geht es bei den Finanzierungen heuer weiter?
Vallant: Es ist eine gewisse Unsicherheit am Markt ausgebrochen, mit dem Krieg ist diese gewaltig geworden. Viele fragen sich, ob es überhaupt langfristige Finanzierungen geben wird. Im Sektor sind wir der Partner für Fixzinsdarlehen, man hat uns in den ersten drei Monaten extrem gut mit Finanzierungsangeboten bedacht. Wie erwähnt haben wir in durchschnittlichen Jahren knapp 6.000 Darlehensanträge, im ersten Quartal 2022 erhielten wir bereits an die 5.000. Wir wickeln mit der gleichen Mannschaft in einem Quartal fast ein Jahresgeschäft ab.
Tritthart: Wir sind für jedes Geschäft dankbar, mit dieser Flut haben wir aber nicht gerechnet. Natürlich konnte niemand mit diesem Krieg rechnen und einen Zinssprung voraussehen. Eine Folge daraus ist, dass wir derzeit unsere gewohnt raschen Bearbeitungszeiten für Finanzierungsanfragen nicht halten können. Für die Kunden ist aber das Wichtigste, dass sie den Zinssatz garantiert bekommen, auch wenn sie aktuell etwas länger auf den Kredit warten müssen. Auch die Pandemie mit der hohen Omikron-Welle hat uns zu schaffen gemacht. Ich hoffe, dass wir  Ende Mai wieder bei unseren Qualitätsstandards dort sind, wo wir sein wollen.

Markus Tritthart im Interview
(c) Roland Rudolph

Zudem hat die Aufsicht angekündigt, die Konditionen für Immobilienfinanzierungen ab Mitte 2022 nachzuschärfen. Hat dies zu Vorzieheffekten geführt?
Tritthart: Das ist schwer zu beurteilen, wir gehen aber schon davon aus, dass dies zumindest für einen Teil dieser enorm hohen Nachfrage gesorgt hat. Allerdings gibt es noch keinen Entwurf dazu. Spannend wird es, wann die Banken die Vorgaben bekommen und wie viel Zeit sie haben werden, diese umzusetzen. Wir haben seit April neue Konditionen am Markt. Aufgrund der hohen Volatilität, aber auch der angesprochenen hohen Unsicherheiten gehen wir davon aus, dass sich das Neugeschäft wieder normalisieren wird. 

Sie haben Ihre Tochter in Tschechien an die RBI-Netzwerkbank verkauft. Was ist der Hintergrund dafür?
Vallant: Wir haben unseren Anteil von 90 Prozent marktkonform aus Konsolidierungsüberlegungen verkauft, um das Geschäft in Tschechien noch effizienter aufzustellen. Damit können konzernintern Synergien genutzt werden, indem die Bausparkasse von der Netzwerkbank direkt gesteuert wird. Nunmehr sind wir im Ausland mit unserer Tochter in der Slowakei vertreten. 

2022 steht für eine Zeitenwende in Europa, die früher oder später alle Wirtschaftszweige treffen dürfte. Was nehmen Sie sich für das Jahr vor?
Vallant: Für uns gilt das Motto „Back to the roots“. Bausparen ist ein absolut sicheres Produkt. Ganz nach dem Motto: „Bausparen – da sinkt der Puls.“ Außerdem hat Bausparen eine lange Tradition in Österreich und ist in den Köpfen der Österreicher drinnen. Und unser Geschäftsmodell ist mit der Fristentransformation solide aufgestellt. Das, was an Liquidität da ist, wird bei Bedarf wieder in Bauspardarlehen umgewandelt. 
Tritthart: Wir haben ein relativ krisensicheres Geschäftsmodell und können es relativ gut steuern. Im Vorjahr hatten wir quasi null Risikokosten, obwohl wir vorsorglich mit höheren Risikokosten gerechnet hatten. Es ist aber immer noch so, dass der Kredit für das Eigenheim jedenfalls bezahlt wird, da verkauft man im Fall des Falles noch vorher das Auto.